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Die „systemische“ Krise

Ist von der „systemischen Krise“ die Rede, so denkt jeder sogleich an die Finanzmärkte mit den Banken, die „zu groß sind um sie Pleite gehen zu lassen“, an die sich auftürmenden Risiken aus Derivatgeschäften, an Hedgefonds und ihre Spekulationen gegen ganze Staaten, an die Bailouts und Rettungsfonds, die durch ihre Auflagen die „Fahrt ins Verderben“ (Hans-Werner Sinn) noch beschleunigen, statt sie aufzuhalten, oder an die Gipfelbeschlüsse zur Lösung der Euro-Krise mit immer kürzeren Halbwertzeiten. Was gestern noch tabu war – Staatspleite, Schuldenschnitt, Bailout, Staatsschuldenfinanzierung durch die EZB, Hebelung, Austritt – wird heute zur Option und in diversen Szenarios durchgespielt.

Aus dem Theater um die Griechenlandhilfe ist inzwischen eine veritable Systemkrise der Euro-Zone entstanden. Achtzig Prozent der Deutschen oder der Österreicher lehnen laut Umfragen die Zahlungen für Griechenland ab. Jetzt wird die Notwendigkeit oder auch Zweckmäßigkeit eines Austritts aus der Währungsunion selbst von Merkel oder Sarkozy offen angesprochen. Die Nichtbeteiligung einzelner Staaten an Rettungsschirmen oder ihrer Aufstockung wird gebilligt (Slowakei). Sondervereinbarungen zur Beschränkung des Haftungsrisikos sind aushandelbar (Finnland).

Die Spaltung und Aufsplitterung der Euro-Zone vollzieht sich bereits. Die verzweifelten Versuche, sie durch immer neue Ankündigungen von „im Detail noch auszuarbeitenden Projekten“ aufzuhalten, bleiben wirkungslos. Die schleichende Übertragung von Souveränitäts- und Eingriffsrechen unter so wolkigen Vorhaben wie „Koordination der Wirtschaftspolitik“, „Wirtschaftsregierung“, „Europäisches Semester“,  „Euro plus-Pakt“, „Schuldenbremse“, „Stabilitäts- und Wachstumspakt“, „Selbstverpflichtung“, „vorbeugende Haushaltskontrolle“, „Verschärfung der Stabilitätskriterien“, „Sparauflagen“ „Strafzahlungen“, Einsetzung von „Finanzkommissären“ bei Schuldensündern, „Durchgriffsrechte“ usw. stoßen zunehmend auf Widerstand und fördern die politische Instabilität.

Regierungen zerbrechen, die Bevölkerung protestiert, Gewerkschaften legen mit Streiks das Land lahm, Parlamente werden gestürmt, Banken belagert, Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert, ganze Stadtviertel beginnen zu brennen. Mit Knüppeln, Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gelingt es Polizei und Schutztruppen das Versinken in Anarchie zu verhindern, doch wie lange noch? Das politische System wankt. Gerademal 13 Prozent der Bevölkerung in Österreich haben noch Vertrauen in die Problemslösungskompetenz der Politik (Presse vom 11. Nov., S 1), 82 Prozent misstrauen Politikern (Standard, 30. Nov., S. 1).

Die von Finanztechnokraten ins Spiel gebrachten „Special Purpose Vehicles“, die mit Ablaufdatum 2013 versehene „European Financial Stability Facility“ und der noch zu schaffende, permante „European Stability Mechanism“, konnten die Finanzmärkte nicht beruhigen. Mit ihrer Hilfe wird „bloß Zeit gekauft“, die grundlegenden Probleme – Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum – werden jedoch nicht behoben. Die Aufstockung des EFSF von ursprünglich 500 auf 780 Milliarden Euro erwies sich schon nach wenigen Tagen als unzureichend, die „Hebelung“ auf die von der Finanzindustrie geforderten 3 Billionen als undurchführbar. Die Öffnung der Schleusen für einen unbegrenzten Geldfluß aus der EZB zwecks Finanzierung von Staatsschulden scheint deshalb nur noch eine Frage der Zeit. Die Inflation zeigt bereits ihre Krallen.

Falsche Grundideen der EU-Integration

Alle diese Versuche oder Vehikel-Kreationen konnten den „Geburtsfehler des Euro“ (ehemaliger EG-Botschafter M. Scheich) nicht beheben. Ein einziger Maßanzug passt nicht für Dicke und Dünne, Große und Kleine, es braucht schon jeder Staat seinen eigenen, für ihn passenden Anzug, d. h. seine eigene Währung. An der Unbehebbarkeit des „Geburtsfehlers“ scheitert der Euro, denn die „Vereinigten Staaten von Europa“, die seine Voraussetzung sind, werden von allen Völkern dieses Kontinents mit überwältigenden Mehrheiten abgelehnt. Sie schrittweise und durch die Hintertür einzuführen, funktioniert nicht.

Am Geld und beim Erben sind oft genug schon die engsten Verwandtschaften zerbrochen. Aus der EU kann nie eine Haftungs-, Schulden-, Transfer- und Fiskalunion werden, das widerspricht den unaufgebbaren nationalen Interessen ihrer Mitglieder. Gegen „das Volk“ kann auf Dauer nicht regiert werden. Der Stimmenzuwachs von Rechtsparteien, die sich zum Vorrang der nationalen Interessen bekennen, spricht eine eindeutige und nicht mehr überhörbare Sprache. Der Euro spaltet nicht nur die Mitglieder innerhalb der Eurozone, er vertieft auch die schon seit langem bestehenden Risse in der Europäischen Union zwischen den Euro-Zonenmitgliedern und Nichtmitgliedern, zwischen den Mitgliedern auf dem Festland und der britischen Insel.

Das ganze System und Konzept einer europäischen politischen Union mit dem Endziel von „Vereinigten Staaten von Europa“ vor Augen, wird mehr und mehr infrage gestellt. War es eine „idée fausse“, wie sie einst die Kommunistische Internationale oder Kant mit seiner „Weltfriedensgemeinschaft“ pflegte? Letztere fand immerhin in Völkerbund und UNO in Ansätzen Verwirklichung – doch die rund 200 kriegerischen Auseinandersetzungen seit dem Ende des 2. Weltkriegs, der nun permanent gewordene „Krieg gegen den Terror“, die Verwerfungen in Afrika und Lateinamerika, das seit bald hundert Jahren glimmende Glutnest im Nahen Osten, jederzeit fähig einen Weltbrand auszulösen – verweisen die Hoffnung auf Weltfrieden ins Reich der Träume.

Der Kampf um Macht und Vormacht, um geistige und materielle Ressourcen, um Einfluss und Profit wird in unserer Welt und auch unter den Völkern Europas nie enden. Sie in einem „Europa der Vaterländer“ zusammenzuhalten, sie auf ihre Facon leben zu lassen und in Fragen des gemeinsamen Interesses zur Kooperation zu bringen, das erscheint viel richtiger und wichtiger als krampfhaft eine Währungs- und neuerdings Fiskalunion gegen den Willen der Völker durchzusetzen. Die EU sollte eine Allianz sein, „that understands and values national identity and sees the diversity of Europe’s nations as source of strength,” sprach der britische Premier David Cameron am 14. November wohl fast allen europäischen Völkern aus dem Herzen.

Die Systemkrise von EU, Euro und Banken führte bereits zu solchen Betitelungen, wie „der Euro kollabiert“, „die Europäische Union zerfällt“, „Europa schafft sich ab“, „der gemeinsame Markt wird als Bedrohung empfunden“, „Demokratie ist Ramsch“, „Chaos droht“. Der Zweifel an der Zweckmäßigkeit unseres, auf EU und Euro ausgerichteten politischen Systems wächst und füllt sogar schon die Spalten der Massenmedien.

Glaubensabfall als Wurzel allen Übels

Dieser Zweifel hängt wohl damit zusammen, dass uns die Maßstäbe der Unterscheidung abhanden gekommen sind, was denn nun eigentlich richtig oder unrichtig, wahr oder falsch, dem Gemeinwohl förderlich oder abträglich, dem Bürger zumutbar oder unzumutbar, moralisch vertretbar oder unvertretbar, gerecht oder ungerecht ist. Wegen des Vorrangs von Moral und Ethik vor Politik und Finanz ist die Wurzel unserer „systemischen Krise“ in der Erschütterung unseres Wertesystems zu suchen und zu finden.

Wenn Staatschefs Recht und Verfassung brechen, Finanzminister Steuern hinterziehen und sich an der Geldwäsche beteiligen, Innenminister Lobbyismus betreiben, Verteidigungsminister für Rüstungskäufe Provisionen scheffeln, Landeshauptleute und Bürgermeister mit Derivaten spekulieren, die Bundesbahnen öffentliche Gelder statt Waggons verschieben, Gewerkschaften ihre Streikfonds ausräumen lassen, Verbund und Länder unsere Kraftwerke verhökern, unsere Großbanken das ihnen anvertraute Volksvermögen im Ausland versenken, statt im Inland zu investieren oder zu helfen, die Auslandsschulden des Staates abzubauen, Pensionskassen Angespartes verspielen, Wohnbauförderungsfonds durch Finanzwetten Verluste von hunderten Millionen Euro einfahren, dann ist die Frage berechtigt, was in unserem Staate eigentlich noch gilt? Nur noch Korruption? Nur noch Lug und Trug? Nur noch das gebrochene Wort?

Doch abgesehen von diesen Aufregern, die dank massenmedialen Echos berechtigtes Empören auslösen und unser politisches Interesse gefangen nehmen, sollten wir uns eigentlich ernstlich fragen: Was anderes als korrupte „Strukturen der Sünde“ kann denn ein Gesellschaftssystem hervorbringen, das zu seinem Motor des Fortschritts und des Wachstums „das Verlangen nach Macht und die Gier nach Profit“ (Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis) gemacht hat?

Wie kann eine Gemeinschaft auf Dauer bestehen, die sich dem Markt unterordnet und mit dem Prinzip des freien Wettbewerbs einer halsabschneiderischen Konkurrenz den Weg bereitet, der dazu führt, den Mitbewerber im Kampf um Marktanteile aus dem Markt zu drängen und ihm seine Existenzgrundlage zu nehmen? Zerreißen da nicht alle Ligaturen, welche Familien, Nachbarschaften, Gemeinden, Genossenschaften, Standesvertretungen, Kammern und Verbände zusammenhalten? Wollen wir wirklich ein individualistisches, atomistisches Gesellschaftssystem, in welchem in einem „Krieg aller gegen alle“ jeder nur sein eigenes Glück sucht und „zum Wolf des anderen“ wird? Der Gemeinsinn verloren geht und nur noch das Recht des Stärkeren und der blanke Egoismus zählen?

Das schon von Paul VI. beklagte „fehlende Sündenbewusstsein“ als Ursache der Gesellschaftskrise der Gegenwart ist die Folge der „Aufklärung“ (enlightenment, illumination) und des atheistischen Humanismus (Henri de Lubac). Wo Gott tot ist, bleibt die Würde des Menschen auf der Strecke, der Mensch wird zum „Untier“ (Ulrich Horstmann). An die Stelle von Grund- und Freiheitsrechten – für den aus langer Erfahrung urteilenden deutschen Kanzleramtsminister und typischen Repräsentanten der politischen Klasse, Roland Pofalla (CDU), sind sie ohnehin nur „Sch…“ – traten als Produkte der Aufklärung die sechs G`s: Guillotine, Genozid, Genickschuß, Gestapo, GPU, Gulag (E. v. Kuehnelt-Leddihn). Heute wird nicht einmal das primäre Menschenrecht, das Recht auf Leben, respektiert. Der Mord an den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft wurde legalisiert oder straffrei gestellt. Die Abstimm-Mörder auf den Parlamentsbänken ersetzten in unserem, so hoch gelobten „demokratischen System“ die Schreibtischtäter à la Eichmann. Das „System“ verlor damit seine Legitimität (Minister T. Piffl-Percevic). 

Woran sollen wir denn eigentlich jetzt noch glauben, wenn selbst Priester und kirchliche Würdenträger sich von ihrem Herrn und Meister sowie von seinen Jüngern, Aposteln, Lehrern, Heiligen und Märtyrern distanzieren, den Ungehorsam zum Prinzip erheben und mit den antichristlichen „Fürsten dieser Welt“ gemeinsame Sache machen? Wer glaubt noch an die Frohe Botschaft von der Ankunft des Reiches Gottes auf Erden und seiner Repräsentation, d.h. wörtlich „Vergegenwärtigung“, durch die Eine, vom Nachfolger des Petrus autoritativ geleitete, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche in dieser unseren, so säkular gewordenen Welt? Und zieht sich nicht die Kirche bereits freiwillig und systematisch aus dem öffentlichen Raum zurück, der dadurch zur Beute religionsfeindlicher und mafiotischer Kräfte in Politik und Wirtschaft wird? Glaubt sie mit erbaulichem Humangeschwätz und „pastoralem Geräusch“ (Herwig Büchele, SJ) gegen diese Kräfte aufkommen zu können?

Was wir  leichthin mit „systemischer Krise“ bezeichnen und als Krise von Finanzmärkten, Banken, Währungsunion, Europäischer Union, Politik, Demokratie, Moral, Werten und Rechten erkannten, erweist sich in einem letzten Hinblick als eine veritable Glaubenskrise, in welcher der Glaube an uns selbst und an die uns „haltenden Mächte“ und Institutionen abhandenzukommen droht. Unser Nationaldichter Franz Grillparzer hat den Finger auf die eigentliche Wunde unserer ganzen gesellschaftlichen „Systemkrise“ gelegt: „Nicht Skythen und Chasaren, die einst den Glanz getilgt der Alten Welt, bedrohen unsere Zeit, nicht fremde Völker: Aus eigenem Schoß ringt los sich der Barbar, der, wenn erst ohne Zügel, alles Große, die Kunst, die Wissenschaft, den Staat die Kirche, herabstürzt von der Höhe, die sie schützt, zur Oberfläche eigener Gemeinheit – bis alles gleich, ei ja, weil alles niedrig“ (Bruderzwist in Habsburg, dritter Aufzug).

Was tun? „Erneuern? Umkehren!“, in zwei Worten faßt Peter Handke was not tut zusammen. Es geht nicht um die Erneuerung überlebter Traditionen, sondern um „das Leben aus dem, was immer gilt“. Eines nämlich ist sicher: Wer nicht ans ewige Leben glaubt und sich daran ausrichtet, hat keine Zukunft, weder als Staat, noch als Einzelner.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Sein jüngstes Buch „Der Sinn der Geschichte“, erschien 2011 im Regin-Verlag, Kiel. Das Kapitel, „Kein Gott in der EU“, behandelt ausführlich die europäische Misere. Die Vernachlässigung des nationalen Interesses wird vom Autor thematisiert in: „Die Rechte der Nation“ (L. Stocker-Verlag, Graz 2002). 

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