Der vergessene Mann im 21. Jahrhundert

Die Silvester-Ausschreitungen lassen Politik und Medien ziemlich ratlos zurück. Die Krawalle stammen vom unteren Rand der Gesellschaft, der überwiegend männlich ist und meist ignoriert wird. Die Opferrolle in der Gesellschaft ist nämlich vorrangig für Frauen reserviert, auch wenn sich in letzter Zeit vermehrt Stimmen aus dem LGBTQ-Lager melden und erfolgreich eine "Opferdividende" auch für sich beanspruchen. 

Mittlerweile institutionalisierte berufsfeministische Stellen bilden eine starke Lobby, unter deren Einfluss Fördermaßnahmen weitgehend auf Mädchen und Frauen beschränkt bleiben. Heterosexuelle Männer seien allesamt qua ihres Geschlechtes privilegiert, behaupten profeministische sogenannte Männerberatungsorganisationen. Das Anerkennen von (angeblichen) Privilegien aller Männer wird zur Voraussetzung erklärt, um über Benachteiligungen sprechen zu dürfen und mit diesem Trick sowie der Unterstellung, dass Männer diesbezüglich uneinsichtig wären, die Verantwortung für das vorhandene, kurzsichtige Desinteresse zuständiger öffentlicher Stellen an Männerproblemen zu legitimieren versucht.

Im Bildungsbereich haben die Mädchen die Buben mittlerweile eingeholt und zum Teil überholt, wobei die Buben bei den schwachen Schulleistungen (aber auch bei den starken) überwiegen, ohne dass dies zu Förderprogrammen speziell für lernschwache Buben geführt hätte. 

Als der Grazer Verein Freimann, ähnlich wie der deutsche Verein MANNdat, in seinem Forderungsprogramm 2010 beispielsweise mehr Respekt für Männer und knabengerechten Unterricht gefordert hatte, verhallte dies ebenso ungehört wie die Kritik an der Vernachlässigung von Männern, z.B. im Offenen Brief "Kritik an feministischer Außenpolitik". Männer mit Migrationshintergrund stammen aus Kulturen, in denen Männern noch Respekt gezollt wird – wenn auch oft in Verbindung mit starken, nicht zu rechtfertigenden Einschränkungen für Frauen – und finden sich in einer Gesellschaft wieder, deren Zukunft den Frauen gehören soll, in der Mannsein häufig als Problemfall gilt oder als Witzfigur dient. Dort lässt sich somit schwer eine positive männliche Identität bilden, zumal althergebrachte männliche Tugenden regelmäßig als unzeitgemäß und überholt heruntergemacht werden.

Soweit Männer (trotzdem) den Aufstieg schaffen, können sie damit leichter umgehen und Benachteiligungen verdrängen. Die Abgehängten hingegen finden sich psychologisch gesehen in einem Niemandsland wieder, in dem sie – selbst wenn ihre materielle Basis noch gesichert ist – schwer Halt finden, weil es ihnen an Anerkennung, Zuspruch und Unterstützung mangelt. Dieses Problem geht aber weit über migrantische Kreise hinaus. 

 

Viktor Pölzl ist Obmann des geschlechterpolitischen Vereins Freimann in Graz.

 

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