Die Midlife-Krise
08. Mai 2018 00:44
2018-05-08 00:44:00
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 6:30
Der überraschende Rücktritt des Matthias Strolz hat Aspekte, von denen die Außenwelt noch nichts mitbekommen hat. Es lässt sich eine ganze Reihe von klaren Zusammenhängen und Nicht-Zusammenhängen herausarbeiten.
Die spannendsten davon:
- Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Rücktritt des Neos-Chefs innerparteilich erzwungen worden wäre. Alle diesbezüglichen Gerüchte sind Nonsens – schon deshalb, weil es den Neos ohne Strolz ganz gewiss schlechter gehen wird. Was sie alle wissen. Die Nachfolgerin ist zwar hübscher, hat aber noch lange nicht die Ausstrahlung von Strolz. Und zeigt auch keine Ansätze, seine Fehler auszubessern.
- Es spricht alles dafür, dass der Neos-Gründer und -Chef von einer persönlichen Midlife-Crisis gepackt worden ist. Also von jenem Zustand, der vor allem Männer in der Mitte des Lebens erfasst, wo sie sich frustriert eines Tages fragen: "Das kann doch nicht alles gewesen sein?" und entweder Ehefrau oder Job fallenlassen, oder beides. Sie glauben irgendwie, hinter der nächsten Ecke würde eine noch viel spannendere Aufgabe oder eine noch viel großartigere Frau warten. Nur weil diese nett lächelt, nur weil man den Job hinter der Ecke nicht so kennt wie den bisherigen. Bei einem ungeduldigen Menschen wie Strolz ist eine solche Krise doppelt logisch.
- Eng damit verwandt und im Hinterkopf von Strolz zweifellos ebenfalls relevant ist das Gerede von der "Work-Life-Balance". Hinter dieser Phrase verbirgt sich immer Frustration oder Ärger im Job – obwohl es das in jedem Job gibt! – und der diffuse Wunsch, mehr Spaß, mehr Freizeit im Leben zu haben. Seit die meisten Menschen nicht mehr unbedingt für ihren Lebensunterhalt so viel arbeiten müssen, taucht diese Work-Life-Sehnsucht ständig auf.
- Seit einigen Wochen gibt es aber auch einen eindeutigen politischen Rücktrittsgrund, welcher der Öffentlichkeit jedoch nicht bewusst geworden ist: Die Neos sind nämlich durch die Ergebnisse der Landtagswahlen bundespolitisch irrelevant geworden, woran auch die Eroberung eines Landesrats in Salzburg nichts ändert. Denn die SPÖ hat (durch den Kärntner Erfolg) im Bundesrat die Blockade-Masse von einem Drittel erobert. Dort können jetzt keine Verfassungsgesetze mehr gegen den Willen der Sozialdemokraten durchgebracht werden, Zwar hat der Bundesrat nicht bei allen Verfassungsgesetzen ein Blockaderecht - aber sehr wohl bei allen, wo es auch um Rechte der Länder gehen würde. Das sind die meisten. Damit ist die seit Oktober aufgeflammte Hoffnung der Neos wieder zunichte gemacht, dass die Koalition sie brauchen würde, um die gemeinsam gegen Rot und Grün mögliche Verfassungsmehrheit im Nationalrat zur Wirksamkeit zu bringen, die es dort ja seit der Nationalratswahl gibt. Das bedeutet aber für Strolz weitere viereinhalb Jahre politisches Eunuchentum. Das ist naturgermäß zutiefst frustrierend.
- Dazu kommt ein weiterer sachpolitischer Frust: Strolz hat immer wieder zu spüren bekommen, dass Hans-Peter Haselsteiner, der weitaus wichtigste Financier der Partei, in allen entscheidenden strategischen Fragen auf dem letzten Wort beharrt. Das bedeutet aber: Die Neos werden nie eine Koalition mit der FPÖ eingehen dürfen. Da es sich mit der ÖVP alleine wohl nie ausgehen wird, heißt das, dass die Neos immer nur - also auch nach den nächsten Wahlen - Mehrheitsbringer für Rot-Grün sein können, sollte sich das endlich einmal ausgehen, nie jedoch für eine bürgerliche Mehrheit.
- Der Strolz-Rücktritt erinnert frappant an Eva Glawischnig. Die einstige grüne Chefin hat vor einem Jahr ähnlich überraschend alles hingeschmissen, obwohl sie das weder wegen innerparteilicher Rücktritts-Forderungen noch aus Altersgründen tun hätte müssen. Bei beiden hat der Rücktritt zweifellos mit den in den vorhergehenden Absätzen skizzierten Phänomenen "Midlife-Crisis" und "Work-Life-Balance" zu tun. Auf Strolz hat nicht einmal der berufliche Absturz von Glawischnig abschreckend gewirkt, obwohl diese nach ihrem freiwilligen Rücktritt nun bloß einen einst politisch wild bekämpften Glücksspielkonzern als Arbeitgeber gefunden hat. Strolz hat freilich bessere Job-Chancen als eine Ex-Grüne.
- Bei beiden war aber zweifellos auch der Dauerfrust eines ewigen Oppositionellen eine wichtige Rücktrittsursache. Beide wollten unbedingt mitgestalten, hatten aber keinerlei Möglichkeiten dazu. Da und dort Landes- beziehungsweise Stadträte sind noch keine Antwort auf die Existenzfrage einer Partei (und schon gar nicht, wenn man die Länder so hasst wie Strolz).
- Dass die Frustration ob der Ohnmacht einer Oppositionsrolle bei den Rücktritten eine ganz entscheidende Rolle spielt, kann man auch daran erkennen, dass bei Schwarz wie Rot die Chefs im Gegensatz zu Pink und Grün immer nur erzwungenermaßen abgetreten sind. Oder nach Wahlniederlagen schnell selbst aufgegeben haben, um nicht hinausgemobbt zu werden.
- Strolz wird mit Sicherheit in nächster Zeit für viele Positionen ins Gespräch kommen, wo jemand gesucht wird, der weder ein aggressives Anti- noch Pro-Koalitionssignal bedeutet. Da kommt etwa die Leitung des ORF oder etlicher sonstiger Medienpositionen in Frage. Besser als etwa ein Wrabetz würde Strolz allemal arbeiten; und journalistische Erfahrung hatte der ja auch keine. Was natürlich nichts am Ceterum censeo ändert, dass der ORF-Gebührenzwang jedenfalls anachronistisch ist. Beim ORF ist überdies recht fraglich, ob die Koalition Strolz akzeptiert.
- Zwei Dinge haben Strolz in der Politik trotz seiner Intelligenz und rhetorischen Begabung sehr geschadet. Das eine war der ideologische Linkskurs der Neos, das andere sein Hang zur Esoterik, der vom Bäume-Umarmen bis zum Mitbringen kindlicher Glücksbringer bei der Rücktritts-Erklärung reichte. Beides könnte ihn auch in Zukunft behindern.
- Der Neos-Linkskurs war von Anfang an genuin. Hat sich doch die Partei zu je einem Drittel aus wirtschaftsliberalen ÖVP-Dissidenten, Gründissidenten und den Überresten des Liberalen Forums (einer Schmidt-Fischer-Haselsteiner-Gründung) zusammengesetzt. Das heißt: Die Neos waren von Beginn an zu zwei Dritteln gesellschaftspolitisch links geprägt. Das hat sich in den letzten Monaten noch deutlich verstärkt, als die Partei hoffte, sie könne aus der Implosion der Grünen Gewinn ziehen und diese beerben. Aus diesem Grund hat sich die Partei deutlich weiter nach links verschoben. Das klassisch (oder neo-)liberale Gedankengut war in der Folge überhaupt nur noch in ein paar Restelementen sichtbar. Was für ein Unterschied zur deutschen FDP! Diese war ja im Vorjahr zum Schluss gekommen, dass sich eine wirklich liberale Partei nicht einmal als Koalitionspartner mit den Grünen einlassen dürfe, geschweige denn sich als ideologischer Erbe der Grünen zu profilieren.
- Grüne wie Neos (wie die SPÖ) haben überdies auch den historischen Fehler begangen, die weitaus wichtigste politische Frage der letzten wie auch der nächsten Jahre zu übersehen, oder völlig falsch zu beantworten. Das sind Massenmigration und Islamisierung. Diesbezüglich sind in etlichen anderen Ländern sogar die Sozialdemokraten auf einem späten Weg zur Vernunft. Die Neos profilieren sich hingegen selbstbeschädigenderweise zunehmend als Pro-Migrations-Partei.
- Auch sonst hat Strolz die Neos in seltsame ideologische Ecken manövriert:
- Etwa zu seinem Hauptsteckenpferd, dem Bildungskomplex, hat er zwar viele Worte abgesondert. Aber es ist nie auch nur annähernd wirklich klar geworden, was er da eigentlich genau will. Und dass Bildung wichtig ist, hätte die Nation auch ohne Strolz mitgekriegt.
- Ähnlich unklar, aber mit dem gleichen manischen Fanatismus betrieben war sein Kampf gegen die "Fürsten der Finsternis", die Landeshauptleute. Letztlich bekam man dabei das Gefühl, dass ihn nur eines befriedigt hätte: eine Gesamtänderung der Verfassung zur Abschaffung der Bundesländer. Ein interessanter, aber weltfremder Gedanke. Und selbst wenn man – alle Bundesländer-freundlichen Umfragen ignorierend – dafür etliche Sympathie aufbringen könnte, ist die Föderalismus-Verfilzung doch maximal das fünftwichtigste Problem Österreichs.
- Für die Regierung bedeutet der Abgang von Strolz zweifellos eine positive Nachricht: Denn er war in den letzten Monate eindeutig der rhetorisch Beste unter den drei Oppositionsparteien. Damit sind jetzt alle drei Oppositionsparteien in einer veritablen Krise.
- Bei allen Fehlern des Matthias Strolz: Er war ein bunter, aber lebendiger Hund in dieser Republik, der nicht unsympathisch war, der einem in einem ohnehin recht armselig besetzten Parlament abgehen wird, und dessen Talente wohl besser zur Entfaltung gekommen wären, hätte er sie nicht für das Neos-Experiment vergeudet.
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Dieser Gaukler Strolz war sowieso nur eine peinliche Lachnummer, engagiert, um die Linkischen zu fördern. Und der FPO zu schaden.
Die Einschätzung von Dr. Unterberger finde ich (anders als sonst) nicht ganz zutreffend, deshalb ausnahmsweise ein Kommentar von mir: Es liegt doch auf der Hand, dass der Rücktritt von Strolz die direkte Folge seines "Bürgerkriegs-Sagers" ist.
Dies ist ein Sprachgebrauch, der im linksliberalen Milieu zu absoluten Panikreaktionen führt. Viele hier unterschätzen das. Ich kenne einige Neos in Wien, der Großteil sind absolute Linksausleger und könnten durchaus auch bei den Grünen sein. Fast alle sind (allzu) behütet aufgewachsene Zivildiener bzw. Sozialarbeiterinnen und haben keine Ahnung von Gewalt oder Gefahr.
Von "harten" politischen Themen wie Polizei, Militär und Waffen will bei den Neos niemand etwas wissen, es handelt sich um eine Schönwetterbewegung. Wer ein solches Szenario anspricht, hat zu gehen.
Eine latente Angst in diesen Kreisen ist möglicherweise, dass sich gewaltsame Auseinandersetzungen auch gegen die seinerzeitigen Epigonen von "refugees welcome" richten könnten - bei historischer Betrachtung leider nicht unrealistisch. Daher ist dies ein absolutes Tabuthema - wer davon spricht, darf nicht mehr dabei sein.
Wie auch immer: Alle Rechtsliberalen haben sich schon in den letzten Jahren von den Neos verabschiedet. Nun reicht es eben auch Strolz, völlig verständlich.
Warum das Familienargument meines Erachtens falsch ist: Ein Familienvater, der seine Kinder (heute 8, 10 und 12) sieben Jahre lang alleine lässt, sehnt sich plötzlich, ausgerechnet zum Eintritt der älteren beiden in die Pubertät, nach mehr Familie? Nachdem die Kinder fast ihre gesamte Kindheit ohne ihn verbrachten?
Ein plötzlicher Rücktritt ohne Nachfolger auf der Seite ist IMMER unfreiwillig - auch wenn er nicht dezidiert abgewählt oder mit vorgehaltener Pistole zum Rednerpult gezwungen wurde.
Strolz hat eben erkannt, dass mit den linken Weicheiern bei den Neos auf Dauer kein Staat bzw. keine Partei zu machen ist - er ist aber höflich genug, es nicht zu sagen.
PS: Meinl-Reisinger kenne ich auch aus persönlichen Gesprächen: Sie ist extrem unfähig, hinter der Fassade herrscht gähnende Leere. Sie ist nur bei den Neos, weil sie es bei der ÖVP zu nix brachte. Ich hoffe, daher, sie wird die Nachfolgerin von Strolz und führt die Neos aus dem Nationalrat. Mark my words.
Ja, er war ein bunter Polithund und
ja, er ging wegen des Glawischnig -Effekts und ja,
die NEOs werden weiter nach links abdriften und damit das Schicksal des Liberalen Forums wiederholen, und
ja, jetzt besteht die Opposition im Parlament nur noch aus Dilos, Hutschenschleuderern und unbedeutenden grauen MäusInnen und Mäusern.
Es läuft nach wie vor alles für türkis-blau. Der Mainstream ist nicht mehr blutrot, sondern hat die Farbe eines schönen azurblauen Alpensees.
Seit Jahrzehnten hatte keine Regierung mehr so günstige Bedingungen wie jetzt.
OT---aber wenn da nicht ALLE Alarm-Glocken schrillen:
"Wien-Mariahilf: Imam will islamischen Staat aus Österreich machen und Scharia einführen"
https://www.unzensuriert.at/content/0026822-Wien-Mariahilf-Imam-will-islamischen-Staat-aus-Oesterreich-machen-und-Scharia?utm_source=Unzensuriert-Infobrief&utm_medium=E-Mail&utm_campaign=Infobrief
NOCH DEUTLICHER geht's wirklich nicht! Das muß doch der linkste Gutmensch begreifen, was die Muselmanen mit Europa vorhaben!
Und was sagt man dazu in der EU???
Im Rücktritt des Vorarlbergers zeigt sich eigentlich auch eine erschreckend-lächerliche Conchita-isierung der westlichen Politik:
Warum muss man nach ein paar Jahren relativ erfolgreicher Provinzial-Politik in einem relativ unbedeutenden Land immer als Heul-Suse sich outend abtreten. Die Welt wird sich weiter drehen, die Karawane weiter von Oase zu Oase schaukeln. Man wird nicht dadurch wichtig, dass die Zeitungen schreiben: "Mit Tränen erstickter Stimme". Angemessen ist ein solcher Gemütszustand einzig und allein bei Totenreden neben dem offenen Sarg seiner Eltern, (Ehe)Partner, Kinder... "Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt." (Thomas Bernhard)
Dem NEOS-Chef STROLZ weine ich keine Träne nach; er wirkt ständig wie aufgezogen---einfach un-natürlich, überspannt. Ich weiß nicht, ob er von Haus aus so überkandidelt war; jedenfalls ist er ein typisches Beispiel von OVERCOACHED. Der COACH Strolz dürfte sich selber eine "Überdosis" verordnet haben. Und dann der Abgang mit tränenerstickter Stimme---meine Güte, sind die Leute von heute denn sooo verweichlicht!?! Fehlte nur noch, daß er ein rosa Kuschelbärchen als Maskottchen dabei gehabt hätte.
Dem Haselsteiner wird er irgendwie abgehen; die beiden haben ja
etwas Gemeinsames---einen unbändigen Geltungsdrang.
Auf jeden Fall hat Strolz mit seiner Partei nicht die von den Linken beabsichtigte, erwünschte Auswirkung gehabt: die FPÖ zu schwächen! Bin neugierig, bis wann diese Partei das Schicksal des LIF erleidet.
Der grösste Fehler von Herrn Strolz war die Annahme (in jeder Bedeutung des Wortes!) der Unterstützung durch den, der sich für den grössten und gescheitesten...Baulöwen hält. Dass das auf Dauer nichts bringt, haben auch schon andere leidvoll feststellen müssen. Und als dann als unerwünschte Nebenwirkung auch noch ein übles Liffossil auftauchte, war eigentlich eh schon alles klar. Schade ist natürlich wirklich um den Unterhaltungswert des Überfliegers im Nationalrat. Aber vieleicht wird ja doch nicht Frau Meinl - Reisinger seine Nachfolgerin, sondern Frau Mlinar? Dann wäre für erstklassige Kabarettnummern reichlich gesorgt.