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Das Ende des Rechtsstaats: Wenn Staatsanwälte Richter ersetzen

Zwei erschütternde Beispiele zeigen neue Aspekte, wie österreichische Staatsanwälte durch aggressives Vorgehen gegen ihnen unangenehme Personen diesen schaden können, diese de facto schwerst bestrafen können, ohne dass auch nur ein einziges Mal ein unabhängiger Richter ein Urteil gefällt hätte. Längst ist der Rechtsstaat dadurch in höchster Not – aber der Justizminister will oder wagt nicht einzuschreiten. Und auch die mutmaßliche nächste Koalition wird dagegen kaum etwas tun. Sind doch viele der agierenden Staatsanwälte geistige Parteigänger der Grünen, und hat doch der ÖVP-Parteichef wegen seines Lebenslaufes – er ging in die Politik, bevor er sein Jusstudium fertig hatte – eine erkennbare Hemmung, sich zu Justizthemen zu äußern.

Ein sehr hoher ehemaliger Staatsmann dieser Republik – er hatte höhere Funktionen, als sie jemals ein Freiheitlicher errungen hat, – sagte mir dieser Tage im Privatgespräch unverblümt: "Heute ist der Zustand der Strafjustiz das größte Problem Österreichs."

Die zwei aktuellen Fälle heißen Sellner und Grasser. Diesen Fällen ist auch noch der doppelte Skandal hinzuzufügen, dass erstens in politischen Fällen ununterbrochen eigentlich vertrauliche Informationen aus Strafverfahren an linke Medien fließen; und dass zweitens die Staatsanwaltschaft nie den zweifellos größten Korruptionsfall der Nachkriegsgeschichte vor einen unabhängigen Richter gebracht hat, also die ununterbrochene Bestechung von Medien durch aus Steuergeldern bezahlte, aber nie korrekt nach dem Vergabegesetz abgewickelte Inserate in der Größenordnung hunderter Millionen Euro.

Dieser doppelte Skandal ist wiederum Hauptursache dafür, dass die meisten Medien zum Gesamtzustand der Strafjustiz schweigen. Zusammen mit der ideologischen Einseitigkeit vieler Journalisten ist er auch Ursache dafür, dass über die jüngsten Entwicklungen in den Fällen Grasser und Sellner in vielen Medien nur sehr knapp, wenn überhaupt berichtet wird.

Die vielerorts verschwiegenen neuesten Fakten zum Fall Martin Sellner: Der Chef der österreichischen "Identitären" hat nun von Gerichten vollkommen Recht bekommen, wodurch er zur Gänze rehabilitiert ist: Die zweimaligen(!) Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft bei ihm sowie bei Freunden und Familienangehörigen sind durchwegs rechtswidrig gewesen. Ebenso die von den Staatsanwälten erzwungene Einsichtnahme in Sellners Konto. Zugleich sind Sellner und 16 weitere Anhänger seiner Bewegung in einem weiteren Verfahren nun auch in der zweiten Instanz vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verhetzung freigesprochen worden.

In diesem Verfahren ist es um einige aktionistische Unternehmungen der Identitären gegangen, wie die Störungen einer Vorlesung oder Theateraufführung. Bei den Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft war hingegen überhaupt das einzige "Delikt", weshalb die Strafverfolger aktiv geworden sind, der Umstand, dass der Attentäter von Christchurch (er ermordete in zwei Moscheen 50 Menschen) mehrere Monate vor seiner Tat eine Geldspende an Sellner überwiesen hatte. Was ja eindeutig nur strafbar gewesen wäre, wenn Sellner hellseherische Fähigkeiten gehabt hätte.

Nun hat das Oberlandesgericht Graz zu Recht erkannt: Weder Hausdurchsuchungen noch Kontoeinsicht hätte es geben dürfen, weil jeder Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gefehlt hat. Klarer kann man es kaum formulieren. Damit ist schon wieder eine Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft im Nachhinein als rechtswidrig entlarvt worden, wie etwa die beim Verfassungsschutz.

Die Infamie daran ist, dass die Staatsanwälte ihre rechtswidrigen Aktionen mit einem Schulterzucken abtun können. Jeder andere Österreicher hat mit sehr unangenehmen Konsequenzen zu rechnen, wenn er sich rechtswidrig verhält. Die Staatsanwaltschaft braucht das nicht, weil der Justizminister schläft oder ihr ideologisch die Stange hält.

Zusätzliche Infamie ist, dass die Betroffenen keinen Schadenersatz für die erlittenen Nachteile und Diffamierungen bekommen.

Dritte Infamie: Wieder einmal sind unzählige Details über ein Verfahren in die Öffentlichkeit gelangt, die zweifellos aus Hausdurchsuchungen beziehungsweise Kontoöffnung bei Sellner stammen. Aber natürlich: Es können ja, wie in solchen Fällen immer beteuert wird (sogar vom Justizminister!), auch die Anwälte des zu Unrecht Beschuldigten gewesen sein, die das alles zum Nachteil ihres Klienten ausgeplaudert haben. Aber merkwürdigerweise hat sich nie einer dieser Klienten über seinen eigenen Anwalt beschwert. Dabei hätte ein Klient, der sich diesbezüglich über seinen Anwalt ärgert, sogar dessen Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte  bewirken können, wäre der Anwalt wirklich der Informant der Medien zum Nachteil seines Mandanten gewesen …

Das Alles wird begleitet von einer medialen Infamie: Viele Medien haben einst breitest über Hausdurchsuchungen und alle ihnen "zugeflogenen" Informationen über Sellner berichtet, aber jetzt gar nicht oder nur knappest über die volle Rehabilitierung Sellners. Orf.at hat diese Meldung mit einem Tag Verspätung sogar auf den steirischen Lokalseiten versteckt, im ORF-Radio oder Fernsehen habe ich überhaupt nichts dazu gehört. Ordentlich berichtet haben meiner Beobachtung nach nur "Kurier" und "Servus.TV".

Wobei es natürlich keinen Grund gibt, Sellner jetzt zur Ehre der Altäre zu erheben. Ich finde außerparlamentarischen Aktionismus absolut immer unsympathisch und würde es durchaus gut finden, wenn Aktionen wie Störung einer Veranstaltung oder das Abrollen von Transparenten auf fremden Gebäuden strafrechtlich verfolgbar werden. Nur ist es völlig unerträglich, wenn einerseits der Aktionismus einer rechten Organisation von der Staatsanwaltschaft mit großer Aggressivität verfolgt wird (wohl mit dem Hintergedanken, vielleicht doch einmal auf einen ideologisierten Richter zu stoßen, der der Staatsanwaltschaft Recht geben könnte), während andererseits der gleiche Aktionismus bei Vereinen wie "Greenpeace" & Co medial geradezu als Hochamt gepriesen wird. Und ausgerechnet die diesen Vereinen innigst nahestehenden Grünen werden jetzt sogar mit Regierungsämtern belohnt.

Jeder Rechtsstaatlichkeit widerspricht auch die mehrfache Ankündigung von Sebastian Kurz, dass er die Identitären verbieten möchte. Das hat – Ehre, wem Ehre gebührt – auch der SPÖ-Justizsprecher Jarolim heftig kritisiert, obwohl seiner Partei ein solches Verbot ideologisch sicher passen würde. Warum Kurz eine Bewegung nicht passt, die migrations- und islamisierungskritisch, zugleich aber österreichpatriotisch ist, muss er uns auch erst einmal erklären, wenn er glaubwürdig bleiben will, ist er doch all das selber. Vor allem, wenn er gleichzeitig mit den Freunden von "Greenpeace" eine Koalition abschließt.

Hexenjagd auf Grasser

Noch viel länger als Sellner wird Karl-Heinz Grasser von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Er steht ja schon seit einer vollen Dekade in deren Visier. Und Rechtsexperten schätzen, dass die Hexenjagd noch mindestens fünf weitere Jahre dauern wird, bevor es vielleicht einmal ein rechtskräftiges Urteil gibt. Das nach heutiger Faktenkenntnis eigentlich ein Freispruch sein müsste.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – und versuchen, nicht vor Zorn zu zerspringen: Da agiert eine Institution ganz offensichtlich in der Überzeugung, nie für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen zu werden, und kann eine menschliche Existenz für so lange ruinieren. Diese 15 Jahre sind ja mindestens ein Drittel der Lebensarbeitszeit, die Grasser da geraubt wird, in der er keine Chance (und angesichts des Dauerbombardements durch Staatsanwaltschaft und ihre Linksmedien auch kaum Zeit) hat, einem ordentlichen Beruf nachzugehen! Und mit absoluter Sicherheit würde jede Strafe, die am Ende unabhängige Richter eventuell doch über Grasser verhängen könnten, weit geringer ausfallen als die Strafe, die Grasser jetzt schon abzubüßen hat.

Noch schlimmer: die Verfahrens- und Anwaltskosten haben Grasser bereits zweieinhalb Millionen Euro gekostet. Und es wird wohl noch ein weiterer siebenstelliger Betrag dazukommen. Grasser hat – wie er zumindest selbst sagt – inzwischen seine beiden Immobilien verkaufen müssen und Null Einkommen. Nach einem Freispruch wird der ehemalige FPÖ/ÖVP-Finanzminister ganze 5000 Euro als Entschädigung bekommen …

Und was sagt der Justizminister zu all diesen Umtrieben? Grassers Anwälte seien quasi selbst schuld, weil sie Einspruch gegen die Anklage erhoben hätten. Was diese mit gutem Grund empört zurückweisen: Ein solcher Einspruch sei ein verfassungsmäßig abgesichertes Grundrecht. Vor allem habe dieser Einspruch nur neun Monate dieser zehn Jahre Vorverfahrenszeit gekostet. Und er habe dazu geführt, dass zwei von vier Anklagepunkten der Staatsanwälte fallengelassen werden mussten. Was den nunmehrigen Prozess – so die Anwälte – um ein Jahr verkürzt hat.

In die Reihe dieser bestürzenden Vorgänge gehört etwa auch das rechtswidrige Hinaussickern von zahllosen Detailinformationen aus H.C. Straches Handy. Ebenso wie die schockierende Tatsache, dass ein schon wegen terroristischer Aktivitäten im Gefängnis sitzender Tschetschene von dort aus seelenruhig per Handy (!!) mit Komplizen weitere Terroranschläge im weihnachtlichen Wien planen hat können.

Angesichts all dieser Vorfälle ist es nur noch absurd zu behaupten, Österreich wäre ein Rechtsstaat. Österreich ist vielmehr schon weit auf dem Weg vorangeschritten, dessen Endstadium Franz Kafka in seinem "Prozess" einst so beklemmend geschildert hat.

Und wenn jetzt manche schulterzuckend sagen: "Mag schon alles recht schlimm sein, aber was soll man tun?", dann kann man ihnen nur antworten: Es gibt ganz klar drei Handlungspflichten, wenn das Vertrauen in Justiz und Rechtsstaat wiederhergestellt werden soll:

  1. Der Justizminister müsste umgehend eine Untersuchungskommission einsetzen, die allen Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft penibel nachgeht und sich nicht mit Phrasen abfertigen lässt.
  2. Der Gesetzgeber müsste in allen Fällen, wo Staatsanwälte grob fahrlässig politische Verfahren geführt oder Beschuldigten einen wirtschaftlichen Schaden zugeführt haben, gesetzlich eine persönliche Haftung aller agierenden Staatsanwälte für den verursachten Schaden beschließen.
  3. Jedem echten Freispruch (der also nicht nur aus einem subjektiven Schuldausschließungsgrund wie etwa Unzurechnungsfähigkeit heraus erfolgt ist) muss ein voller Ersatz aller notwendigen Kosten durch das Justizministerium folgen.

Solange diese drei eigentlich selbstverständlichen Dinge nicht erfolgen, sollte sich Österreich jedenfalls nicht mehr Rechtsstaat nennen.

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