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Wenn die Krone in den Staub fällt

Bald wird H.C. Strache – oder ein anderer korruptionsbereiter Politiker – nicht mehr in Versuchung kommen, vermeintliche russische Oligarchentöchter mit halbkriminellen Versprechungen anzubraten, doch die Kronenzeitung zu kaufen, damit diese wie unter ihrem Gründer wieder FPÖ-freundlich wird.

Denn die neueste Veröffentlichung der Auflagenkontrolle zeigt: Die Kronenzeitung hat auch im ersten Halbjahr schon wieder kräftig an Auflage verloren. Von den Exemplaren des Kleinformats wurden deutlich mehr als fünf Prozent weniger gegenüber der Auflage des Vorjahrs verkauft. Wenn dieser Verlust so weitergeht, wie er es ja seit vielen Jahren tut, dann wird es bald endgültig irrelevant sein, was das Blatt so schreibt. Wenn es überhaupt jemals so relevant gewesen sein sollte, wie viele Politiker (noch immer) glauben.

Zwar verlieren fast alle Blätter von Jahr zu Jahr an Auflage und Lesern, auch wenn manche in manchen Jahren ein Mini-Plus melden. Vor allem die Unter-40-Jährigen lesen fast nichts mehr in Papier. Aber so steil bergab wie mit der Kronenzeitung geht es – auch diesmal – mit keinem anderen. In absoluten wie relativen Zahlen. Und bei der Media-Analyse (die nicht die von den Verlagen gemeldeten Auflagen, sondern mit Hilfe sehr präziser und unabhängiger Umfragen die Leser zählt) ist der Marktanteil der Krone  seit ihren besten Zeiten gar schon um 37 Prozent zurückgegangen.

Die Agonie der Zeitung hängt vor allem mit folgenden Faktoren zusammen:

  • wilde Eigentümerkonflikte belasten das Blatt seit vielen Jahren;
  • weit und breit fehlen journalistische Begabungen mit Mut und Gespür, seit die Generation Hans Dichand und "Staberl" Nimmerrichter abgetreten ist;
  • die Redaktion ist wie bei vielen Medien immer grüner geworden;
  • und die Krise des Typus Boulevardzeitung übertrifft in allen Ländern die allgemeine und für viele Verlage und Journalisten ohnedies schon katastrophale Printmedien-Krise noch bei weitem;
  • Boulevard hat keine Funktion mehr, wenn in der U-Bahn und im Zug alle in ihr Handy schauen.

Der einzige "Trost", den man der Kronenzeitung spenden kann: Noch viel dramatischer verlieren die Wochenprodukte. Eine ganze Mediengattung hat offensichtlich keine Existenzberechtigung mehr:

  • So hat das "Profil" in einem einzigen Jahr mehr als 15 Prozent seiner Auflage verloren;
  • so hat "News" weniger als ein Viertel der Leser, die es an seinem einstigen Höhepunkt hatte;
  • so hat mich schon seit langem niemand mehr auf einen Artikel in "Profil" oder "News" hingewiesen, der lesenswert oder interessant wäre – was ein fast noch schlimmeres Indiz ist.

Es zeigt sich: Die Menschen sind viel zu klug, um mit diesen Heften noch etwas anzufangen. Schwache Kommentare, krampfhafte Skandalisierung, fehlender Tiefgang, die geistige Verengung des ideologischen Mainstreams, eine unerträglich fernserische Schreibe und die (naturgemäß) mangelnde Aktualität haben immer mehr Leser zu dem Schluss kommen lassen: Es zahlt sich schlicht nicht aus, sie zu kaufen. Daraus zieht man spätestens dann die Konsequenzen, wenn zum vierten Mal hintereinander ein neues Heft erscheint, ohne dass man in die alten länger als eine Minute hineingeblickt hätte. Und wenn man im Wartezimmer eines Arztes sitzt und wieder einmal so ein Heft in die Hand nimmt, kommt man bald zu dem Schluss: Man hat richtig entschieden.

Alles hat seine Zeit, steht schon im Alten Testament. Die Zeit vieler Printprodukte ist vorbei, auch wenn sie es noch nicht wissen (oder zugeben wollen). Und damit geht auch die Zeit zu Ende, wo eine kleine Gruppe Gatekeeper, also Blockwarte, einer ganzen Nation vorschreiben konnte, was man zu glauben hat, wie man zu denken hat, was die Menschen erfahren dürfen und was nicht.

Das Internet mit seiner großartigen Vielfalt als Hauptursache dieser Entwicklung ist eine der besten Entwicklungen der Menschheit. Denn es ermöglicht die Emanzipation der Bürger aus der geistigen Dominanz einer selbsternannten Elite. Und es bedeutet einen gewaltigen Schritt hin zu einer echten, zu einer direkten Demokratie.

Eine wirklich gute Nachricht.

PS: Meine persönliche Prognose: Ein Teil der Medien wird auch langfristig überleben, wenn auch auf insgesamt noch viel niedrigerem Niveau. Das wird vor allem (wirkliche) Qualität in Sachen Meinung und Analyse sowie (wirkliche) Regionalität bis hinunter auf Dorfebene sein. Der Rest wird irgendwann tot sein.

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