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Der Rechtsstaat wankt

Die größte aktuelle Beschädigung für den Rechtsstaat Österreich stellt das Verhalten jener dar, die ungeniert und ununterbrochen vertrauliche Protokolle der Korruptionsstaatsanwaltschaft über befreundete Medien an die Öffentlichkeit spielen. Dadurch werden jetzt täglich pikante Teile des SMS-Verkehrs zwischen Exponenten der schwarz-blauen Regierung bloßgestellt. Obwohl sie keine strafbaren Inhalte, sondern die (leider übliche) parteipolitische Aufteilung von Posten nach einer Koalitionsbildung zeigen. Obwohl ihr Hinausspielen sowohl eine schwere Verletzung der Amtsverschwiegenheit darstellt wie auch einen groben Bruch des Datenschutzes.

Gewiss, jene Täter, die diese Delikte zu verantworten haben, sind nicht individuell bekannt. Aber es ist ganz eindeutig, dass der erste massive Verdacht auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft selber fallen muss. Weshalb eine Suspendierung durch den Justizminister und vor allem eine offizielle Untersuchung längst fällig wäre.

Dies schon deshalb, weil vorerst keine anderen Stellen bekannt sind, die diese Abschriften von Dialogen aus den von der Korruptionsstaatsanwaltschaft beschlagnahmten Handys von ÖVP- und FPÖ-Politikern überhaupt besitzen UND die auch nur das geringste Interesse an einem Öffentlichwerden haben könnten. Weil es ja eindeutig die WKStA war, die diese Transkripte auch zu solchen Passagen der Politiker-SMS erstellt hat, die absolut nichts mit dem untersuchten Fall (Casinos-Novomatic) zu tun haben. Und überdies auch deshalb, weil sich keine andere Staatsanwaltschafts-Behörde schon seit längerem so sehr als Staat im Staat geriert wie die WKStA, die sogar verbotenerweise amtsinterne Sitzungen geheim mitschneidet.

Wäre sie sauber, hätte die WKStA umgehend Strafanzeige gegen jene unbekannten Täter erstatten müssen, die ihren "Amtsvermerk" an "Falter", "Presse" und ORF weitergegeben haben, und nicht erst dann erstaunt reagieren dürfen, als dieser - logische - Verdacht gegen sie geäußert worden ist. Die WKStA ist ja auch sonst mit Anzeigen alles andere als zurückhaltend. Hat sie doch erst vor einigen Monaten eine absurde Strafanzeige gegen den zuständigen Sektionschef erstattet, weil dieser sie mit deftigen Worten zu zügigerem Arbeiten anhalten wollte.

Das Verfahren wegen dieser Anzeige ist natürlich von einer anderen Staatsanwaltschaft sofort eingestellt worden. Diese Peinlichkeit der WKStA reiht sich an die früheren Peinlichkeiten der gleichen Behörde: Eine von ihr angeordnete Hausdurchsuchung wurde im Nachhinein von einem Gericht als rechtswidrig abgekanzelt; und von den flächendeckend von der WKStA angestrengten Strafprozessen gegen Beamte wegen des lächerlichen Delikts einer vorzeitigen Auszählung der Wahlkarten hat bisher kein einziger mit einer Verurteilung geendet.

Diese nunmehrige Aktion wirkt fast wie eine Kampfansage an den Justizminister, der vor einigen Tagen einige Maßnahmen angekündigt hat, welche die Umtriebe der Staatsanwaltschaften einbremsen sollen. So dürfen diese künftig nicht mehr bestätigen, dass gegen irgendjemanden eine Anzeige eingebracht worden ist. Diese Ankündigung von Minister Jabloner ist richtig und lobenswert.

Denn damit wird einer der miesesten Tricks der politischen Schlammschlachten unterbunden. Dieser ist immer so gelaufen:

  1. Jemand (AA) denunziert anonym durch eine Anzeige jemand anderen (BB), in aller Regel einen politischen Gegner oder wirtschaftlichen Konkurrenten, ein Verbrechen begangen zu haben.
  2. Bestimmte ausgewählte Medien erfahren "zufällig", dass es eine Anzeige gegen BB geben soll.
  3. Solche Medien fragen daraufhin offiziell bei der Staatsanwaltschaft an, ob es eine solche Anzeige gibt.
  4. Diese bestätigt das, selbst wenn sie noch gar nicht geprüft hat, ob es in der Anzeige überhaupt irgendetwas Strafbares gibt.
  5. Diese Medien können nun berichten, dass ein Strafverfahren gegen BB läuft.
  6. BB erfährt meist überhaupt erst aus den Medien, dass gegen ihn ein Strafverfahren läuft.
  7. AA kann unter Berufung auf die Bestätigung der Staatsanwaltschaft beziehungsweise die diesbezüglichen Medienberichte eine Pressekonferenz geben, um sich über den kriminellen BB zu empören.
  8. Die dann in den meisten Fällen irgendwann erfolgende Einstellung des Vorverfahrens bekommt in den Medien im Vergleich zu den einstigen Anschuldigungen dann nur noch einen Bruchteil der Aufmerksamkeit. Man hat ja kein Interesse, die eigene miese Mittäterrolle groß zu betrommeln …

Die neue Jabloner-Verordnung dürfte diesen miesen Trick künftig unmöglich machen. Künftig müssten also Anzeigen und Vorerhebungen geheim bleiben – bis auf jene Fälle, wo es am Ende zu einem Prozess kommt. Würde hingegen der Anzeiger selbst mit dem angezeigten Namen in die Öffentlichkeit gehen, würde er sich ja der Verleumdung schuldig machen.

Jedoch: Gegen Delikte wie die vertrauliche Weiterleitung eines SMS-Protokolls an befreundete Medien hilft diese Verordnung absolut nichts. Denn diese Weiterleitungen durch eine Behörde sind ja auch schon jetzt massiv strafbar und finden trotzdem statt. Jetzt würden nur noch Suspendierungen und die Einsetzung einer Untersuchungskommission helfen.

Freilich ist die Täterschaft recht schwierig nachweisbar. Ist es doch relativ einfach, unentdeckt geheime Aktenvermerke in anonyme Kuverts zu stecken und an Redaktionen zu schicken, die ja auf Grund des Redaktionsgeheimnisses diese Kuverts nicht für forensische Untersuchungen freigeben müssen. Ein bisschen heikler wird es, wenn sich Täter und Journalisten auch persönlich treffen. Denn Privatdetektive können solche Treffen früher oder später problemlos herausfinden. Der Polizei sind hingegen eher die Hände gebunden. Sind ihr doch unkonventionelle Recherche-Methoden verboten. Und ist sie doch durch den Schutz des Redaktionsgeheimnisses zusätzlich behindert.

Das weiß nur der Verfassungsschutz BVT nicht, der in einem anderen Fall ein Handy einer Journalistin beschlagnahmen lassen wollte. Dem BVT ist es mit seiner Aktion gegen ein solches Leak freilich nicht darum gegangen, unschuldige Staatsbürger dagegen zu schützen, dass sie medial an den Pranger gestellt werden, sondern nur darum, sich selber gegen das Bekanntwerden eines für das BVT vernichtenden internationalen Berichts zu schützen. Was eigentlich kein wirklich schutzwürdiges Gut ist.

Die Veröffentlichung dieser SMS-Kommunikationen rund um koalitionäre Postenbestellungen zeigen übrigens auch, wie wirkungslos gegen die wirklichen Sauereien alle Schikanen sind, die sich die sogenannten Datenschützer ausgedacht haben, um die Bürger zu sekkieren (siehe etwa die von ihnen durchgesetzte Datenschutzverordnung). Die wirklichen Sauereien werden ja nicht von Unternehmen begangen, die ihre Werbung möglichst zielgruppengenau aussenden wollen, sondern fast immer nur im Dunstkreis der Behörden, die im Zuge eines Strafverfahrens beispielsweise durch Hausdurchsuchungen an private Daten herangekommen sind. Gegen diese meist parteipolitisch motivierten Intrigen hilft jedoch keine einzige der Datenschutz-(Über-)Regulierungen.

Lächerlich ist auch das Argument, dass die Öffentlichkeit Anspruch auf Kenntnis solcher Aktenteile eines strafrechtlichen Vorverfahrens hätte. Denn:

  • Solche Leaks leiten immer nur einseitig selektiv ausgesuchte Aktenteile weiter, welche die Meinung der Staatsanwälte stützen.
  • Der Tagebuchautor ist zwar stets für die Öffentlichkeit aller staatlichen Akten eingetreten, wollte davon aber so wie alle anderen Vorkämpfer der Informationsfreiheit immer Strafverfahren gegen individuelle Bürger ausgenommen sehen. Sobald die Polizei – die selbst natürlich die Öffentlichkeit vor allem bei Gewalttaten voll zu informieren hat – einen Verdächtigen an die Staatsanwaltschaft übergeben hat, hat totale Vertraulichkeit zu herrschen.
  • Der Anspruch der Öffentlichkeit, informiert zu werden und an einem Prozess teilnehmen zu können, besteht rechtlich erst während des Hauptverfahrens. Bis vor einigen Jahren war sogar eine Erörterung einer fertigen Anklageschrift verboten (weil ja auch da für die Beschuldigten keine Waffengleichheit besteht).
  • Solche Veröffentlichungen einzelner Aktenteile aus einem Vorverfahren durch Strafverfolger erfolgen immer einseitig und manipulativ (siehe etwa das Jahrzehnt des Kesseltreibens der Staatsanwälte gegen Karl-Heinz Grasser, obwohl es kein einziges Urteil, geschweige denn ein rechtskräftiges zu ihm gibt).

Auch das in privatem Gespräch geäußerte Argument eines Staatsanwalts hinkt an allen vier Beinen, Waffengleichheit mit den Strafverteidigern zu benötigen, weil sich diese ja ihrerseits ungehindert an die Öffentlichkeit wenden können (was freilich nur selten im Interesse ihres Mandanten, sondern meist des persönlichen Marketings des Strafverteidigers liegt). Denn zum Unterschied von den meist einsamen Verteidigern haben die Staatsanwälte während des ganzen Vorfahrens die ganze Staatsmacht hinter sich. Sie können die Sachverständigen aussuchen. Sie können unbegrenzt die Polizei losmarschieren lassen. Sie können einseitig und gezielt Hausdurchsuchungen und Abhöraktionen beantragen. Nichts davon kann und darf ein Strafverteidiger, auch wenn es noch so zur Wahrheitsfindung beitragen könnte.

Auf politischer Ebene bleiben aber einige heikle Fragen offen:

  1. Erkennt man in der ÖVP wenigstens jetzt, was für ein katastrophaler Schaden für den Rechtsstaat es geworden ist, in der Vergangenheit nicht für die längst fälligen Reformen bei den Strafverfolgern gesorgt zu haben?
  2. Oder fällt ihr diese Notwendigkeit auch jetzt noch nicht auf, weil die einzige im Strafrecht versierte ÖVP-Politikerin Richtung EU abgegangen ist und weil die einzigen guten Strafrechtler des letzten Parlaments nur in den SPÖ- und Jetzt-Reihen zu finden gewesen sind?
  3. Oder hat die ÖVP geglaubt, die dubiosen Aktionen der Strafjustiz würden sich ohnedies nur gegen Blau, nicht aber gegen Schwarz richten?
  4. Hat die letzte Regierung wirklich geglaubt, dass eine populistische Erhöhung von gesetzlichen Strafrahmen und eine Verschärfung der zensurartigen Eingriffsmöglichkeiten in die Meinungsfreiheit wichtiger wären als eine Reform bei StA und StPO (wobei übrigens die größten Fehler in diesen Bereichen auf die Zeit des einstigen Ministers Böhmdorfer zurückgehen)?
  5. Ist der ÖVP nicht die extreme Peinlichkeit aufgefallen, dass ausgerechnet der SPÖ-nahe Interimsjustizminister jetzt die ersten sinnvollen Maßnahmen zu einer Beschränkung der StA-Umtriebe setzt, während die schwarzen Minister diesbezüglich untätig geblieben sind?
  6. Ist ihr wenigstens der zum Himmel stinkende Umstand aufgefallen, dass auch die jetzige Denunziationsaktion wieder einmal genau in den letzten Tagen vor einer wichtigen Landtagswahl erfolgt, bei der die ÖVP den Umfragen zufolge gute Chancen hat?
  7. Ist der ÖVP auch nicht aufgefallen, dass diese Aktion während Koalitionsverhandlungen erfolgt, bei denen die gesamte Linke – also auch etliche Staatsanwälte – großes Interesse hat, ein neuerliches Schwarz-Blau zu verhindern?
  8. Warum geht niemand in der Justiz dem bedrückenden – und eindeutig mit der Staatsanwaltschaft zusammenhängenden – Umstand nach, dass sich bei sämtlichen Umfragen das Image der Justiz als weit schlechter herausstellt, denn das der Polizei?

PS: Wie viele Menschen in Politik, Wirtschaft und Medien werden angesichts dieses Skandals jetzt versuchen, all ihre SMS/Telefon/WahtsApp-Kontaktdaten zu löschen, weil sie nicht wollen, dass von böswilligen Behörden eines Tages persönliche und vertrauliche Inhalte an den medialen Pranger weitergereicht werden können?

PPS: Wie viele wichtige Gespräche werden künftig wieder wie einst – zeitaufwendig, mühsam, aber deutlich sicherer – unter vier Augen geführt werden und auch nie in einem nachvollziehbaren Aktenvermerk festgehalten werden?

PPPS: Warum geht diese Analyse des Tagebuchs nicht auf den eigentlichen Inhalt der veröffentlichten SMS-Dialoge ein? Weil das bereits geschehen ist. Weil die einzige Möglichkeit, Postenpackelei in Unternehmen mit Staatseigentum abzudrehen, deren Privatisierung ist (was auch den betreffenden Unternehmen eindeutig gut tun würde). Weil solche Postenaufteilungen bei absolut jedem Koalitionsabkommen der letzten Jahrzehnte Selbstverständlichkeit gewesen sind (man denke alleine an den ORF und wie sehr dieser dadurch demoliert worden ist). Darüber haben auch sämtliche Medien im Lauf der Jahre auch Tausende Male geschrieben, nur hat es gegen Rot-Schwarz nie eine solche Staatsanwaltschaftsaktion gegeben, bei der Transkripte sämtlicher Politiker-SMS erstellt worden wären.

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