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Europa zwischen allen Stühlen

Die EU hat sich blamiert. Denn es hätte ganz sicher keinen eigenen europäischen Sondergipfel gebraucht, nur um mitzuteilen, dass Muammar Gaddafi nicht mehr der Ansprechpartner der EU ist. Das war er nämlich schon seit Wochen für kein einziges EU-Land mehr.

Die Staats- und Regierungschefs wollten am Wochenende mit solchen bedeutungslosen „Beschlüssen“ nur übertünchen, dass sich die EU nicht über eventuelle militärische Interventionen einigen kann. Und dass Europa auch sonst nach wie vor keine eigene Außenpolitik hat, sondern dass es 27 verschiedene Außenpolitiken gibt, die nur in banalen Selbstverständlichkeiten deckungsgleich sind. Gleichzeitig haben aber alle Bürger Europas noch die Sprüche im Ohr, dass es durch den Lissabonner Vertrag nun endlich zu einer solchen, lange vermissten Außenpolitik kommen werde.

Gewiss: Auch kein anderes Land der Welt hat in diesen Stunden eine klare Linie zu Libyen. Das hat ja nicht einmal das kleine EU-Land Österreich intern: Einmal spricht sich der Außenminister öffentlich für eine Intervention unter Beteiligung von 200 österreichischen Soldaten aus – wenn auch unter der eher unrealistischen Voraussetzung, dass UNO, Arabische Liga und Afrikanische Union dem zuvor zustimmen. Tags darauf lehnt hingegen der Bundeskanzler jede militärische Reaktion auf Libyen ab. Österreich also als ein Europa im Kleinen.

Die Briten und die Franzosen sind nämlich für die Verhängung einer Flugverbotszone; die Deutschen und die Mehrheit der kleineren Länder sind hingegen strikt dagegen.

In Wahrheit fehlt der EU in der Frage Libyen zweierlei: Erstens eine klare Führung, die ohne auf einen Konsens von 27 jeweils auf die eigene Heimat schielenden Politikern warten zu müssen, Entscheidungen treffen könnte. Zweitens eine andere auch nicht ganz unwichtige Kleinigkeit: Die EU-Spitzen würden gerne wissen, wie das Ringen im Libyen am Ende ausgeht. Dann könnte man sich jetzt schon richtig verhalten und sich an die Seite des Siegers stellen. Aber Prophezeiungen sind halt schwer, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Die man aber ärgerlicherweise nicht kennt. Immerhin prophezeit der CIA-Chef, dass Gaddafi den Bürgerkrieg gewinnen wird – während das Weiße Haus in Washington dem eigenen Geheimdienst widerspricht. Immerhin halten sich außerhalb der EU die meisten Länder – Russland, China, Araber und Afrikaner – auffallend bedeckt. Denn sie wissen das ja auch nicht.

Die europäischen Politiker haben sich – ohne Vorstellungen zu haben, wie es weitergehen soll – unter dem Druck ihrer Öffentlichkeit jedenfalls schon am weitesten vorgewagt. Was Europa im Falle eines Gaddafi-Sieges wohl teuer bezahlen wird müssen. Deswegen hätte die harte Linie der Briten und Franzosen eine gewisse Logik, jetzt um jeden Preis einen Verbleib Gaddafis zu verhindern. Wenn schon, denn schon.

Nur: Dazu müssten die beiden auch militärisch den Alleingang wagen, denn UNO und Co werden einer Intervention wohl nie zustimmen. Und auch nur so etwas harmlos klingendes wie eine Flugverbotszone ist ohne heftige Kampfaktionen nicht durchsetzbar.Das werden aber auch Briten und Franzosen nie wagen. Dazu sind sie wohl auch militärisch nicht in der Lage. 

Wenn nun die Aufständischen ohne ausländische Unterstützung unterliegen sollten, dann steht die EU mehrfach blamiert da. Ihre gemeinsame Außenpolitik ist als lächerlicher Papiertiger entlarvt. Sie hat ganz überflüssigerweise durch den Sondergipfel die weltweite Aufmerksamkeit auf sich und ihr Nichthandeln gezogen. Sie wird daher nicht einmal bei einem Sieg der Rebellion sonderliches Gewicht als Partner haben können.

Und wenn Gaddafi siegen sollte, dann werden erst recht alle Aggressionen Libyens auf Europa gerichtet sein. Dann wird er seinerseits Europa nicht mehr als Ansprechpartner ansehen. Dann wird er mit großer Lust Heerscharen von schwarzafrikanischen Migranten ins Land lassen, um sie dann auf Booten nach Norden zu senden, was die EU zusätzlich destabilisieren wird.

Man sollte Konfrontationen halt nur dann beginnen, wenn man auch halbwegs sicher sein kann, sie am Ende auch zu gewinnen.

 

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