Zeiten schlechten Geldes sind Zeiten guter Theorie

Das oben stehende Zitat von Friedrich August Hayek mag einst seine Berechtigung gehabt haben. Heute kann davon indes keine Rede mehr sein. Würden in den amtlichen Teuerungsstatistiken nämlich auch die Preisentwicklungen bei Immobilien und Aktien berücksichtigt, wäre jedermann sofort klar, wie schlecht unser Geld in Wahrheit ist. Die angeblich unter zwei Prozent liegende Teuerungsrate würde schlagartig in Richtung zehn Prozent hochschnellen.

Der US-Dollar hat seit Gründung des Federal-Reserve-Systems im Jahr 1913 rund 97 Prozent seiner Kaufkraft verloren. Beim Euro ist es seit seiner Einführung anno 2002 deutlich mehr als die Hälfte. Wer in Euroland regelmäßig Lebensmittel einkauft, weiß über den Wert des monopolisierten Esperantogeldes Euro bestens Bescheid.

Dass das Geld ganz offensichtlich schlecht ist, beruht auf mangelnder Konkurrenz: nachzuschlagen beim Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften 1974 Hayek. Denn Wettbewerb nützt jedermann, er ist der Treibstoff jeder Wirtschaft. Ein Monopol hingegen ist nur gut für den, der es hat, und schlecht für alle anderen. Monopole liefern stets schlechte Leistungen zu überhöhten Preisen. Es gibt keinen Grund, an diesem Zusammenhang zu zweifeln, wenn es um die Herausgabe von Geld geht. Ob die gegenwärtige Politik des "leichten Geldes" am Ende zu einer Hyperinflation oder zu einem deflationären Schock führen wird, ist ungewiss. Fraglich ist nicht ob, sondern wann es krachen wird.

Wir leben also in Zeiten schlechten Geldes. Demnach sollte die Geld- und Wirtschaftstheorie gegenwärtig einen Höhenflug erleben. Leider ist das Gegenteil der Fall. Hayek hat sich in diesem Punkt geirrt. Die an dieser Stelle bereits gewürdigte MMT ("Modern Monetary Theory") ist das beste Beispiel dafür: Wer ernsthaft meint, die Geldmenge würde den Wohlstand bestimmen – je mehr, desto höher – sollte sich fragen, weshalb in Zimbabwe und Venezuela nicht die reichsten Menschen der Welt leben.

Natürlich hängt der Wohlstand nicht von der begebenen Geldmenge, sondern – unter sonst gleichen Bedingungen – ausschließlich von der Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitalstocks ab, der für die Produktivität einer Volkswirtschaft – und damit für die Höhe der Löhne – von alles entscheidender Bedeutung ist.

Die neue Chefin der EZB, Christine Lagarde, hat ihre profunden Einsichten in die Ökonomie kürzlich offenbart, als sie sinngemäß meinte, Arbeitsplätze wären wichtiger als Ersparnisse. Wahr ist aber, dass nicht verkonsumiertes Geld – Ersparnisse – nun einmal die unabdingbare Voraussetzung für Investitionen bildet. Schließlich kann man sein Geld nicht gleichzeitig behalten und ausgeben. Die stark verkürzte Kausalitätskette lautet: keine Ersparnisse – keine Investitionen – keine Arbeitsplätze. Wenn eine so mächtige Organisation wie die EZB von einer Person geführt wird, deren Urteil offensichtlich durch keinerlei grundlegenden Kenntnisse der Funktionsweise einer Marktwirtschaft getrübt wird, sollten sich die Insassen der EUdSSR besser vorsorglich warm anziehen.

Wer Prosperität wünscht, muss alles tun, um den Unternehmen freie Bahn zu schaffen – damit sie Kapital akkumulieren und investieren können. Besser: Er sollte alles unterlassen, was der Steigerung der Produktivität im Wege steht. Beispielsweise sollten Zentralbanken und Regierungen auf jede Strukturkonservierung verzichten, die mit aggressiver Geldpolitik vonstattengeht, und die den für eine Marktwirtschaft maßgeblichen Prozess der "schöpferischen Zerstörung" unterbindet. Wer marode Unternehmen künstlich am Leben erhält, tut der Volkswirtschaft nicht Gutes. Denn er verringert die realisierbare Gesamtproduktion, indem er Unternehmenszombies erschafft und den innovativen Betrieben Mittel entzieht, die diese investieren und in Wachstum umsetzen könnten.

Dass die umgesetzte Wirtschaftstheorie auch in den USA, Japan und China nicht intelligenter ist als in Euroland, ist in einer wirtschaftlich eng verflochtenen Welt kein Trost – ganz im Gegenteil. Das globale Wachstum der letzten Jahre war Großteils durch einen Boom im Reich der Mitte bedingt. Einen Boom, der von Schulden und Krediten getrieben war und ist, und der in naher Zukunft sein Ende finden könnte. Was aber dann?

Da sich in Euroland die konventionellen Mittel der Geldpolitik erschöpft haben (weniger als gar keine Zinsen geht schließlich nicht so ohne weiteres), werden uns wohl wesentlich originellere Formen der Konjunkturbelebung ins Haus stehen. Vielleicht werden – zur Freude schlichter Gemüter – schon demnächst namhafte Gutschriften der Zentralbank auf den Girokonten der Bürger erfolgen. In Zeiten schlechten Geldes und mieser Theorien ist schließlich alles möglich. Und einer begnadeten Expertin wie Christine Lagarde, die fest daran glaubt, durchs Gelddrucken die Menschen reich machen zu können, ist alles zuzutrauen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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