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Von Metternich zu Faymann: Dreimal schlechtes Regierungsgewissen

Gleich drei große Gesetzespakete sind an einem Tag durch den Ministerrat gejagt worden. Allein dieses Faktum macht extrem stutzig. Denn jede Koalition, die minimales Marketing-Knowhow hat, würde diese Pakete auf drei verschiedene Ministerräte aufteilen – wenn es gute Gesetze wären, die gute Stimmung verbreiten könnten.

Aber die Akteure wissen ganz genau: In allen drei Paketen sind ganz üble Inhalte verpackt. Sie bringen den Bürgern vor allem eine (weitere) Fülle von Belastungen, Freiheitsbeschränkungen und Machtanmaßung der Obrigkeit. Dahinter geht die einzig positive Nachricht, nämlich die – vorübergehende – Entschärfung der Einkommensteuer-Progression ganz unter. Bis sie dann als Folge eines höheren Grenzsteuersatzes viel stärker steigen wird.

Diese Tatsache erklärt freilich die Taktik von Rot und Schwarz, alles im Schnellverfahren durchzupeitschen. Sie hoffen, dass der Unmut gar nicht richtig dazu kommt, sich zu artikulieren, weil er aus zu vielen Ecken kommt; weil es zu viele neue Schikanen zu kritisieren gibt; weil bis zuletzt durch nächtliche Last-Minute-Verhandlungen auch vieles noch im Dunkeln gehalten worden ist; und weil man ja auch jetzt noch empörten Bürgern zuraunen kann, dass im Parlament eh noch nachgebessert werde. Bis dann alles plötzlich im Bundesgesetzblatt steht. Wonach dann leider, leider nichts mehr nachgebessert werden kann.

Insofern hat also das politische Marketing der Koalition funktioniert. Man verstecke schlechte Nachrichten. Am Unmut und Zorn der Bürger wird das alles freilich nichts ändern. Ebensowenig wie dazu der von der Regierung umgehend inszenierte Aufmarsch der Weihrauch-Produzenten Heinz Fischer, Wifo, ÖGB und dreier westlicher ÖVP-Landeshauptleute imstande ist. Das sind allesamt Menschen, deren Glaubwürdigkeit schon lange vor dem koalitionären Dreifachschlag schwer ramponiert war. Nur der ORF fehlte diesmal überraschenderweise.

Am meisten empört macht aber, wenn man an den Vergleich mit anderen Materien denkt: Während die Koalition im Expresstempo Gesetze durchpeitscht, welche die Bürger finanziell vielfältig belasten, in ihrer Meinungsfreiheit weiter einschränken, und bis auf die Unterhose entblößen und transparent machen, ist sie bei drei anderen Materien schon seit Jahren total säumig (und total schweigsam):

  1. Bei der Realisierung der Transparenzdatenbank, die schon der vorletzte Finanzminister groß angekündigt hatte. Dabei sollte es nicht um die Transparenz der Bürger vor der Politik gehen, sondern um die Transparenz der Politik vor den Bürgern. Es ginge darum, was die Politik mit unserem Geld (und den Schulden zu Lasten unserer Kinder) macht, welche Unsinnigkeiten sie – oft auch mehrfach – fördert und welche parteinahen Vereine und NGOs da abkassieren. Aber diese Transparenzdatenbank kommt halt einfach nicht. Wohlweislich.
  2. Bei der ebenfalls schon jahrelang versprochenen „Informationsfreiheit“, mit der die Österreicher erstmals ein Recht auf Einblick in das konkrete Agieren von Politik und Verwaltung bekommen würden, mit der vor allem Misswirtschaft, Korruption und Faulheit viel besser aufgedeckt werden könnte. Inzwischen hat man aber dieses Wahlkampfversprechen längst schubladisiert beziehungsweise durch den Gummibegriff „Datenschutz“ unschädlich gemacht. Es wird Null Transparenz geben.
  3. Bei der immer wieder versprochenen Direkten Demokratie, die aber in Ausschüssen und immer neuen Expertenrunden auf eine unendlich lange Bank geschoben worden ist. Vor zwei Jahren hat man noch konkret darüber geredet, wie die Direkte Demokratie genau aussehen kann. Heute gibt es nur noch Schweigen oder allgemeines Blabla. Denn (fast) alle Politiker sind sich insgeheim einig: Die Bürger müssen entmündigt bleiben, die sind doch viel zu blöd, die könnten am Ende falsch entscheiden (also nicht so weise wie die Politik . . .).

Mit anderen Worten: Dort, wo die Macht oder gar das Geld der politischen Herrschaftsklasse beschränkt worden wäre, geschieht absolut nichts. Umso mehr passiert in der Gegenrichtung, wo der Bürger neuerlich das Opfer der Politik ist.

Aber nun zu jenen Gesetzen, die sehr wohl von der Regierung im Schnellverfahren beschlossen worden sind.

Urheberrechtsgesetz

Durch dieses Gesetz werden künftig alle „Speichermedien“ mit einer neuen Abgabe belegt. Sie werden damit deutlich teurer. Das sind nicht nur Festplatten und PCs, sondern etwa auch jedes moderne Handy. Das gilt freilich nur, wenn sie in Österreich gekauft werden. Das trifft die Konsumenten, aber auch den Handel. Viele Konsumenten werden halt künftig solche Produkte im Ausland kaufen. Nutznießer der Abgabe sind Autoren, Künstler und Print-Journalisten, weil mit solchen Speichermedien angeblich die Werke dieser Menschen ständig kopiert und gespeichert werden.

In Wahrheit haben diese Nutznießer eine laute Lobby, die heftig Druck auf die Politik gemacht hat. Zahlendes Opfer sind hingegen wieder einmal die Konsumenten, die halt nie laut sind und die von niemandem vertreten werden (besonders naive Konsumenten glauben, dass die Arbeiterkammer ihre Interessen vertreten würde – was fast schon wieder heiter ist).

Übrigens: Nur im Internet erscheinende Texte – wie etwa dieses Tagebuch – werden im Gegensatz zu den Printtexten trotz der großen Leserzahl, die jeden Eintrag im Tagebuch liest, nicht bedacht. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie kopiert und gespeichert werden, genauso groß wie bei Printartikeln. Aber Blogger&Co sind halt unabhängige Einzelkämpfer und nicht zu Lobby- und Erpressungsverbänden zusammengeschlossen, die sich gegen eine solche vollkommen gleichheitswidrige Bestimmung wehren würden.

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich würde diese „Speichermedienabgabe“ auch dann ablehnen, wenn diese unsachliche Diskriminierung eines Tages beendet würde.

Einziges Positivum an der Urheberrechtsnovelle: Der „Leistungsschutz“ ist entgegen ursprünglichen Planungen vorerst doch nicht enthalten. Österreich fragt da jetzt lieber einmal in der EU nach, ob das möglich ist.

Dieser Leistungsschutz wäre jedenfalls ein Unding. Er würde den Zeitungsverlagen das Recht auf eine Beteiligung an den Werbeeinnahmen von Google geben. Begründung: Bei der Stichwort-Suche auf Google findet man ja oft Hinweise auf Zeitungsartikel zu dem gesuchten Thema. Was zweifellos im Interesse der Zeitungen ist; denn sobald jemand bei Google den Zeitungsartikel anklickt, sieht er auch die Werbung auf der Internetseite der Zeitung. Das ist also durchaus ein Nutzen von Google für die Zeitungen, die ja dann an dieser Werbung auf ihren Seiten verdienen.

Google hat jedenfalls sofort angekündigt: Wenn in Österreich – oder anderen Ländern – die Verweise auf Zeitungsartikel abgabepflichtig werden, wird Google sofort die betreffenden Zeitungen und all ihre Artikel aus seinen Suchmaschinen streichen. Dann können die Verlage nicht mehr jammern, dass Google an ihren Artikeln verdienen würde.

Jedoch: Das ist den Verlagen auch wieder nicht recht. Weil dann ja mit Sicherheit viel seltener User auf ihre Seiten finden werden. Ziemlich schizophren. Jetzt wollen die Verlage allen Ernstes das gerade noch so bekämpfte Google mit Hilfe von Staat und EU zwingen, sie weiterhin zu veröffentlichen. Und auch noch dafür zu bezahlen. Das ist verdammt ähnlich einer Zwangsarbeit.

In einem normalen Rechtsstaat wäre man zwar sicher, dass ein so skurriles Ansinnen scheitern würde. Aber in Österreich und der EU wäre ich mir nach etlichen Urteilen der jüngsten Zeit nicht mehr so sicher.

Strafgesetzbuch

Warum diese Novelle kommt – die umfangreichste seit langem –, kann überhaupt nur durch einen Faktor erklärt werden: Justizminister Wolfgang Brandstetter, selbst Strafrechtsprofessor, brennt vor Ehrgeiz, sich mit einem umfangreichen Gesetz in der Geschichte der Jurisprudenz zu verewigen.

Dafür war er offensichtlich bereit, jede noch so abwegige Forderung von Feminismus, Meinungsüberwachern und Political Correctness zu erfüllen.

Abgesehen von einer Entschärfung der Formulierung zum neueingeführten (natürlich juristisch anders lautenden) Delikt „Pograpschen“ hat die Regierung keine Verbesserung an einem von Anfang an üblen und überflüssigen Gesetz vorgenommen. Und selbst zum „Pograpschen“ hat Brandstetter eine demaskierende Argumentation gefunden: „Ich kann nur sagen, das ist schon mangels Kavalier kein Kavaliersdelikt.“

Mit diesen Worten hat er den Ungeist enthüllt, der fast das gesamte Handeln dieser regulierungswütigen Obergouvernanten-Regierung prägt: Wer sich nicht wie ein Kavalier benimmt, muss mit dem Strafrecht, also der schärfsten Artillerie des Staates zur Räson gebracht werden. Auf den Gedanken, dass Nicht-Kavaliersdelikte, Erziehungsmängel, Ungehörigkeiten in einem liberalen Land weniger radikale – oder gar keine staatlichen – Konsequenzen haben könnten, kommt er gar nicht.

Ohne dass hier alle – vielfach auch bedeutungsfreien – Punkte des Brandstetter-Gesetzes aufgezählt werden können, ein paar besonders üble Highlights (die eigentlich Lowlights heißen müssten):

  • Landfriedensbruch – in Zeiten eskalierender Gewalt linker Profi-Demonstranten und extremistischer NGOs ein zunehmend häufigeres Delikt – wird künftig viel seltener strafbar sein: Selbst schwere Sachbeschädigung durch eine vermummte grünrote Kampfgruppe a la „Schwarzer Block“ wird für den einzelnen Mittäter im Gegensatz zu bisher nicht mehr strafbar sein, wenn ihm nicht ganz konkret und persönlich die Tat nachgewiesen werden kann. Was aber natürlich nur sehr selten gelingt.
  • Noch provozierender ist, dass in einem einzigen Fall die schwere Sachbeschädigung doch strafbar bleibt: Wenn es um wichtige Infrastruktur geht. Also: Dem jüdischen Innenstadtjuwelier darf man künftig im Kollektiv das Geschäft verwüsten (wie im Vorjahr passiert!), eine U-Bahn-Station der Gemeinde Wien jedoch nicht. Übelste Klassenjustiz der Obrigkeit, die nur noch den Staat schützt, aber nicht mehr den normalen Bürger.
  • Ein weiteres Ärgernis ist die Erleichterung für ausländische Ladendiebe durch die Novelle, auch wenn jetzt eine Neuformulierung erfolgt ist. Was die wirklich bedeutet, wird wohl erst die Judikatur zeigen.
  • Das Allerschlimmste aber an diesem Gesetz bleibt die Ausweitung der Strafbarkeit angeblicher Verhetzung. Dies nicht nur deshalb, weil Brandstetter noch vor wenigen Monaten haargenau das Gegenteil angekündigt hatte. Sondern vor allem, weil es eine arge Verschärfung eines reinen Meinungsdeliktes bedeutet, also eigentlich in einem Rechtsstaat nichts verloren hat.
  • Bei dieser Kritik geht es wohlgemerkt nicht um die Strafbarkeit der Aufforderung zur Gewalt. Das ist total in Ordnung. Aber einen so diffusen und rein verbalen Tatbestand wie „Aufstacheln zu Hass“ mit zwei bis drei Jahren Hass – pardon: Haft zu verfolgen, stößt Österreich in die Zeiten des tiefsten Vormärz zurück. Damit fehlt künftig die Legitimation, glaubwürdig gegen die Bestrafung von Meinungsdelikten in Saudi-Arabien, Iran, der Türkei, Nordkorea, Venezuela oder anderen Diktaturen zu protestieren. Wie etwa Kasachstan - aber da schweigt man, weil die halbe Sozialdemokratie fett auf der Payroll steht.
  • Absurd ist es auch, den Glauben an das Vorliegen bestimmter Völkermorde durch Strafandrohung durchsetzen zu wollen. In Wahrheit müsste ja, wenn dieser Paragraph ernst genommen würde, die halbe türkische Einwohnerschaft Österreichs verurteilt werden, die keinen Völkermord an den Armeniern kennen will. Hat da irgendwer im Justizministerium mitgedacht, was man da anrichtet?
  • Das besonders Perverse an diesem Gesetz: Es schützt zwar die Lieblinge der Linken, also Moslems und Schwule, gegen eine angebliche oder wirkliche Aufstachelung zum Hass, aber nicht Bauern, Unternehmer, Reiche, österreichische Staatsbürger oder Priester.

Es ist letztlich eine totale Selbstkastration, dass es ausgerechnet ein ÖVP-Minister ist, der das alles vorgeschlagen hat. Ich warte mit gar nicht so klammheimlicher Freude auf den Zeitpunkt, da die Grünen zum ersten Mal einen ÖVP-Abgeordneten wegen „Verhetzung“ anzeigen werden, der da jetzt in braver Fraktionsdisziplin dem Gesetz im Parlament zustimmt. Die Grünen bezeichnen ja ohnedies schon bisher jeden als „Hetzer“, der nicht ihrer Meinung ist, der etwa meint, dass es staatliche Förderung nur für heterosexuelle Eltern geben solle. Und sie sind auch jetzt schon ständig mit Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft vorstellig.

Das Steuerpaket

Dessen gravierende Nachteile sind hier schon mehrfach aufgezählt worden. Praktisch nichts davon ist in der jetzt vorgelegten Novelle ausgebessert worden. So gibt es etwa weiterhin keinen funktionierenden Rechtsschutz gegen willkürliche Kontenöffnung durch die Finanz. So gibt es durchwegs nur Maßnahmen, die Investoren abschrecken, und keine einzige, die sie anlocken, hier Arbeitsplätze zu schaffen.

Im Gegenteil: Die Umverteilung zugunsten niedriger Einkommen und Pensionen zulasten der Leistungsträger ist noch insofern ausgebaut worden, als die sogenannte Arbeitnehmerveranlagung jetzt von Amtswegen erfolgen wird. Das ist zwar harmlos, zeigt aber, wer sich da in der Regierung ständig durchsetzt.

Im Gegenteil: Die familien- und unternehmerfeindliche Grunderwerbssteuer bleibt nicht nur, sie ist in der Regierung sogar verschärft worden. Wenn beispielsweise Vater und Mutter ein Haus besitzen und binnen fünf Jahren versterben, werden für die Berechnung der Grunderwerbssteuer die beiden Erbschaften zusammengerechnet. Was natürlich eine höhere Steuerlast ergibt.

Die ÖVP kann ihre Wähler nicht einmal damit trösten, dass im Gegenzug für alle negativen Botschaften die Erbschafts- und Schenkungssteuer endgültig verhindert worden ist. Denn fast zur gleichen Stunde, da das Steuerpaket durch die Regierung ging, verkündete Arbeiterkammer-Präsident Kaske bereits: „Das Thema vermögensbezogene Steuern, also Vermögens- und Erbschaftssteuern, bleibt am Tisch, da werden wir nicht locker lassen.“ Diese Androhung lässt nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig.

In Summe ein beschämender Tag. Und in Wahrheit tut mein oben gemachter Vergleich mit Metternich dem Vormärz bitter Unrecht. Damals gab es zwar auch nicht viel Meinungsfreiheit, aber es gab dafür auch nicht die totale Auspressung der Bürger durch eine aggressive Finanz.

1819 wurde unter Metternich und Gentz das Bankgeheimnis eingeführt. 2015 wurde es unter Faymann, Mitterlehner und Schelling wieder abgeschafft. Eine historische Leistung.

 

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