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SPÖ: Drei Lager und neun Blamagen

Ein solches Ergebnis können nur ihre ärgsten Feinde der SPÖ gewünscht haben. Denn dass die drei Kandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden mit 33,7 beziehungsweise 31,5 beziehungsweise 31,4 Prozent fast völlig gleich starke Unterstützung erzielt haben, ist die absolute Garantie dafür, dass das innerparteiliche Hauen und Stechen langfristig weitergehen wird. Da werden wir noch viel zu lachen haben. Denn damit ist das Rennen noch keineswegs gelaufen. Denn damit ist endgültig klar, dass sich hinter den drei Buchstaben SPÖ drei ganz verschiedene Parteien verstecken (so wie einst die ÖVP in drei verschiedene Bünde zerfallen ist). Und jedenfalls wird sich der neue Vorsitzende, wer auch immer es dann am Parteitag werden wird, sagen lassen müssen: Zwei Drittel der zur Abstimmung gegangenen Genossen sind gegen ihn (nachträgliche Mitteilung: durch einen Server-Ausfall war das Tagebuch leider mehrere Stunden gestört. Ich bedaure!).

Da muss die ORF-Redaktion noch viel Schützenhilfe leisten, um aus dem künftigen Parteivorsitzenden einen unumstrittenen Parteichef zu machen, dessen Aussagen ernst zu nehmen sind, auch wenn sie ständig auf die übliche SPÖ-Phrase "Wir verlangen noch mehr Schulden und Steuern" hinauslaufen werden.

Die Dreiteilung der SPÖ-Stimmen zeigt geradezu idealtypisch die Dreiteilung jener Bevölkerungsschichten, die sich zwar noch irgendwie zu den Sozialdemokraten bekennen, die aber in Wahrheit so gut wie nichts mehr miteinander zu tun haben wollen.

Diese Dreiteilung kommt nun zu den weiteren Blamagen der Partei rund um die Abstimmung hin zu:

  • Die erste war die unglaublich lange, an die Zeit der Postkutschen erinnernde und allen möglichen Spekulationen Platz gebende Frist zwischen Abschluss der Stimmabgabe und Bekanntgabe des Ergebnisses.
  • Die zweite Blamage war der Umstand, dass selbst der Stimmzettel in holprigem Deutsch verfasst worden ist.
  • Die dritte ist die Tatsache, dass eine Partei zwar unter großen Mühen (und Kosten) eine Befragung aller Mitglieder vornimmt – dass aber dann nicht etwa das Votum der Mitglieder entscheidend ist, sondern ein Parteitag, auf dem die Funktionäre wieder unter sich sind, sich also erhaben über die "einfachen Parteimitglieder" dünken können. Das hätte sogar dann gegolten, wenn es ein eindeutigeres Ergebnis der Abstimmung gegeben hätte.
  • Die vierte bezieht sich auf die aus Anlass der Vorsitzendenwahl nun offengelegten Mitgliederzahlen: Nur noch weniger als 148.000 Österreicher haben noch ein rotes Parteibuch. Zu Kreiskys Zeiten – als es noch dazu deutlich weniger Staatsbürger gegeben hat! – wurden hingegen 720.000 SPÖ-Mitglieder gemeldet. Ernüchternde Tatsache: Die SPÖ ist bei einem Fünftel der einstigen Mitgliederzahl angekommen.
  • Die fünfte Blamage war der peinliche Streit in der SPÖ-Wahlkommission über diverse Prozedurfragen, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen und vom rätselhaften Rücktritt des Kommissionsvorsitzenden begleitet worden ist.
  • Die sechste ist die nun zugegebene Wahlbeteiligung von mickrigen 72 Prozent. Dieser Wert bezieht sich im Unterschied zu einer allgemeinen Wahl wohlgemerkt auf die Mitglieder einer politischen Partei, also auf Menschen, die sich sogar durch Zahlung eines Mitgliedbeitrages für ihre Partei engagieren, die also eigentlich politisch massiv am Schicksal dieser Partei interessiert sein sollten – noch dazu, wo sie erstmals in der Geschichte wirklich in einer Schicksalsfrage entscheidungsbefugt sind. 28 Prozent der SPÖ-Mitglieder sind also offenbar nur deshalb der Partei beigetreten, weil sie dadurch einen Job oder eine Wohnung bekommen oder erhofft haben. Ansonsten sind sie an der SPÖ völlig desinteressiert.
  • Dazu kommt als siebente Blamage, dass selbst von jenen, die abgestimmt haben, immerhin 3,5 Prozent keinen der Drei wollen. 
  • Achte Blamage: Rechnet man die Stimmen für Doskozil in Nationalratsmandate um, dann würde die SPÖ nicht einmal zwei Abgeordnete entsenden können.
  • Und die neunte Blamage ist nun eben der politische Offenbarungseid des Wahlergebnisses, dass die Partei entlang klar erkennbarer ideologischer und soziologischer Grenzen in drei Teile geteilt ist.

Die Rendi-Wagner-Partei: Das um ein paar Spurelemente kleinste Lager ist das der Parteitradition, also jenes Lager, in dem fast alle bisherigen Parteiobmänner, die lange für unbezwingbar gehaltene SPÖ-Hochburg Wien, die Frauen, die Pensionisten sowie alle kadavertreuen Parteiloyalisten zu finden sind. Es ist eine besonders bittere Erkenntnis für die Partei, dass das alles nicht mehr zählt, dass selbst das seit vielen Jahren lautstark betriebene Frauengetue der Sozialisten (wie Gendersprache, Quoten und viele andere Frauenbevorzugungen) sogar für die eigenen Mitglieder nur noch nervend ist. Lediglich die eigene Parteiführung hatte sich bis zuletzt der Erkenntnis verwehrt, dass Pamela Rendi-Wagner zwar eine tüchtige Medizinerin und Beamtin gewesen sein mag, dass sie aber den Job einer Parteichefin einfach nicht kann.

Die Babler-Partei: Ein ganz anderes Lager ist das des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler. Er verkörpert den linken Parteiflügel der Bobos, der ideologischen Utopisten, die es einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass Sozialismus noch nie funktioniert hat. Dieses Lager ist sehr ähnlich den Grünen, der Bierpartei und einem Teil der Studentenszene. Es ist von allen drei SPÖ-internen Gruppierungen am weitesten von einem Wahlsieg in der allgemeinen Bevölkerung entfernt. Aber es hat gute Chancen, innerhalb der Partei am bevorstehenden Parteitag Babler an die Spitze hieven zu können. Nicht nur wegen der ideologischen Position vieler Funktionäre, sondern weil viele von ihnen Doskozil abstrafen wollen für all den Unfrieden, den er in die Partei gebracht hat. Ist für viele von ihnen Parteiloyalität doch überhaupt das höchste Gut auf Erden. Außerdem zeigt Babler wenigstens eine Ahnung von dem, was eindeutig demokratisch wäre: Er fordert eine Stichwahl unter den beiden bestplatzierten Kandidaten. Was die Parteigremien aber nicht wollen.

Das Doskozil-Lager: Hans Peter Doskozil wiederum kann weder mit Feministen noch Bobos noch Parteihonoratioren etwas anfangen. Er ist der Mann der Arbeiter – die in lange vergessenen Zeiten das Rückgrat der SPÖ gewesen waren – und der Uniformträger. Er hat im Burgenland sehr wild ohne Rücksichten alles umgekrempelt. Dennoch gilt er als Mann von Law and Order, auch in der Migrationspolitik – ohne dass aber jemals klar wäre, wofür Doskozil da genau ist. Andererseits sind Law-and-Order-Politik und kritische Worte zur Migration etwas, was sehr vielen Sozialdemokraten zutiefst zuwider ist.

Sollte Doskozil dennoch auch am Parteitag voranbleiben, dann gibt es eine Partei, die das besonders fürchten muss: Das sind die Freiheitlichen, die ein sehr ähnliches Publikum ansprechen und wichtige Teile der SPÖ abgeworben haben. Das dürfte ein ziemlich aggressives Duell um die Stimmen der vielen migrationskritischen Arbeiter ergeben.

Auf der anderen Seite dürften vor allem die Neos von einer endgültigen Wahl Doskozils profitieren. Denn Feministen wie Bobos fangen mit dem Burgenländer herzlich wenig an. Es werden aber auch zwei andere Gruppierungen aus dem linksradikalen Eck von der Krise der SPÖ und einer Wahl Doskozils profitieren. Das ist die Bierpartei, deren Exponent bei der Bundespräsidentenwahl über 8 Prozent bekommen hat. Und das sind die Kommunisten, die zuletzt in den Städten Graz und Salzburg mit jeweils deutlich mehr als 20 Prozent Sensationserfolge erzielt haben.

Unter anderen Umständen würden ja die Grünen die Hauptprofiteure eines Doskozil-Erfolges sein. Aber diese sind als Koalitionspartner des Klassenfeindes ÖVP derzeit für die linke Szene eher abgeschrieben.

PS: Apropos ORF: Schon in der ersten ZiB nach Bekanntwerden der Doskozil-Wahl hat der Gebührensender das Ergebnis von Doskozil schönzurechnen begonnen und behauptet, auf das Vertrauen der Partei fehlen Doskozil "noch 63 Prozent". In Wahrheit fehlen ihm natürlich noch 66,3 Prozent. Den Manipulationswillen hinter dieser gar nicht so kleinen Schönfärberei kann man freilich nicht beweisen. Es kann ja durchaus auch sein, dass sie sogar zum Zusammenaddieren von drei Zahlen zu unfähig sind.

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