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Der Streit in der Kirche

In der katholischen Kirche toben wilde Freistilkämpfe, von lautem Gejohle aus den Zuschauerrängen begleitet. Dort sieht man ja nichts lieber, als wenn man sich in der Kirche gegenseitig zerfleischt, wenn jemand einstige moralische Autoritäten zu lächerlichen Figuren macht. Lenkt das doch herrlich davon ab, wie man es denn selbst mit Gott oder der eigenen Lebensführung hält.

Dabei geht der Streit um recht pragmatische Fragen, nicht ewige Wahrheiten. Wer darf künftig Seelsorgearbeit und Weiheämter ausüben? Die Debatte hat zwei Ursachen: den Priestermangel und den gesellschaftlichen Wandel, der Autoritäten zunehmend hinterfragt und Frauen eine neue Rolle gibt.

Auch wenn der Priestermangel in Europa in Wahrheit geringer ist als auf anderen Kontinenten, spricht viel für eine größere Rolle der Laien. Daher ist auch die Weihe erprobter Ehemänner zu Priestern eine sinnvolle Perspektive. Da würden bessere und verlässlichere Priester erwachsen als durch die Keuschheits- und Gehorsamsgelöbnisse unreifer, gerade den ersten Liebeskummer verarbeitender Jünglinge. Das entspricht auch dem Beispiel der verheirateten Priester der Unierten Kirchen (also jener Ostkirchen, die das orthodoxe Schisma wieder rückgängig gemacht haben und papsttreu sind). Es ist unbegreiflich, wenn in Wien ein Pfarrer Abschied nehmen muss, weil er heiraten will, dass aber sein vom gleichen Bischof eingesetzter Nachfolger ein verheirateter unierter Priester ist.

Auch die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten erscheint sinnvoll. Denn bei allergrößtem Verständnis für den tapferen Kampf der Kirche zur Verteidigung des ehelichen Treue-Gelöbnisses ist es doch widersinnig, wenn man die moralische Schuld einer Mordtat via Beichte abwaschen kann, die zweifellos geringere Schuld einer zweiten Eheschließung jedoch lebenslänglich nicht. Die gewundenen theologischen Erklärungen für diese Unterscheidung überzeugen nicht.

In all diesen Punkten gibt es auch unter vielen hohen Kirchenführern ein Umdenken. Dieses wird freilich durch Konfrontation und Provokationen eher gebremst als gefördert. Die Kirche hat aber noch ein anderes, stärkeres Motiv, mit Reformen zu zögern. Denn nach den Umwälzungen in Gefolge des vatikanischen Konzils haben sich Europas Gotteshäuser rascher geleert denn jemals zuvor in der Geschichte des Abendlandes.

Das schürt die Vermutung, dass sich viele Menschen unbewusst nach einer Religion sehnen, die ihnen (wie vor dem Konzil) möglichst viele Regeln bis in den Alltag hinein vorgibt. Die ihnen sagt, wann sie Fleisch essen dürfen. Die ihnen bestimmte Bücher verbietet. Die in der Liturgie wieder ein mystisches Opfermahl zu Ehren Gottes mit zum Teil bis in die spätrömische Zeit zurückgehenden Riten feiert und nicht nur eine freundliche Tischgemeinschaft, bei der man sich einander und nicht Gott zuwendet.

So schön viele Konzils-Reformen intellektuell  klingen, so sehr haben sie offenbar eine unbeabsichtigte psychologische Wirkung: Viele Menschen empfanden sie nicht als eine Öffnung, ein Zurück zu den Wurzeln, ein Entstauben, sondern als Verwandlung der Kirche in einen Tempel der Beliebigkeit, in dem Dinge, die unverrückbar schienen, über Nacht abgeschafft werden können. Konsequenz: Wenn sich auch die Kirche so flexibel dem Zeitgeist beugt, dann könne man sich ja auch selber dessen Verlockungen öffnen.

Überdies gerierten sich plötzlich Teile der Kirche in der Wirtschafts- und Sozialpolitik als geistige Nachlassverwalter des Kommunismus. Diese Anpassung an einen Zeitgeist, das plötzliche Bekenntnis zur Verstaatlichung der individuellen Nächstenliebe und die Abwendung von der Eigenverantwortung als christliches Urprinzip geschah absurderweise genau zu dem Zeitpunkt, da der Kommunismus an seinen inneren Widersprüchen scheiterte.

Der konziliare Weg ist jedenfalls kein Erfolgsweg geworden. Etwa im kanadischen Quebec ist binnen weniger Jahre der Anteil der Kirchenbesucher von 80 auf 20 Prozent gefallen. Auch die Erfahrungen vieler protestantischer Kirchen, die noch viel „liberaler“ und „flexibler“ sind als der nachkonziliare Katholizismus, sind bitter; deutsche Statistiken zeigen, dass die Protestanten dort seit Jahrzehnten fast jedes Jahr dramatisch mehr Kirchenaustritte hinnehmen müssen als die Katholiken. Prozentuell wie absolut.

Dort wo protestantische Kirchen noch weitergehen, etwa Frauenpriestertum und Schwulenehen erlaubten, löste das mancherorts sogar Kirchenspaltungen und Massenübertritte zum Katholizismus aus. Ähnliches droht bei so radikalen Revolutionen mit Sicherheit auch der katholischen Kirche. Gegen Schwulenehen und Frauenpriestertum gibt es überdies auch gravierende biblische Einwände.

Was aber auch immer man im Einzelnen von den radikalen wie gemäßigten Ideen halten mag: Nie und nimmer rechtfertigen sie den Versuch einer neuen Kirchenspaltung, eines Schismas. Ein solcher Versuch ist aber der Ungehorsams-Aufruf des Pfarrers Schüller ganz eindeutig.

Lassen wir die Vermutung beiseite, dass Schüller auch von Rache getrieben sei, weil er einst aus einer Führungsposition entfernt worden ist. Jedenfalls aber hat ein großer Teil der angeblich Hunderten Schüller-Gefolgsleute nur einen besorgten Diskussionsbeitrag und legitimen Reformaufruf unterzeichnet, aber keinen Aufruf zum Ungehorsam, also zum Bruch des von jedem Priester feierlich gelobten Gehorsams.

Und was hält der Autor selbst von all dem? Ich habe im Grund genausowenig Verständnis für den zelotischen Eifer mancher Konservativer (die wie Stasi-Agenten alles Mögliche und seien es nur allzu laute Jugendmessen in Rom denunzieren) wie für die linkskatholische Gesinnungspolizei (die unpopuläre Äußerungen konservativer Priester sofort mit entsprechenden Kommentaren an Boulevard-Magazine weiterreicht).

All diese kleingeistigen Kontroversen erscheinen vor allem deshalb so abstrus, weil ringsum die Christenhatz zunimmt. In den letzten Jahren sind jährlich über Hunderttausend Christen ihres Glaubens wegen ermordet worden (vor allem in islamischen Ländern); im einst katholischen Irland startet die Regierung einen Frontalangriff auf das Beichtgeheimnis; in wenigen Jahrzehnten wird es auch in Wien mehr Moslems als Katholiken geben, so wie etwa schon in Brüssel; von Madrid bis Berlin werden Papstbesuche durch höhnische und aggressive Attacken linksradikaler und schwuler Horden begleitet; in Österreich schützt die Strafjustiz de facto nur noch den Islam gegen Kritik (selbst wenn diese der Wahrheit entspricht), christliche Symbole können hingegen ungestraft verspottet werden; die grässlichen Fälle von Kindesmissbrauch werden von einer aggressiven Medienszene nur dann breitest berichtet, wenn sie im katholischen Ambiente stattgefunden haben – die viel zahlreicheren Fälle außerhalb jedes kirchlichen Zusammenhangs werden weitgehend totgeschwiegen; Ohrfeigen, die ein Priester vor 40 Jahren ausgeteilt hat, werden zur Megastory aufgeblasen – die ungeheuerlichen Vorstöße der deutschen Grünen in den 90er Jahren, sexuellen Kindesmissbrauch straffrei zu stellen, werden hingegen nicht mehr erwähnt.

Und ausgerechnet in dieser Situation gehen fast alle kirchlichen Energien im inneren Hader bis hin zum Schisma auf. Absolut unfassbar. Denn das „Ut unum sint“, die Einigkeit der Weltkirche, wäre die einzige Kraft, mit der all diesen Angriffen standgehalten werden kann.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich politisch ganz unkorrekt beide Seiten beim Schopf packen und so lange durchbeuteln, bis sie zur Besinnung darüber kommen, was heute wirklich das Christentum bedroht.

(Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form in der so eben erschienenen neuen Ausgabe der Zeitschrift „Academia“)

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