Der Abschuss eines russischen Flugzeugs durch die Türkei im syrischen Grenzgebiet erhöht nicht nur die militärische Eskalation in jenem Raum. Er zeigt auch ganz eindeutig, dass sowohl die Türkei wie Russland lügen.
Es kann nämlich kein Zweifel bestehen, dass der Abschuss nicht wie von Ankara behauptet über türkischem, sondern über syrischem Territorium stattgefunden hat. Dieser Schluss gründet sich erst in zweiter und dritter Linie darauf, dass moderne Kampfflugzeuge diesbezüglich sehr genau zu programmieren sind, und dass Russland absolut null Interesse hat, sich mit der Türkei direkt anzulegen.
In erster Linie wird der Ort des Abschusses aber dadurch bewiesen, dass die beiden mit Fallschirm abgesprungenen Piloten auf syrischem Boden gelandet sind und sich in den Händen einer der in Syrien kämpfenden Milizen befinden; wobei vorerst nur unklar ist, ob tot oder lebendig.
Nun soll hier nicht darüber geurteilt werden, ob diese von der Türkei unterstützte Miliz eine gute oder eine böse ist. Es geht nur darum, festzuhalten, dass die Türkei schlicht lügt, wenn sie behauptet, dass der Abschuss über türkischem Boden stattgefunden hat. Sie hat ganz offensichtlich nicht nur seit Jahren den „Islamischen Staat“ unterstützt, sondern verficht jetzt auch ganz eigene, imperiale Interessen auf syrischem Boden, die durch nur scheinbar unabhängig agierende turkmenische Milizen vorangetragen werden, die aber von der Türkei aus der Luft geschützt werden.
Es zeigt sich aber auch, dass Russland lügt, wenn es bei den internationalen Syrien-Gesprächen behauptet, jetzt, nach der Explosion einer islamischen Bombe an Bord eines anderen - viel größeren - russischen Flugzeugs nur noch gegen den „Islamischen Staat“ zu kämpfen. In der Gegend des Abschussortes gibt es keinen solchen.
Damit sind die Hoffnungen der letzten Wochen zertrümmert, dass es jetzt endlich doch zu einer großen internationalen Koalition gegen den „Islamischen Staat“ und zu einer Befriedung Syriens kommen wird. Damit wird es auch immer lächerlicher, wenn die EU glaubt, dass ausgerechnet diese Türkei die EU-Außengrenzen gegen den Migrantenansturm schützen wird. Unternimmt die Türkei doch offensichtlich nicht einmal etwas dagegen, dass zehntausende Afghanen durch die Türkei nach Europa ziehen.
Damit wird vor allem die Gefahr immer größer, dass aus einem Stellvertreterkrieg, in dem diverse syrische Kampfgruppen diversen äußeren Mächten (Türkei, Russland, Iran, die USA, Frankreich, Saudi-Arabien und auch Deutschland) nahestehen, eine direkte Konfrontation zwischen diesen Mächten wird.
Diese Gefahr ist vor allem zwischen Türken und Russen gewaltig: Denn – was in Europa vielen nicht bewusst ist – auch auf der von Russland okkupierten Krim stehen die Interessen der beiden Mächte frontal gegeneinander. Die sogenannten Krim-Tataren gelten für die Türken als die „Unsrigen“, die von den Russen dort derzeit böse marginalisiert werden, und die jetzt zunehmend mit Sabotage-Aktionen gegen die Russen agitieren.
In Ankara freut man sich über die Möglichkeit, die Russen jetzt in Syrien demütigen zu können, die auf der Krim eine türkische Volksgruppe gedemütigt haben. Und es ist alles andere als ein Zufall, dass es die Ukraine war, die der Türkei als erste gratulierte.
In Moskau hingegen muss man jetzt zunehmend zur Erkenntnis kommen, dass sich nicht nur die Amerikaner im nahöstlichen Chaos blutige Köpfe holen können, sondern auch die Russen selbst. Das ist ihnen ja schon einmal 1980 bei ihrer Afghanistan-Invasion passiert, in deren Gefolge das islamistische Unheil eigentlich erst angefangen hat. In Russland muss sich jetzt zunehmend Rat- und Hilflosigkeit breitmachen, wie man aus all dem wieder herauskommt. Gedemütigt den Schwanz einziehen ist aber das letzte, wozu ein Macho-Typ wie Wladimir Putin bereit ist (und irgendwie wäre man auch froh darüber, wenn die Russen in Syrien doch erfolgreich sein könnten; sind sie doch fast die Einzigen, die den nahöstlichen Christen noch eine Überlebensperspektive geben würden).
Zweite Wurzel der gewalttätigen Radikalisierung des vorher jahrhundertelang eher friedlichen Islams war übrigens damals fast gleichzeitig die blutige Besetzung der großen Moschee in Mekka 1979 mit weit über 300 Toten. Diese ist durch islamische Fanatiker ausgelöst worden, welche damals das Ende der Welt prophezeit haben. Das Blutbad ist von den damaligen iranischen Ayatollahs und anderen Extremisten dem (völlig unbeteiligten) Westen in die Schuhe geschoben worden. So wie ja auch jetzt „die Juden“, „die Amerikaner“, „die Christen“ für viele Moslems die Täter der Pariser Massaker sind.
Geschichtsbewussten Menschen wird in diesen Stunden seit dem Luft-Zwischenfall aber auch noch etwas anderes in den Kopf kommen: Der russisch-türkische Antagonismus ist eine der Hauptursachen schon des Ersten Weltkriegs gewesen. Er war viel kausaler als etwa die in Wien gern diskutierte Frage, warum Franz Ferdinands Chauffeur in Sarajewo falsch abgebogen ist.
Die Geschichte hilft, viele der heutigen Vorgänge zu verstehen und einzuordnen. Eine Lösung bietet aber auch sie nicht.
PS: Eine bisher immer verbotene Diskussion wird jetzt aber auch im Westen unvermeidlich: Es gibt in Wahrheit überhaupt keinen Grund mehr, mit der Türkei noch in der Nato in einem Bündnis mit bedingungsloser Beistandspflicht verbunden zu sein. Die Türkei fühlt sich einer globalen sunnitischen Bewegung bis hin zum "Islamischen Staat" weit mehr verbunden als irgendwelchen westlichen Werten. Je früher man das im Westen erkennt, umso besser.
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Es muss nicht zwingen bedeuten, dass Russland lügt, nur weil der Abschuss über einem Gebiet stattgefunden hat, welches nicht von dem IS besetzt ist. Ein solcher Flieger muss auch irgendwann heimkehren und nach Angaben der syrischen Behörden, flog dieser Flieger gerade von einem Einsatz gegen den IS zurück.
Klartext wie immer. Danke.
Und danke für den Mut, auch das PS zu schreiben.
Das ist mehr als Klartext!
Die türkischen Großmacht- und Weltbeherrschungsträume sind nicht neu. Daß Erdogan ausgerechnet in Wien Suleiman und Mehmet IV. in seiner Ansprache vor in Wien lebenden Türken lobend und als Vorbild hervorhebt, daß jedes Jahr in Konstantinopel der osmanischen Eroberung gedacht wird, daß die Türkei heimlich den IS unterstützt, und daß die Türkei jetzt den bewaffneten Aufstand gegen die syrische Regierung fördert, paßt ins Bild. Eine kleine, westlich orientierte Bildungsschicht in Konstantinopel, die in unseren Medien gerne oft als repräsentativ hingestellt wird, spielt dort leider keine Rolle.
Wo ist der Aufschrei im Westen? Wo sind die Sanktionen gegen die Türkei wie sie gegen Rußland verhängt wurden? Es wird sich nichts ändern, denn der größte Kriegstreiber in dieser Region sind die USA zusammen mit ihren "Verbündeten", die alle ihre eigenen, nationalistischen Interessen verfolgen und sich um Völkerrecht nur dann kümmern, wenn es ihnen nützt. All diese Probleme gäbe es erst gar nicht, mischten sich die USA nicht überall auf der Welt - und speziell dort auch die Türkei und andere islamische Staaten - in fremde Staaten ein. All diese Staaten sollten einmal vor der eigenen Haustür kehren.
Rußland und Putin liegen schon richtig, daß man in Syrien die Ordnung nur dann wiederherstellen kann, wenn man
a) ALLE Kleinkriegskräfte (auch die von der Türkei unterstützten) entwaffnet und bekämpft
b) die Staatsgewalt der syrischen Regierung wieder herstellt.
Das müßte unser aller Interesse sein. Rußland ist offiziell darum von Syrien gebeten worden. Alle anderen Methoden sind zum Scheitern verurteilt.
Heuer wurde eines Ereignisses leider nicht gebührend gedacht: 200 Jahre Wiener Kongreß, und Metternich! Damals ist eine Friedensordnung unter gleichberechtigten Partnern - gemeinsam mit Rußland - geschaffen worden. Spätestens im Krimkrieg war es damit aber wieder vorbei, weil im Nordwesten nationale Interessen globalisiert wurden.
Die zweite Friedensperiode wurde nach dem 2. Weltkrieg durch Adenauer bzw. später Kohl und Gorbatschow (u.a.) mit dem gemeinsamen Haus Europa eingeläutet. Das ist leider auch wieder vom Westen her zertrümmert worden. Die beste Voraussetzung für eine friedliche Lösung wäre, wenn sich die USA aus der Weltpolitik heraushielten. Von dort ist in der letzten Zeit leider fast nur Unheil gekommen.
Im Krimkrieg von 1853-56 beging Österreich den folgenschweren Fehler, Rußland nicht gegen die Türkei und ihre Verbündeten beizustehen. Damit ging die Achse Wien-St. Petersburg zu Bruch, die seit dem Wiener Kongreß Stabilität für Europa gebracht hatte.
Heute unterstützt die Türkei kaum verhüllt den terroristischen Islamischen Staat und sie spielt offensichtlich eine Schlüsselrolle bei der Masseninvasion von Moslems über den Westbalkan auf die Achse Österreich-Deutschland-Schweden. Erdogan hat erklärt, daß die Ausbreitung des Islam sein Ziel ist; er hat auch gesagt: "Es gibt keinen Islamismus, es gibt nur den Islam."
Und nun dieser Abschuß, der einen völlig unnötigen Schritt der Eskalation darstellt.
Wessen Verbündeter ist die Türkei?
Selbst wenn die türkische Version stimmen sollte, so ist doch ein Überflug von 17 (!) Sekunden relativ kurz. Noch dazu ist die von den Türken gemachte Kilometerangabe so kurz, daß der russische Flieger wohl gesegelt sein muss – sehr glaubwürdig!
Aber bleiben wir bei den 17 Sekunden. Die Türken hätten da mehrfach(!) gewarnt. Reife Leistung.
Und dann wird der SAR-Hubschrauber auch noch mit einer amerikanischen Rakete abgeschossen! Während die aus NATO-Sicht 'gemäßigten' Rebellen, die am Fallschirm hängenden, Piloten beschiessen.
Ein paar Tage davor werden im NATO Vasallenstaat Ukraine die Strommasten in Richtung Krim gesprengt.
Die Schlussfolgerung muss wohl sein: Die NATO will Krieg, keine sehr erbauliche Aussicht.
Die Soverenität der Türkei war in keiner Weise durch einen unbedeutenden Überflug bedroht. Die aggressive Haltung von Obama und der Nato empört mich zutiefst, ebenso die Ermordung wehrloser Piloten
zum heutigen 25. November 2015
möchte ich an Martin Luther erinnern,
der vor 478 Jahren am 25. November 1537 gesagt haben soll:
“…wenn der jüngste Tag nicht kommt, so wird doch der Türke einmal kommen und mit uns so umgehen, dass wir sagen werden: Hier war mal Deutschland.”