Gauck und die problematische Nominierung Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten

Am 9. November 2014 jährt sich zum 25. Mal der Fall der Berliner Mauer. Pünktlich zu diesem feierlichen Anlass bahnt sich etwas an, was die Menschen, die 1989 an der friedlichen Revolution in der DDR teilgenommen haben, wohl nicht für möglich gehalten hätten: Im vereinten Deutschland, in Thüringen, wird (mit aller Wahrscheinlichkeit) ein Politiker der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ Ministerpräsident. Die von den Wählern abgestrafte SPD spielt dabei die Rolle eines Steigbügelhalters.

Auch wenn der Kandidat für das Ministerpräsidentenamt, Bodo Ramelow, ein bekennender Christ ist und aus dem westlichen Teil Deutschlands stammt, so ändert das nichts am Charakter der Linkspartei. Dort gibt es, wie übrigens in jeder Partei, unterschiedliche Strömungen. Die Autonomen und die „alten Genossen“ stellen bei den Linken eine starke Fraktion, an der die Parteiführung nicht vorbeikommt.

So ist es auch kein Wunder, dass ein regelrechter Eiertanz aufgeführt wird, wenn es darum geht, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist oder nicht. Regelmäßig, bevor in irgendeinem ostdeutschen Bundesland die Koalitionsfrage auf Landesebene geführt wird, kocht die Diskussion hoch, werden Ausschüsse gebildet. Kurz nachdem sich die Reformer zu einem „Ja, aber…“ durchgerungen haben, kommt ein geharnischtes „Nein!“ von den Hardlinern.

Im Hinblick auf die sich anbahnende Inthronisierung Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten sagte der deutsche Bundespräsident Gauck in der durch die friedliche Revolution berühmt gewordenen Berliner Gethsemanekirche: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von der Vorstellung, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können? … Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“

Erwartungsgemäß kam große Empörung von den Mitgliedern der Linken und der Grünen. Vielen DDR-Bürgerrechtlern, zu denen ich mich auch zähle, spricht Bundespräsident Gauck aus dem Herzen. Es ist schlichtweg eine Verhöhnung aller Menschen, die sich unter Gefahr für Einheit, Recht und Freiheit eingesetzt haben.

Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi beschwichtigte sofort. Dies sei eine Ausnahme und nicht auf andere Situationen übertragbar. Wirklich?

Als voriges Jahr bei den Bundestagswahlen SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück gegen Angela Merkel verlor, ließ der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel verlauten, seine Partei werde bei den nächsten Wahlen die Linken als Koalitionspartner nicht mehr von vornherein ausschließen. Der Original-Berliner würde da sagen: „Nachtigall, ick hör dir trappsen!“

Der Autor ist Deutscher, EDV-Spezialist und auf Grund der Zugehörigkeit seines Vaters zur bedrohten sorbischen Volksgruppe und als ehemaliger Mitkämpfer der DDR-Bürgerrechtsbewegung in Sachen Minderheitenschutz besonders engagiert.

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