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Kurz und Trump: Wo wir wirklich stehen

Was das Treffen zwischen dem Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten wirklich bedeutet. Eine differenzierte Bestandsaufnahme in zehn Kapiteln des Lichts und des Schattens.

An sich finden Treffen zwischen Regierungschefs verschiedener Länder tausende Male im Jahr statt. Und in aller Regel dreht sich nachher die Welt völlig unverändert weiter. So natürlich auch nach der österreichischen Visite im Weißen Haus. Trotzdem drängen sich zu dem Besuch von Sebastian Kurz bei Donald Trump ein paar interessante Beobachtungen auf.

  1. Es ist ziemlich provinziell, wie Österreichs Medien bei solchen Begegnungen jedes Mal zu hyperventilieren beginnen, ob nun der russische Präsident bei der Hochzeit der Außenministerin vorbeischaut, oder der Bundeskanzler beim US-Präsidenten. Diese Begegnungen sind erfreulich, sind besser als Hass, Ablehnung oder Nicht-einmal-Ignorieren, aber eben auch nicht mehr. Eine Spur mehr Gelassenheit täte gut – auch wenn man als kleines Land der noch immer größten Weltmacht gegenübersteht.
  2. Das Einzige, was daraus für Österreich konkret abgeleitet werden kann: Sowohl Wladimir Putin wie Donald Trump sehen es offensichtlich als positiv für ihre eigenen Imagewerte an, gemeinsam mit den Exponenten dieser österreichischen Regierung in durchaus amikaler Stimmung aufzutreten (die Trump sogar als "großartige Beziehungen" bezeichnet hat). Das ist ein totaler Unterschied zur davorliegenden Dekade: Kein weltpolitischer Akteur hatte Interesse an gemeinsamen Auftritten mit den Herrn Faymann oder Kern. Davor war Wolfgang Schüssel  der letzte, der sowohl zum russischen wie amerikanischen Präsidenten persönliche Kontakte hatte.
  3. Natürlich ist es für die SPÖ schmerzhaft, dass seit langem auf der internationalen Bühne nur ÖVP-Politiker Bedeutung haben (zu Kurz und Schüssel wäre auch noch Alois Mock zu reihen, nach dem in Slowenien und Kroatien sogar viele Straßen getauft sind). Die SPÖ lebt in den Resten ihres Selbstwertgefühls hingegen noch immer nur von den außenpolitischen Auftritten und Ausritten Bruno Kreiskys, der einst als wortgewaltiger und belesener Welterklärer im In- und Ausland gefragt gewesen ist. Freilich hat auch Kreisky keinen einzigen internationalen Konflikt gelöst. Ganz im Gegenteil: Er hat durch seine antiamerikanischen und eindeutig antisemitischen Äußerungen und durch seine Anbiederung an nahöstliche Terrorführer etliche Probleme für Österreich geschaffen, die dann unter anderem auch sein Freund Kurt Waldheim auszubaden hatte.
  4. Dieser SPÖ-Phantomschmerz rechtfertigt aber in keiner Weise den unglaublichen Exzess ihres Abgeordneten Jarolim, der gezielt wenige Stunden vor der Begegnung Kurz-Trump den US-Präsidenten öffentlich frontal beleidigt und ihn als "plump", "sexistisch" und "Kriegstreiber" bezeichnet hat. Dabei hat der den Sozialisten so heilige Trump-Vorgänger Obama jedes Jahr viel mehr Kriegshandlungen befohlen als der Isolationist Trump in seinen ersten beiden Jahren. Aber das nur am Rande – warum sollte ein Herr Jarolim auch sonderlich Ahnung von Außenpolitik haben. Der wirkliche Skandal besteht darin, dass noch nie in der Nachkriegszeit die Opposition (und da ist ja die SPÖ immer noch die größte Partei) einen internationalen Auftritt des österreichischen Kanzlers so brutal und plump zu desavouieren versucht hat wie jetzt Jarolim. Mit dieser SPÖ ist wirklich kein Staat mehr zu machen. Sie präsentiert sich vielmehr ständig nur noch als böse, bitter, frustriert und verhärmt. Daran ändern auch die korrekten Aussagen des SPÖ-Europaageordneten Freund im Nachhinein wenig.
  5. In der deutlichen Ablehnung der illegalen Migration sind sich Trump und Kurz in hohem Ausmaß einig, so groß die Steine auch sind, die ihnen da von links in den Weg gelegt werden. Von den vier echten Sachfragen, die da hingegen wirklich als Dissens zwischen den USA und Österreich liegen, muss man eigentlich den USA in drei Punkten zumindest weitgehend Recht geben. Freilich sind es lauter Sachfragen, wo inzwischen eigentlich Europa zuständig ist und Österreich kaum eigenen Spielraum hat.
  6. Österreich ist nur bei einem einzigen Streitpunkt im Recht: nämlich bei seinem Interesse, dass die Erdgas-Versorgung aus Russland durch "Nord Stream 2" diversifiziert wird, wodurch die Ukraine nicht mehr – bei aller Sympathie für ihren Freiheitskampf – Österreich und dem Rest Europas das Gas abdrehen kann. Was sie ja schon einmal ein paar Tage versucht hat. Umgekehrt ist zwar das amerikanische Interesse verständlich, an Europa selbst das eigene – teurere – Flüssiggas verkaufen zu können. Aber das ist eben ganz und gar nicht Österreichs Interesse.
  7. Recht hat Trump hingegen mit seiner Kritik an den peinlich geringen Verteidigungsausgaben Österreichs. Diese liegen an der Kippe zur Selbstaufgabe der Republik und noch weit unter den Anstrengungen der übrigen EU-Staaten, die alle auch weniger tun als die USA. Bedauerlicherweise hat Kurz an der Landesverteidigung wie fast alle anderen österreichischen Politiker wenig Interesse, weil das Thema am Boulevard keine Unterstützung und am Wählermarkt wenig Stimmen bringt. Diese Notwendigkeit, mehr für die Landesverteidigung zu tun, hängt sogar direkt mit den USA und Trump zusammen: Freilich nicht, weil Trump das von Österreich verlangt – das allein könnte ein souveräner Staat ja durchaus ignorieren –, sondern weil Trump eine Politik betreibt, die das notwendig macht. Das beginnt man in anderen europäischen Ländern zunehmend zu erkennen. Die USA ziehen sich unter Trump nämlich wieder in jenen Isolationismus zurück, der dort schon vor beiden Weltkriegen dominierend gewesen ist, in die sie dann eher hineingezogen worden sind, obwohl sie anfangs draußen bleiben wollten. Jahrzehntelang hat man dank der USA in Europa – keineswegs nur in Österreich – die eigenen Sicherheitsanstrengungen vernachlässigen können. Für einen Ernstfall hat man sich immer auf sie verlassen. Darauf sollte man sich aber seit Trump nicht mehr verlassen. Die EU ist größer als die USA, zum Teil reicher, und sie führt immer gern das große, moralistisch belehrende Wort gegenüber den USA (nicht verst seit Trump). Warum bitte sollen da die US-Steuerzahler weiterhin für die Sicherheit dieses Europas blechen?
  8. Auch in Handelsfragen wäre Europa gut beraten, ein wenig besser den amerikanischen Standpunkt zu verstehen. Dabei geht es wieder nicht um die bloßen Klagen der USA über ihr riesiges Handelsbilanzdefizit. Sondern sehr konkret um zwei Punkte:
    Erstens hat Europa auf US-Autos einen viermal so hohen Zollsatz, wie ihn die USA auf europäische Autos einheben (abgesehen von den in Europa wenig gebauten Pick-Ups). Das kann man niemandem erklären, schon gar nicht angesichts der massiven europäischen Autoexporte Richtung USA (an denen auch Österreich viel verdient).
    Zweitens ist der europäische Agrarmarkt protektionistisch abgeschirmt, der amerikanische hingegen offen. Die europäischen Behauptungen, dass Amerikas Lebensmittel (wegen Gentechnik usw.) gesundheitsschädlich wären, sind weder wissenschaftlich beweisbar noch finden sie in den USA irgendeinen Glauben. Wenn Europa in diesen beiden Punkten nicht nachgibt – was wahrscheinlich ist –, wird das einen schweren Schaden für Europas Exporte bedeuten. Auch wenn Trump unsympathisch, flach und eitel ist: Gerade deshalb sollte man ihn ernstnehmen. Es wäre auch toll, ihn beim Wort zu nehmen, sämtlkiche Zölle und Handelshindernisse auf Null zu setzen.
  9. Last not least herrscht in Europa seit ein paar Tagen Panik wegen des amerikanischen Verlangens, die in Syrien gefangengenommenen Kämpfer des "Islamischen Staates" zurückzunehmen, die aus Europa gekommen sind. Es dürfte dabei samt ihren vom gleichen gefährlichen Fanatismus gepackten Bräuten aus Europas Stadträndern um Tausende Menschen gehen. Die USA und die Kurden, die als einzige(!!) den "Islamischen Staat" besiegt haben, drohen mit der Freisetzung dieser IS-Typen, wenn Europa ihre Aufnahme ablehnt. Diese würden dann aber wohl auf unkontrollierten Wegen wieder in ihre Herkunftsländer einsickern, was ein gewaltiges Sicherheitsrisiko darstellen würde. In Europa hatte man bis vor kurzem das Problem ignoriert – nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Jetzt herrscht großes Bangen. Was tun? Zwar könnte man allen in Syrien und Irak aufgegriffenen IS-Aktivisten noch schnell die Staatsbürgerschaft aberkennen (wenn man imstande ist, die üblichen Links-"Rechtsexperten" mit ihrem Menschenrechts-Gestammel beiseite zu schieben). Aber die Menschen gibt es ja trotzdem – es gibt nur kein Land, das sie haben will. Also wird in Europa sehr bald die Diskussion beginnen müssen, ob man diese Menschen nicht unbedingt längerfristig internieren sollte, bis man sicher sein kann, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Das Gerede von normalen Verurteilungen ist hingegen ein leeres: Denn man wird von Europa aus kaum einem der IS-Kämpfer konkrete Verbrechen im Syrienkrieg nachweisen können. Natürlich würde man auch für solche Internierungen im Dienste der Sicherheit der Bürger zuerst den Widerstand der üblichen Links-"Rechtsexperten" mit ihrem Menschenrechts-Gestammel überwinden müssen. Man kann sicher nicht von den Amerikanern erwarten, dass sie sich um all diese Tausenden aus Europa gekommenen IS-Menschen kümmert. Europa kann das schon gar nicht erwarten, hat es doch jahrelang gegen die USA geradezu gehetzt. Europäische Gerichtshöfe haben die an der Seite der USA agierenden osteuropäischen Nationen sogar mit Strafverfahren bedroht, als Amerika ganz ähnliche islamistische Gewalttäter und Gefährder jahrelang in Geheimgefängnissen und dann Guantanamo in Sicherheitshaft genommen hat. Jetzt sieht man das vielleicht ein wenig anders …
  10. Apropos hetzen: Tagelang hat der ORF in zahllosen Sendungen vor der Begegnung Kurz-Trump – vor allem durch einen neuen, offenbar ganz auf Regierungshass getrimmten USA-Korrespondenten – gehöhnt, dass Trump ohnedies nur 15 Minuten Zeit für Kurz haben wird. In Wahrheit hat die Begegnung dann aber eine volle Stunde gedauert, was das ganz normale Ausmaß bei solchen Staatsvisiten ist. Aber natürlich hat sich der ORF nirgends für diese Hetze (oder "Framing" oder "Spin", wie man solche öffentlich-rechtlichen Schweinereien auch nennt) entschuldigt. Obwohl bisher noch absolut nie vor einem solchen Staatsbesuch die im Protokoll eingeplante Zeit Thema der ORF-Aufmerksamkeit gewesen ist. Dem ORF ging es wieder einmal nur darum, Kurz etwas Negatives anzuhängen …

PS: Apropos Abschiebungen der nun im syrischen Kurdistan festgenommenen IS-Leute: Wenn sich Österreich und Europa gegen deren Übernahme wehrt, tut man sich mit der Argumentation noch schwerer, wenn man illegale Immigranten nach Afrika und Asien rückschieben will. Denn die will man daheim auch meist nicht haben.

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