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Die Fälle Sidlo, Hoscher, Drozda: Handlungsbedarf zur Potenz

Nehmen wir einmal an, die aktuellen Vorwürfe der Staatsanwälte gegen die vorige Regierung würden alle bis ins letzte Detail stimmen. Dann muss man sich doch sehr verwundert fragen, warum nicht endlich die einzig wirksame Konsequenz gezogen wird, damit sich solche Fälle nie mehr wiederholen können. Diese Konsequenz wäre übrigens auch dann notwendig, wenn die vorerst ziemlich beweisfrei vorgebrachten Vorwürfe nicht stimmen sollten.

Kern der Vorwürfe der Staatsanwälte, die sie (oder ein geistig engst mit ihnen Verbündeter) derzeit – ein wenig rechtswidrig halt – tagtäglich an Medien weiterreichen: Die FPÖ (oder der ÖVP-Finanzminister oder die schwarz-blaue-Koalitionsspitze) hat mit der Firma Novomatic, die einerseits recht erfolgreich eigenständig im Glücksspielgeschäft unterwegs ist und die andererseits auch an den konkurrierenden Casinos Austria beteiligt ist, einen unsauberen Deal gemacht: Novomatic unterstützt im Aufsichtsrat der Casinos Austria die Bestellung eines nicht sonderlich geeigneten FPÖ-Mannes als neues Vorstandsmitglied und bekommt dafür neue Glücksspiellizenzen.

Wobei eine Vorstandsbestellung ebenso wie eine Lizenzerteilung an sich wohl kein Strafdelikt darstellen, auch wenn beides zu kritisieren ist. Das einzig wirkliche Delikt liegt im Wörtchen "dafür", also in der Verbindung zweier nicht zusammenhängender Entscheidungen. Da kommen wir in den Bereich der Korruption.

Jedoch: Außer einem anonymen Brief – etwas, was Staatsanwälte normalerweise nicht gerade sonderlich beachten, – haben sie erstens nichts in der Hand, was das wirklich belegen würde. Und zweitens ist auch die Lizenzerteilung nicht erfolgt.

Aber sei's drum. Die staatsanwaltschaftsfreundlichen Quellen füttern die Medien unverdrossen mit diesem Verdacht. Daher gehen wir einmal von diesem aus und suchen nach einer Lösung: Wie kann man generell verhindern, dass sich solche Fälle wiederholen?

Die Antwort ist eindeutig: Die steile Karriere des Peter Sidlo bei den Casinos beweist – wieder einmal –, wie katastrophal es ist, wenn der Staat an Wirtschaftsbetrieben beteiligt ist. Denn er ist einerseits Eigentümer von Wirtschaftsbetrieben und zugleich oberster Setzer der Spielregeln für die ganze Branche, in der dieser Betrieb aktiv ist.

Das gilt für die Glücksspielbranche ganz besonders. Sind bei ihr doch besonders intensive und genaue Regeln zu setzen und zu kontrollieren. Hängt sie doch mit dem Suchtverhalten vieler Menschen zusammen; und wirkt sie doch wie ein Magnet anziehend auf Kriminalität und Geldwäscherei.

Selbst Linke müssten irgendwann erkennen, dass man nicht zugleich Spieler einer Mannschaft und Schiedsrichter eines Spiels dieser Mannschaft sein kann. Dass man denkunmöglich beide Aufgaben gleichermaßen gut oder gar objektiv erfüllen kann.

Der Staat wird wohl immer Schiedsrichter sein müssen, also über Gesetze, Verordnungen, Lizenzen entscheiden. Daher bleibt nur eine Möglichkeit offen: Dass er die andere Rolle aufgibt, die eines Mitspielers.

In früheren Jahren hat der Bund schon Anteile an vielen Betrieben privatisiert, also verkauft. Er hat sie auch bei den Casinos heruntergefahren. Aber vor einigen Jahren wurde die Privatisierung gestoppt, als die SPÖ wieder in die Regierung zurückgekommen war. Und die Gemeinde Wien hat überhaupt kein Unternehmen aus ihrem Zugriff entlassen, es sei denn, eines ist gegen die Wand gefahren worden wie einst die Zentralsparkasse.

Aber auch beim Bund sind die verbliebenen Staatsbeteiligungen weiterhin ein Problem. Sie widersprechen der korrekten Aufgabentrennung in einem Rechtsstaat. Sie werden zu einem Korruptions-Problem, wenn der Staat auch alle Führungspositionen besetzt. So gehören bei den Casinos Austria sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende wie auch dessen Stellvertreter wie auch der Vorstandsvorsitz zur Partei des Finanzministers, welcher wiederum zugleich Eigentümerrechte wie auch die staatlichen Regulierungsaufgaben für den Glücksspielbereich ausübt.

Da nimmt es auch wenig Wunder, wenn eine neu in die Regierung kommende Partei auf den Tisch haut und schreit: Da wollen wir jetzt auch einen drinnen haben. Diese blaue Verhaltensweise ist angesichts der österreichischen Realität ziemlich logisch gewesen – wenn auch genauso widerlich wie die schwarzen oder roten (oder künftigen grünen) Postenbesetzungen.

Die einzige denkbare Lösung kann nur heißen: Der Staat muss raus aus allen Wirtschaftsbetrieben, wo er noch drinnen ist. Also bei den Casinos, bei den ÖBB, bei Post, Telekom, OMV und Asfinag. Und natürlich sollte das genauso auch für Landesbeteiligungen wie den Flughafen und die Betriebe der Wien-Holding gelten. Denn etwa auch eine Stadthalle könnte man erfolgreich führen (man denke nur, wie erfolgreich die Messe-Wien GmbH ist, seit nicht mehr Rathaus und Kammer Messeveranstalter sind).

Alle diese Staatsbetriebe stehen heute in Konkurrenz zu privaten Betrieben. Durch diese Konkurrenz sind sie ein deutliches Stück konsumentenorientierter geworden. Ältere Österreicher erinnern sich hingegen an Zeiten, als man etwa bei der Monopolpostbehörde ein Jahr auf einen Telefonanschluss warten musste.

Wie katastrophal es für alle ist, wenn der Staat alle großen Wirtschaftsunternehmen im Eigentum hat, hat der real existierende Sozialismus in Osteuropa drastisch gezeigt. Dort sind alle Staatsbetriebe schlecht geführt worden, haben oft unbrauchbare Produkte erzeugt, haben meist einen Zuschussbedarf aus Staatsgeld gebraucht und waren arge Umweltverschmutzer. Denn auch dort hat sich gezeigt, was eigentlich für jeden einsichtig sein müsste (was aber Linke bis heute nicht verstehen): Wenn der Staat den Staat beaufsichtigen soll, schaut er viel öfter weg, vor allem dann, wenn überall Funktionäre der gleichen Partei drinnensitzen.

Österreich sollte diese Betriebe auch deshalb rasch privatisieren, weil das Land in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Privatisierungen gemacht hat. Wie gut stehen heute die einstigen Sorgenkinder wie die Voest da. Und selbst der Verkauf der Buwog war eindeutig für alle Seiten ein Vorteil, auch wenn viele, insbesondere die Staatsanwälte und linken Medien, glauben, es hätte beim Verkauf Schmiergelder gegeben. Denn selbst, wenn das richtig sein sollte, lägen die Vorteile auf der Hand: Es kann seither auch bei der Buwog nie mehr in der gleichen Art Korruption geben, die dort jahrzehntelang endemisch war, und die – laut Anklägern – beim Verkauf zum letzten Mal praktiziert worden ist.

Früher sind überall in den Staatsbetrieben von oben bis unten unfähige Parteigünstlinge untergebracht worden. Ohne echten Eigentümer wird halt nur selten ans harte Arbeiten gedacht. Stattdessen ist in der für solche Konstellationen typischen Weise gewirtschaftet worden: "Geh, du kennst doch wen bei der Buwog, ich brauchat eine günstige Staatswohnung."

Wenn es in der Justiz dieses Landes gerecht zugehen sollte – was freilich immer mehr Österreicher bezweifeln –, dann müssten mit der gleichen Genauigkeit und dem gleichen Maßstab, mit dem jetzt gegen einen von der FPÖ bei den Casinos untergebrachten Manager vorgegangen wird, auch alle anderen politischen Bestellungen der letzten Jahre überprüft werden.

Etwa die des SPÖ-Mannes in den Casinos. Denn während der FPÖ-Mann Peter Sidlo wenigstens neben Zeiten bei der staatlichen Finanzmarktaufsicht einige Jahre in einer privatwirtschaftlichen Investmentgesellschaft in seinem Lebenslauf hat, findet sich in der Laufbahn des SPÖ-Mannes Dietmar Hoscher keine einzige Sekunde in der Privatwirtschaft, wo er managen lernen hätte können. Statt dessen zeigt der Lebenslauf des roten Casino-Mannes eine reine Parteikarriere: Klub- und Ministersekretär, SPÖ-Abgeordneter und Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates. Gewiss haben SPÖ/ORF-Karrieren manch Glücksspielartiges an sich – aber absolut nichts, was Herrn Hoscher geeignet für einen Casinos-Job gemacht hätte. Solche rein durch die Partei ermöglichten Karrieren lassen sich noch zu Hunderten in Österreichs Staatsbetrieben nachweisen.

Wie katastrophal politischer Einfluss praktisch immer ist, zeigt jetzt auch der Strafprozess rund ums Burgtheater sehr drastisch. Da hat es jahrzehntelang die an Mafiastaaten erinnernde Praxis gegeben, dass Honorare nicht wie in jedem anderen Unternehmen über ein Bankkonto ausbezahlt werden und damit nachprüfbar sind. Das Geld ist vielmehr bar an der Kassa verteilt worden. Was anderswo schon in den 60er Jahren aus vielen guten Gründen abgeschafft worden ist, war an der Burg noch in diesem Jahrzehnt üblich.

Auch im 21. Jahrhundert noch so Honorare zu zahlen, kann nur einen Zweck haben: die Ermöglichung der Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben. Wer aber war bis 2008 ein ganzes Jahrzehnt lang "kaufmännischer" Geschäftsführer des Burgtheaters und hat diese auch kaufmännisch teure Vorgangsweise nicht abgeschafft? Ein SPÖ-Karrierist namens Thomas Drozda, der dann später Minister und noch später mächtigster Mann in der Partei geworden ist. Ihm ist offenbar nicht aufgefallen, dass eine solche steinzeitliche Praxis zum Himmel stinkt (auch wenn unter ihm vielleicht noch nicht sechsstellige Summen unterschlagen worden sind wie durch Drozdas unmittelbare Nachfolgerin). Da kann man nur fragen: Wie rückständig waren die übrigen Geschäftsführungsmethoden dieses Mannes?

Bei einem Herrn Hoscher, bei einem Herrn Drozda schaut sich dennoch kein Staatsanwalt an, ob nicht auch die schwer ungeeignet für ihre Ämter gewesen sind, ob ihr Verhalten in Führungsfunktionen nicht sogar grob fahrlässig gewesen ist, ob ihre Karriere nicht eindeutig nur auf parteipolitischer Packelei beruht.

Nur gleich gar nicht hinschauen. Sonst könnte ja was politisch Unerwünschtes herauskommen.

ÖVP wie FPÖ hingegen, die zu Recht wegen des Falles Sidlo jetzt Probleme haben, sind nicht einmal in irgendeiner Weise imstande gewesen, die mindestens ebenso skandalösen Fälle aus roten Karrieren zu thematisieren …

Noch frustrierender ist, um noch einmal auf die im ersten Teil des Textes genannte dringend notwendige Konsequenz der Causa Casinos zu sprechen zu kommen: Niemand in der einstigen Marktwirtschaftspartei ÖVP nimmt wenigstens jetzt die nach Abgang von Wolfgang Schüssel als offenbar unpopulär entsorgte Privatisierungsdiskussion wieder auf. In der FPÖ fehlt überhaupt jede Basis für eine Diskussion solcher Fragen. Und die SPÖ hält ja Privatisieren für so schlimm wie den Nationalsozialismus ....

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