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Wirtschaftszentren? Klagenfurt, nicht Linz!

 Keine Frage: Auch im Verkehrsbereich muss Österreich dringend sparen. Die bisher erträumte Wunschliste an neuen Projekten ist nie und nimmer realisierbar. Dennoch ist das, was die Verkehrsministerin und der ÖBB-Chef da nun präsentiert haben, an der Grenze des Absurden.

Denn die beiden Genossen wollen uns einreden, dass es ein wichtiges, notwendiges und zukunftsweisendes Projekt ist, die Städte Graz und Klagenfurt durch eine komplett neue Eisenbahn zu verbinden – einschließlich eines 33, in Worten: dreiunddreißig Kilometer langen Tunnels. Dass aber die Nordostumfahrung Wiens und die Westumfahrung von Linz nicht wichtig seien. Obwohl diese Straßenprojekte dringend notwendig und viel billiger sind.

Die verkehrspolitische Absurdität des Koralm-Tunnels wird auch dadurch unterstrichen, dass die ÖBB gleichzeitig die letzte direkte Zugsverbindung zwischen Graz und Linz streichen. Dabei sind diese beiden Städte größenmäßig Nummer zwei und Nummer drei in Österreich.

Und niemand kann auch nur eine Sekunde zweifeln dass Linz weit wichtiger ist als Klagenfurt. Hier die große Industriestadt, dort die große Universitäts-Stadt. Dennoch sind offenbar die beiden Städte nicht einmal für einen einzigen Zug auf einer längst vorhandenen Strecke(!) verkehrsbringend genug. Von den Verlängerungsmöglichkeiten nach Marburg, Zagreb und Belgrad im Süden sowie Prag und Berlin im Norden gar nicht zu reden, einer fast kerzengeraden kontinentalen Nord-Süd-Verbindung.

Aber Linz und Graz seien eben keine Wirtschaftszentren, erklärt uns der köstliche neue ÖBB-Chef; Graz und das kleine Beamtenzentrum Klagenfurt hingegen schon. Sollte man nicht endlich Intelligenztests für Vorstände einführen?

Graz und Klagenfurt bringen mit Sicherheit nicht einmal ein Viertel des direkten Verkehrs wie Linz und Graz zusammen. Alles, was westlich Klagenfurts liegt – Villach ff. – ist aber längst durch die alte Südbahn aufgeschlossen und östlich von Graz gibt’s nur noch Waldheimat. Daher ist das einzige Argument für den Bahnbau sehr knieweich, dass sich an der beschaulich-menschenleeren Graz-Klagenfurter Koralm-Route vielleicht einmal Industrie niederlassen wird.

Aber in Wahrheit geht es ja gar nicht um Argumente, sondern um ganz anderes: Um Subventionen der Tunnelbau-Industrie und um pure Parteipolitik. Denn in der Steiermark hat die SPÖ die Mehrheit (so wie bei den ersten Koralm-Entscheidungen ausschlaggebend war, dass in Kärnten Blau regiert), in Oberösterreich hingegen die ÖVP. Und die wird nun bestraft. Auf Kosten der Oberösterreicher.

Dass die Bundes-ÖVP diese ganz offensichtlich rein parteipolitisch gedeckte Verkehrspolitik mitträgt, bleibt eines der großen Rätsel dieser Wochen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass der schwarze Oberösterreicher Mitterlehner im Wirtschaftsministerium zwar ein brutal provinzlerische Personalpolitik betreibt (Egal wie unqualifiziert, Hauptsache: unbedingt Oberösterreicher und wenn geht schwarz); dass er aber wirtschaftspolitisch ein Leichtgewicht ist.

Selbst eine angebliche Autonomie jedes Ministers in einer Koalitionsregierung kann da kein Argument sein. Blockiert doch die SPÖ mit großem Erfolg die dringend notwendigen Studiengebühren und Aufnahmsprüfungen der Unis, obwohl diese zum „schwarzen“ Wissenschaftsministerium zählen.

Fast folgerichtig ist auch der Brennertunnel im schwarzen Tirol auf der langen Bank gelandet. Denn er wurde an de facto unerfüllbare Bedingungen Richtung EU geknüpft. Freilich ist das abgesehen vom stinkenden parteipolitischen Aspekt verkehrspolitisch durchaus sinnvoll.

Die Verkehrspläne sind aber auch sonst eine Ansammlung an Absurditäten: Laut dem ÖBB-Chef stehen 720 Kilometer Nebenbahnen „auf dem Prüfstand“. Er vergisst nur zu erwähnen, dass sie dort schon seit Jahrzehnten stehen und eine enorme Standprämie verschlingen, ohne dass jemals Entscheidungen gegen den Widerstand von Bürgermeistern und Landeshauptleuten gefallen wären. Es wäre längst höchste Zeit gewesen zu handeln, statt zu prüfen. So wie die privatisierte AUA nun Provinzwünsche zu ignorieren beginnt.

Statt einer Einstellung jener 720 Kilometer wird mit der Koralmbahn nun eine neue Nebenbahn gebaut, die noch dazu die teuerste aller Zeiten ist. Dennoch wird sie nach Fertigstellung – und nachdem die Bauindustrie sich erkenntlich gezeigt hat – sehr bald ebenfalls auf dem Prüfstand als zu schließende Nebenbahn stehen.

Aber dann wird niemand mehr von der Verantwortung einer Frau Bures, eines Herrn Kern, eines Herrn Voves oder eines Herrn Dörflers reden. Wir werden jedoch noch immer die Rechnung zahlen. Und in Linz und Wien wird der Verkehr kollabieren.

 

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