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Medien: von der Welcome-Euphorie in die Auflagen-Depression

Vielen Medien – besonders den einst als konservativ geltenden – ist es gar nicht gut bekommen, dass sie im Herbst 2015 begeistert den "Refugees Welcome"-Kurs mitgemacht, und dass sie besorgte Bürger als Neonazis denunziert haben. Jetzt beginnen sie zwar zu erkennen, wie falsch sie sich positioniert haben – aber die Leser lassen sich nicht mehr zurückgewinnen.

Das trifft die Papierzeitungen doppelt hart, weil sie ohnedies gleichzeitig weitgehend hilflos der größten Attacke ihrer gesamten Geschichte ausgesetzt sind. Durch Internet-Plattformen, durch Soziale Medien, durch Blogs, durch die vielen – und viel billigeren – Werbeformen via Internet, durch das von Zwangsgebühren lebende Konkurrenzprodukt orf.at.

Riesige Geschäftsfelder sind dadurch total oder weitgehend weggebrochen, von denen viele Zeitungen früher sehr gut leben konnten: Man denke etwa an den Wohnungs- und Häusermarkt, an die Partnersuch-Anzeigen, an den Gebrauchtwagen- und Stellenmarkt. Sie alle sind komplett oder weitgehend aus den Zeitungen verschwunden und erscheinen nun (viel billiger) im Internet.

Dabei haben die meisten Zeitungen immer viel mehr von den Inserenten eingenommen als von den Käufern. Geblieben sind nur die Konsuminserate – aber auch in diesem Sektor ist etwa die Werbung für Banken durch deren eigene Krise und die Negativzinspolitik der EZB weitgehend kollabiert.

Das hat sich bei den deutschen Medien besonders schlimm ausgewirkt, weil diese jeden Morgen ihre Käufer meist erst am Kiosk finden müssen. Oder eben nicht finden. Österreichische Zeitungen hingegen werden zu einem größeren Prozentsatz durch Abonnements und da wieder die nächtliche Hauszustellung an den Leser gebracht. Ein Abonnement zu kündigen ist auch deutlich mühsamer, als einfach ohne Zeitungskauf am Kiosk vorbeizugehen. Überdies gibt es starke Hinweise, dass österreichische Verlage vielfach trotz Abo-Kündigungen ihr Blatt weiter zuzustellen versuchen, wodurch sie schleichend zu Gratiszeitungen mutieren.

Während in Deutschland die veröffentlichten Auflagen ein seriöses Beobachtungsinstrument sind, bevorzugen Medienexperten in Österreich die Zahlen der unabhängigen Media-Analyse, um die Entwicklung bewerten zu können. Diese ist nämlich das einzige Instrument, das von den Verlagen nicht beeinflusst werden kann: Sie beruht einzig auf Befragungen der Menschen durch seriöse Umfrageinstitute, welches Medium man gelesen habe (das geschieht in sehr hohen Befragungszahlen, sodass die Schwankungsbreiten viel geringer sind als etwa bei politischen Umfragen).

Die österreichischen Zahlen für 2017 werden zwar erst in einigen Wochen veröffentlicht werden. Aber auch die früheren Jahre haben schon eine katastrophale Talfahrt gebracht. Dies wird vor allem klar, wenn man die Werte langfristig vergleicht.

So ist etwa der Kurier von 12,7 Prozent im Jahr 1995 auf 7,6 im Jahr 2016 abgestürzt. Die Krone im gleichen Zeitraum von 40,9 auf 30,5. Noch im Jahr 2004 hatte sie mit 43,7 Prozent den Gipfel ihres Erfolgs erreicht gehabt. So schnell kann es gehen.

Noch viel schlimmer hat es die Wochenprodukte erwischt: Der Leseranteil des "Profil" etwa wurde seit 1995 von 8,5 auf 4,5 Prozent fast halbiert. Und das "News" stürzte gar von 19,7 auf 5,1 Prozent (die wichtigsten Vergleichszahlen hier).

Man braucht kein großer Prophet zu sein, um auch für die nächsten Media-Analyse-Veröffentlichungen tiefe Depressionen in den meisten Verlagsdirektionen vorherzusagen.

Atemberaubend ist auch der Blick auf die deutschen Auflagen. Da hat es vor allem die konservativen Blätter getroffen, deren Leser es halt gar nicht goutieren, wenn sie ständig als "Ausländerhasser" denunziert werden. Die größte Katastrophe musste die Bild-Zeitung registrieren. Dort ist die verkaufte Auflage von 2,1 Millionen Mitte 2015 auf 1,5 Millionen eingebrochen. Noch nie in der gesamten Geschichte hat eine Zeitung in so kurzer Zeit so viele Kunden verloren. Auch die "Welt" verlor im gleichen Zeitraum ein Viertel ihrer Käufer. Etwas niedriger, aber ebenfalls signifikant ist der Verlust der FAZ.

Mittlerweile haben die meisten Blätter entdeckt, dass sie ein großes Problem mit der redaktionellen Linie haben. Sie haben diese daher mehr oder weniger radikal zu adjustieren versucht. Die "Bild" etwa, die 2015 "Welcome"-Anstecker und -Aufkleber unters Volk zu bringen versucht hat, hat diese ebenso wie einen Teil der einst Merkel bejubelnden Redaktion entsorgt. Heute befasst sich die Zeitung zunehmend mit der wachsenden Kriminalität von Asylwerbern. Ähnlich kommen bei "Welt" und FAZ nun verstärkt die migrationskritischen Redakteure zu Wort – wobei freilich dort die Gutmenschfraktion noch keineswegs aufgegeben hat.

Aber egal, was die Medien jetzt auch tun: Der Leser ist wie ein scheues Reh. Erst einmal vertrieben, lässt er sich nicht mehr zurücklocken. Viele Leser haben entdeckt, dass man auch ohne Zeitungen recht gut leben kann.

Ähnlich, aber doch anders geht es im Bereich des Fernsehens zu: Denn die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihren Zwangsgebühren haben am allerwenigsten reagieren müssen. Sie betreiben weiter hemmungslosen Welcome-Journalismus, kann ihnen doch der stete Rückgang der Seher und deren Zorn weitgehend egal sein. Die Gebühren zahlen müssen die Konsumenten ja jedenfalls. Schlimmer trifft es Puls4: Der österreichische Privatsender hat in der Gesamtzielgruppe seit 2014 nach unten gehende Marktanteile, obwohl eigentlich ja die Privaten von der ORF-Krise profitieren müssten. Aber Puls4 hatte 2015 den ORF in Sachen Asylantenbegeisterung sogar noch zu übertreffen versucht.

Es kann keinen Zweifel geben, dass sich diese Zahlen in sehr hohem Ausmaß durch die Linie der Berichterstattung zum weitaus wichtigsten Thema des begonnenen Jahrhunderts erklären lassen. In vielen Zeitungs- und Fernsehredaktionen dominiert nämlich seit etlichen Jahren eine Journalistengeneration, der von linken Publizistik-Professoren vermittelt worden war, dass sie die Leser und Seher ideologisch umzuerziehen hätten. Dass die strikte Trennung von Meinung und Bericht, dass Rücksichten auf die Mehrheit der Leser völlig veraltete, ja reaktionäre Einstellungen seien.

Zugleich haben die allermeisten Verleger und Medienbesitzer lange nicht begriffen, dass sie die eigentlichen Opfer solcher Umerziehungs-Redaktionen sind. Dass die Medienkrise keineswegs nur durch das Internet bewirkt worden ist. Dass amoklaufende Redaktionen die Medien und ihre Eigentümer fast noch mehr geschädigt haben als das Internet. Das werden auch noch so viele "Entdeckungen" dubioser Liederbücher nicht revidieren können.

Die verzweifelte wirtschaftliche Lage der Verlage macht freilich klar, dass die moralische Widerstandskraft gegen Bestechungsinserate – wo sich die Politik mit Steuergeldern nicht nur Inseratenflächen, sondern auch gleich die gesamte redaktionelle Linie kauft – sehr, sehr gering geworden ist. Bevor man in Konkurs geht, geht man halt lieber auf den Strich.

PS: Wie ist es im Vergleich zu all dem diesem Tagebuch gegangen? Es hat zwischen den Jahren 2014 und 2017 den weitaus größten Sprung seiner Geschichte nach oben gemacht. Dieser hat vor allem ab September 2015 und dann im ganzen Jahr 2016 unglaubliche Zuwachsraten (auch in Deutschland!) gebracht. Besuche wie Seitenaufrufe liegen nunmehr rund um 50 Prozent höher als 2014. Noch deutlich steiler waren die Zuwächse bei den "eindeutigen Besuchen" (Unique clients).

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