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Kurz und die Macht

Mitte der 1980er Jahre traf sich in der Politischen Akademie der ÖVP regelmäßig eine Studentenrunde, die sich "Junge Positionen" nannte. Unter dem Vorsitz des späteren Vizekanzlers Michael Spindelegger machten sich Leute wie Michaela Steinacker (heute Justizsprecherin der ÖVP), Wolfgang Gerstl (heute Verfassungssprecher der ÖVP) oder Georg Vetter (heute Rechtsanwalt) Gedanken über die Jugend, die Partei und den Weg zur Macht. Altvordere Parteigranden träumten von einem Kabinett der besten Köpfe und ließen die Partei in Schönheit den Weg nach unten gehen. Just damals – 1986 – wurde Sebastian Kurz geboren.

Sebastian Kurz ist es bekanntlich gelungen, die ÖVP aus der verträumten Rolle des ewigen Zweiten (wenn man vom Jahr 2002 absieht) herauszuführen. Der wesentliche Grund für seinen Erfolg ist sein Zug zum Tor, oder, um mit Nietzsche zu sprechen, sein Wille zur Macht.

Als Kurz die Volkspartei übernahm, stellte er zunächst intern die Machtfrage und rief auch gleich Neuwahlen aus. Das Ergebnis ist bekannt: Er beseitigte nicht nur innerhalb der Volkspartei alle, die ihm Konkurrenz hätten machen können, sondern er lief auch bei den Nationalratswahlen 2017 als Erster durchs Ziel. Zur Demokratie gehört es eben auch, Wahlen zu gewinnen.

Als Techniker der Macht setzte er ebenfalls neue Maßstäbe. Innerparteilich folgte der Linzer Parteitag am 1. Juli 2017 anstandslos seiner Linie. Auch personalpolitisch gab es keinen Widerstand – nicht einmal, als Karlheinz Kopf nicht zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde.

Regierungspolitisch setzte Kurz seine im Wahlkampf 2017 gewünschte Richtlinienkompetenz mittels eines ausgeklügelten Systems von zentralisierter PR im Verein mit politischen Generalsekretären durch. Das kostete zwar Geld, löste aber ebenfalls keinen besonderen Widerstand aus. Im Gegenteil: Mittlerweile schieden alle anderen Parteichefs von damals (Kern, Strache, Strolz, Felipe, Pilz) aus ihren Ämtern. Die Nachfolger überragt er alle.

Die professionelle Propaganda ist vielen Kritikern ein Dorn im Auge. PR scheint wichtiger als Politik. Das Ende des öffentlichen Streits mag für Journalisten bedauerlich sein. So übertrieben der Fokus auf den Außenauftritt erscheint, so sehr hatte die ÖVP einen Schwenk nötig: Dort redeten bislang nicht nur alle durcheinander, dort wurde auch jeder Wahlkampf betrieben als ginge es um den Verkauf eines Waschmittels.

Man könnte nun – gerade nach Platzen der Koalition – der Ansicht sein, dass es Sebastian Kurz zu sehr um die Macht und zu wenig um die Politik geht. Begleitet von einem kommunikativen Sperrfeuer soll einmal der Klimaschutz, dann das Bargeld in der Verfassung festgeschrieben werden; Uber wird verhindert; Fußball- und Kulturereignisse sollen dem TV-Markt entzogen werden; Maklergebühren für Mieter sollen abgeschafft werden; das Kopftuch soll weiter verboten werden; das Vereinsrecht soll zwecks Verbots der Identitären geändert werden; und so weiter. "Wer alles ist, ist nichts," meinte schon Franz Josef Strauß.

Man kann aber auch der Ansicht sein, dass es Kurz zu wenig um die Macht geht. Dies aus folgenden Gründen:

Die ÖVP scheint ein unterentwickeltes Gefühl für den staatstragenden Teil der Republik zu haben. Weder für Juristen noch für die Polizei noch für das Bundesheer gibt es innerhalb der neuen, jungen Volkspartei ein ausreichendes Sensorium. Kurz hat die Institutionen Justiz, Polizei und Heer auf dem Altar der Gleichgültigkeit geopfert. Die Türkisen wollen nun den angefangenen Weg weitergehen. Was sich Offiziere, Polizisten oder Juristen wohl darunter vorstellen können?

Loyalität, Botmäßigkeit und Konformität waren bisher die wichtigsten Eigenschaften für eine Ministerkarriere bei Sebastian Kurz. Mangels ausreichenden Formats der eigenen Kandidaten muss sogar Karoline Edtstadler als Ersatz für die TV-Diskussionen herhalten, obwohl sie gar nicht für den Nationalrat kandidiert. Das geht natürlich nur gut, wenn die Gegner harmlose Amateure sind.

Erst wenn Kurz erkennt, dass er für ein erfolgreiches Regieren über die Zuwanderungsfrage hinaus Leute braucht, die nur ohne Maulkorb zu haben sind, kann sich etwas ändern. Welches Alpha-Tier lässt sich schon von einem Politsekretär einerseits und einer PR-Maschinerie andererseits die Linie vorgeben? Wie eitel muss man sein?

Besonders pikant: Welcher etablierte Jurist wird sich finden, für die ÖVP das Justizministerium zu übernehmen, um bedenkliche Bestimmungen im Straf- und Vereinsrecht auf den Weg zu bringen? Keiner, der alle Tassen im Schrank hat, kann diese Aufgabe ohne eigene Bedingungen übernehmen.

Sebastian Kurz braucht Leute in der Regierung, deren Loyalität dem Staat und nicht der Partei gehört. Denen es um die Sache geht. Denen es um eine angebotsorientierte Steuerreform geht. Denen es um eine nachhaltige Pensionsreform geht. Denen es um eine echte Demokratiereform geht. Denen es um einen funktionierenden Staat geht. Irgendwann muss er verstehen, dass er mit einem Kreis von Ja-Sagern nicht langfristig erfolgreich regieren kann. Die Probezeit ist in Kürze vorbei. Das könnte das Positive an Ibiza sein.

Sebastian Kurz wird bald wieder am Kutschbock sitzen und die Zügel fest in der Hand halten. Dann bräuchte er noch Pferde, die laufen können.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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