Donald Trump und die Physik des Sexismus

Ganz Europa versucht immer noch das Rätsel zu knacken: Wie ist es möglich, dass ein Brachial-Sexist wie Donald Trump ausgerechnet in den politisch hyperkorrekten USA die Präsidentschaft erringen konnte? Meine Antwort: Diese Verwunderung hängt vor allem mit einem Mangel an Physik-Kenntnissen zusammen. In der Physik gilt der einfache Grundsatz „Actio gleich Reactio“.

Wenn ich mich gegen eine Wand lehne, lehnt sich die Wand mit der gleichen Kraft gegen mich. Und wenn ich ein Pendel weit in eine Richtung auslenke, dann schwingt es entsprechend weit auf die andere Seite zurück. In den USA hatte einige Jahrzehnte lang eine aggressive und einseitige Art von Feminismus unter dem Titel „Gender“ die Oberhoheit in Medien und Politik. Männer wurden weitgehend als defizitäre und triebgesteuerte Wesen dargestellt und in ein absurdes Vorschriftenkorsett gezwängt.

In amerikanischen Firmen ist es normal, dass ein Mann nicht gemeinsam mit einer Frau den Fahrstuhl benutzen darf, weil er es in einem Fahrstuhl nicht vermeiden kann, die Dame anzusehen – und das erfüllt bereits den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Ein Blickkontakt, der länger als fünf Sekunden dauert, ist tunlichst zu vermeiden. Eine Frau darf dagegen selbstverständlich einen Mann auch 20 Sekunden ansehen – no problem.

Wenn ein Mann einer Frau ein Kompliment macht, das sich auf Äußerlichkeiten bezieht – sexuelle Belästigung. Wenn eine Frau den durchtrainierten Oberkörper eines Mannes erwähnt, ist das dagegen vollkommen in Ordnung.

Auch gefeierte Bücher, wie Hanna Rosins „Das Ende der Männer“, illustrieren eindrucksvoll diese Epoche, in der es politisch korrekt war (und ist), die Gender-Theorie als der Weisheit letzten Schluss anzusehen: die Wesens- und Verhaltensunterschiede von Männlein und Weiblein stammen danach angeblich ausschließlich von Erziehung und Umwelteinflüssen. Die Tatsache, dass sämtliche relevante und auf hard facts basierenden Wissenschaftsdisziplinen wie die Genetik, die Evolutionsbiologie, die Neurologie und die Gehirnforschung unisono und mit großer Beweiskraft das Gegenteil belegen, interessiert dabei weder den politischen noch den Gender Mainstream – politische Korrektheit geht nun mal vor.

Dieser jahrzehntelange einseitige und unterschwellig aggressive Umgang mit Männern hat natürlich umgekehrt – Actio gleich Reactio – bei den Männern zu Aggressionen und Frustrationen geführt. Aggressionen haben eine ähnliche Qualität wie Energie, auch hier wirken physikalische Gesetze: Energie geht nicht verloren, sie kann höchstens in andere Formen umgewandelt werden. Die über Jahrzehnte angestaute männliche Aggression konnte nirgendwo abgelassen werden, bis ein Mr. Donald Trump eine Möglichkeit dazu gab: in der Wahlkabine und auf der Straße. Noch dazu gegen eine Hillary Clinton, die man ja bekanntlich als Zeichen gegen die Benachteiligung von Frauen hätte wählen sollen, die aber selber ausgerechnet durch ihre Rolle als Frau von Mr. Bill Clinton in die Zentrale der Macht kam, also selber nur über eine begrenzte Eignung als Paradebeispiel für weibliche Benachteiligung verfügt.

Wenn das Pendel weit in eine Richtung getrieben wurde, dann geht es danach natürlich auch weit in die andere Richtung. Dieses Gesetz lässt sich überall in der Geschichte verfolgen: In Russland und China herrschte besonders aggressiver Kommunismus, und was haben wir dort jetzt? – eine Brachialvariante des Kapitalismus. In Deutschland und Österreich hatten wir den Nationalsozialismus – die Männer hart wie Kruppstahl, die Frauen als Deutsche Soldatenmütter verklärt –, nun haben wir eine linksorientierte politische Korrektheit, deren Vertreter sich über alle nur denkbaren Mikroaggressionen erregen, das Wort „Mutter“ am liebsten abschaffen würden und für die genderkorrekte Beschriftung von Toiletten kämpfen.

Aus genau dieser Pendel-Bewegung heraus ist es auch kein Zufall, dass auch andere Gender-begeisterte Länder rechtsnationalistische bis bräunliche Kapitel in der jüngeren Vergangenheit hatten: die USA mit dem Ku-Klux-Clan und der Ära der Kommunistenhatz, und auch in skandinavischen Ländern – die heute als Gender-Musterländer gelten – gab es während der NS-Zeit starke rechtsnationale Tendenzen. In osteuropäischen Ländern dagegen, wo man gerade der kommunistischen Gleichmacherei entronnen ist, hat man für die Geschlechtergleichheit, die ja vom Wesen und auch vom Grundgedanken her nicht unähnlich ist, nichts übrig. Es ist überall das gleiche Pendel, das zwangsläufig vom einen Extrem zum anderen übergeht.

Ideologisch beseelte Menschen wiederum, egal welcher Couleur oder welchem -ismus sie gerade anhängen, haben alle etwas gemeinsam: Sie leiden an einer seltsamen Art von Physik-Legasthenie. Sie hängen ihrem großen Traum an, dem Traum vom Ende der Geschichte: Kameraden (oder Genossen, Schwestern, Brüder), wir müssen nur die Gegner besiegen und unser System durchsetzen, dann ist das Ende der Geschichte da und es wird alles gut.

In Wirklichkeit wird nichts gut, und der große Traum zerplatzt immer früher oder später an äußeren Feinden (die manchmal doch stärker sind als angenommen), oder sonst an den eigenen inneren Widersprüchen. Die Realität hat nun mal oft diese unangenehme Angewohnheit, komplexer zu sein, als ideologisch fundamentalistische Theoretiker das gerne hätten. Es ist das große Schauspiel der letzten rund hundert Jahre in immer neuer Auflage, momentan am Beispiel des Genderismus zu sehen. Auf Jahrzehnte des weiblichen, männerfeindlichen Chauvinismus und der gleichzeitigen Behauptung, dass Männer und Frauen eigentlich gleich seien, folgt – oh Wunder – nicht das Paradies für Frauen, sondern ein männlicher Brachialchauvinist, den nicht nur Männer, sondern auch rund die Hälfte der weißen Frauen gewählt haben.

Dazu passt, dass sich auch unabhängig von der Präsidentschaftswahl bereits die Abwendung des gesellschaftlichen Mainstreams von der offiziell verkündeten Gender-Lehre ganz still und unspektakulär angekündigt hat. Die Familien sind schon seit einiger Zeit wieder recht traditionell unterwegs. Mädchen wollen nicht mit den Buben spielen. Frauen streben in die Halbtagsarbeit, weil sie ihre Kinder selber betreuen wollen. Und die Männer machen entsprechend Überstunden und peilen den nächsten Karriereschritt an, gerade um ihren Frauen den Schritt in die Halbtagsarbeit ermöglichen zu können.

Die viel angeprangerten Gehaltsunterschiede und die sogenannten gläsernen Decken – sie sind längst nicht mehr die Folge von frauenfeindlichen Männerseilschaften, sondern die Folge von freiwilligen Entscheidungen und Prioritätensetzungen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sich Frauen nach wie vor weniger für Zerspanungstechnik und Maschinenbau interessieren, sondern lieber Einzelhandelsfachkraft werden oder Romanistik studieren. Und dass man damit nicht reich wird, das nehmen sie bewusst und freiwillig in Kauf.

Die große Seifenblase Gleichheit – sie zerplatzt und mit ihr das Gespenst vom Gender-Pay-Gap, der von über 20 auf 6 Prozent schrumpft, wenn man den Effekt der Halbtagsarbeit und der unterschiedlichen Branchen einrechnet (Deutsches Statistikamt, 2015), also mit anderen Worten: wenn man den Gleichheitsselbstbetrug nicht mehr als Grundlage für die Statistik heranzieht.

Geistesgeschichtlich sind Ideologien Kinder der Aufklärung. Man erfindet eine logisch rationale Lösung für gesellschaftliche Probleme, schön eindimensional und linear gedacht, setzt sie durch (mit welchen Mitteln auch immer) und alles wird super. Dass eine funktionierende Gesellschaft eher ein mehrdimensionales Gebilde ist, ein Balanceakt von Interessen und verschiedenen Sichtweisen, von These und Antithese, dass also beispielsweise der Sozialist und der Konservative auf Ihre Weise einen Teil der Wahrheit besitzen, passt in so eine aufgeklärte Logik nicht hinein.

Diese Logik sagt „entweder – oder“, nicht „sowohl als auch“. Vor der Aufklärung hat man sich die Geschichte eher als zyklischen Ablauf vorgestellt, der sich wiederholt. Auch die asiatische Urprinzipientheorie, die in der japanischen Flagge symbolhaft abgebildet wird, geht von einer Schwingung, einer zyklischen Pendelbewegung, aus und empfiehlt mehr „und“ und weniger „entweder-oder“. Vielleicht haben diese alten Lehren doch nicht so ganz unrecht? Vielleicht sind sie ja gerade deswegen so alt geworden?

Wie soll man ihrer Herr werden, der Trumps, Le Pens und Petrys? Die Linke weiß natürlich die Antwort: Indem man besonders kämpferisch noch eins drauflegt und das politische Korrektheitskorsett noch etwas enger schnürt; indem man die Familien mit paternalistischen Gesetzen gegen Ihren Willen in die Gleichheit zwingt, und jeden, dem das nicht passt, als rückständig und „rechts“ verunglimpft. Naturwissenschaftler, Gehirnforscher und Neurologen: alles rückständige, frauenfeindliche Rechtsradikale? Heute, wo gerade in der Biologie und in der Neurologie immer mehr Frauen arbeiten, die genau die gleichen Ergebnisse vorlegen wie ihre männlichen Kollegen? Und Biologen, waren das auf der Uni nicht eher die alternativen Jesuslatschenträger mit dem selbstgestrickten Pullover? Wer soll das Märchen von den frauenfeindlichen und rechtsradikalen Biologen heute ernsthaft noch glauben?

In der Geschichte gibt es auch Beispiele von intelligenteren Vorgangsweisen. Die Sozialdemokratie ist beispielsweise erfunden worden von Menschen, die im Prinzip die kommunistischen Ideale teilten, sich aber trotz aller ideologischen Beseeltheit so viel Realitätssinn bewahrt haben, dass sie sich von deren Übertreibungen und Einseitigkeiten befreit haben. So etwas, nennen wir es einmal die Sozialdemokratisierung des Genderismus, ist momentan nicht in Sicht.

Dabei wäre es ja nicht so schwierig, die sinnvolle Forderung der Gleichberechtigung beizubehalten, sich aber vom Unsinn der Geschlechtergleichheit zu trennen. Man hat ja auch in Migrationsfragen, getrieben vom Druck der Ereignisse, erstaunlich rasch und gründlich Positionen eingenommen, die man noch kurze Zeit davor als empörend, unmoralisch und „rechts“ weit von sich gewiesen hat.

Dass in Österreich und in Deutschland die sozialdemokratischen und erstaunlicherweise auch die konservativen Kräfte immer noch glauben, dass sie die Gender-Theorie gegen die eigene Bevölkerung und gegen wissenschaftliche Hard facts durchsetzen können, zeugt von einer wirklich beachtlichen Realitätsferne der Akteure. Das einzige, was sie damit langfristig sicher erreichen, ist eine weitere Stärkung der rechtsnationalen Kräfte, die dieses Politikfeld mit großer Freude bearbeiten.

Die Hoffnung der Altparteien, dass sie das physikalische Grundgesetz „Actio gleich Reactio“ außer Kraft setzen können, ist dabei fast genauso kühn wie die Hoffnung der Gender-Forscherinnen, die mit moralisierend vorgetragenen Behauptungen und der Gabe der unverständlichen Formulierung die Naturwissenschaften und die Neurologie auf deren ureigensten Territorien aushebeln wollen. Sind diese Hoffnungen realistisch? Nicht einmal die katholische Kirche hat sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht langfristig gegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse durchsetzen können. Darum können wir jetzt auch in die USA fliegen, ohne von der Erdscheibe zu fallen, darum ist die Mathematik keine Teufelskunst mehr und medizinische Forschung keine Leichenschändung.

Wie lange sich die Symbiose aus Gender-Politik und Gender-Forschung noch gegen die Realität und die zahlenden (und wählenden) Bürger behaupten kann? – Wir werden es sehen. In den USA dürfte es schon bald für beide ziemlich ungemütlich werden, sofern Donald Trump sich in seinem neuen Amt behaupten kann. Klar, er wurde von den meisten Wählern wohl nicht wegen seiner notorisch sexistischen Äußerungen gewählt, sondern aufgrund anderer Themen. Dass er aber für so viele Amerikaner überhaupt wählbar war – das ist dennoch ein deutliches Signal.

Der Naturwissenschaftler Dr. Klaus F. Rittstieg behandelt in seinem neuen Buch den Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichheit und warum uns die Verschiedenheit bessere Perspektiven bietet, wenn wir konstruktiv mit ihr umgehen. „Die stille Gegenrevolution - Haben wir mit dem Gender-Mainstreaming über das Ziel hinausgeschossen?“, Braumüller Verlag, 22 €. (Buch bei Amazon)

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