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Josef Grünwidl ist als neuer Wiener Erzbischof von allen Seiten freudig begrüßt worden. Das überrascht angesichts der gigantischen Probleme der Kirche, gerade der Wiener Kirche. Aber solange auf einen neuen Amtsträger alle Wünsche wie auf ein unbeschriebenes Blatt projiziert werden können, ist das letztlich doch logisch. Die Probleme werden erst anfangen, wenn er wirklich im Amt ist. Eines der größten hat der charismatische Vorgänger Christoph Schönborn in seiner geradezu transzendenten Weltferne immer aufgeschoben. Und das Allergrößte wird überhaupt von Tag zu Tag schlimmer.
Zu diesen beiden großen Problemen gehört freilich nicht das, wozu sich die meist ahnungslosen Medien äußern, sobald von Kirche die Rede ist: Wie auf Knopfdruck sondern sie da jedes Mal Kommentare ab, die immer in der Frage münden: Wann wird die Kirche endlich den Zölibat abschaffen, und wann wird sie endlich weibliche Priester einführen? Diese zwei Themen sind längst zum Perpetuum mobile der Kirchenberichterstattung geworden. Sie führen daher logischerweise auch immer zu den gleichen Antworten:
Die Probleme, oder nobel umschrieben: Die Herausforderungen für einen Wiener Erzbischof liegen auf ganz anderer Ebene als auf der dieser zwei immer gleichen Forderungen der immer gleichen Kirchenfunktionäre.
Für Schönborn lag das zentrale Problem vor allem am Anfang in den vielen behaupteten oder wirklichen Fällen des homosexuellen Umgangs mancher Priester mit Kindern.
Grünwidl ist heute mit völlig anderen Herausforderungen konfrontiert als Schönborn bei seinem Amtsantritt. Dabei ragen zwei ganz unterschiedliche deutlich heraus: Der Islam und die Pfarrorganisation.
Die größte Herausforderung wird die nächste Etappe der historischen Auseinandersetzung mit dem Islam sein. Die Abwehr dieser sich durch kriegerische Aggression ausbreitenden Ideologie mit Religionseigenschaften ist seit 1300 Jahren immer wieder das zentrale Problem des europäischen Christentums. Und gerade Wien hat dabei zweimal bei der Abwehr von sogenannten Türkenbelagerungen für ganz Europa ein historisches Verdienst errungen.
Jetzt aber ist kaum mehr abwendbar, dass ausgerechnet in dieser Millionenstadt der Islam bald die größte Religionsgemeinschaft stellen wird: Dieser ist so groß geworden durch legale wie illegale Zuwanderung und die signifikant größere Geburtenzahl islamischer Frauen (die ja auch immer wieder ganz gezielt auf das häufige Kinderkriegen als wichtigste Aufgabe für den Sieg des Islams verwiesen werden). Und nur wenige Jahrzehnte später droht der Islam auch österreichweit zur größten Religion zu werden.
Der Wiener, der österreichischen Amtskirche ist ganz eindeutig noch gar nicht bewusst, was das alles bedeutet, gegenüber einer islamischen Mehrheit in eine Minderheitenrolle zu geraten. Vom heute türkischen Kleinasien über Syrien und den Libanon bis Ägypten können Christen, die dort einst die Mehrheit gebildet hatten, tausendfach über Demütigungen, Christenverfolgungen, Zwangsehen mit islamischen Männern und Kirchenzerstörungen berichten. Weltweit hat es da den Christen wenig geholfen, wenn sie sich nur mit Gebeten dagegen gewehrt haben. Gegen den Islam gibt es nur dann Erfolge, wenn man sich auch militärisch verteidigt.
So wie Israel. So wie die Habsburger im 16., 17. und 18. Jahrhundert. So wie die indischen Hindus. So wie die Südsudanesen.
Wenig wird der Kirche hingegen das österreichische Rechtssystem helfen können. Das ist ja ein rein positivistisches System, wo immer das gilt, was die Mehrheit beschließt, plus dem, was die europäische Mehrheit beschlossen hat und was Höchstrichter in ihrer Willkür daraus machen. Daher kann es auch sehr leicht von einer potentiellen islamischen Mehrheit in einem Sinn genutzt werden, welcher der heutigen Mehrheit unter der Österreichern auch für ihre Kinder völlig zuwider ist. Immerhin ist der Islam in sämtlichen mehrheitlich islamischen Ländern auch in die staatlichen Rechtssysteme eingedrungen.
Zwar gab es einige Phasen, in denen islamische Staaten wieder zur religiösen Neutralität zurückzukehren versucht haben – die Türkei unter Atatürk oder Ägypten unter as-Sisi oder Syrien unter Assad oder Iran unter dem Schah – aber irgendwann haben die Imame, Mullahs, Prediger und Muslimbrüder ihren Machtkampf immer gewonnen, die alle die wörtliche Anwendung des Korans und der Hadithen in ihrer mittelalterlichen Gefährlichkeit und Grausamkeit zum Ziel haben.
Wie reagiert da die österreichische Kirche, die ja so wie die fast schon dem Erdboden gleichgemachten deutschen Kirchen in einem besonders exponierten Land leben muss? Lassen sich ihre Amtsträger mit frommen Sprüchen blind machen, dass der Islam deshalb gut und unproblematisch wäre, weil auch er nur einen Gott kenne, weil auch er in seinen Schriften Stammvater Abraham erwähnt (wie Mohammed mangels eigenen Substrats auch sonst noch etliches aus der christlich-jüdischen Bibel abgeschrieben hat)? Oder glauben sie gar, dass der österreichischen Identität auf Grund der langen, immer zutiefst christlich gewesenen Geschichte des Landes nichts geschehen kann? Oder glauben sie gar an den Schutz durch eine in Wahrheit jetzt schon zum Teil bösartig gewordene Justiz?
Es ist gewiss richtig und notwendig, den Schuldigen an dieser Entwicklung nachzugehen, die da sind:
Aber diese Verantwortungs-Aufbereitung hilft für die Zukunft nicht weiter. Jetzt geht es vor allem um die Frage: Was tun? Gelingt es den europäischen Christen noch einmal, eine große Abwehrfront zusammen mit den nicht mehr wirklich gläubigen Kulturchristen, zusammen mit allen echten Liberalen, zusammen mit Juden und Protestanten, ja, und auch mit den Atheisten aufzubauen? Hat ein solcher Versuch überhaupt noch eine Chance,
Zurück zu Josef Grünwidl und seinem zweiten großen Problem, der inneren Pfarrreform in seiner Erzdiözese. Hier trifft der neue Erzbischof auf das große Versäumnis von Christoph Schönborn. Der in vielerlei Hinsicht eindrucksvolle, theologisch brillante, menschlich überzeugende und charismatische Vorgänger hat nur eines völlig links liegen gelassen: alles, was mit Verwaltung zusammenhängt.
Die harte Konfrontation mit Pfarrgemeinderäten und anderen Verteidigern hergebrachter Strukturen war einfach seine Sache nicht. Da ließ er fast alles treiben, was längst neu geordnet, was längst drastisch und damit schmerzhaft beschnitten werden müsste.
Die Ursachen sind eindeutig: Weder in Hinblick auf die klammen Finanzen der Erzdiözese noch in Hinblick auf die (weit mehr als Folge der unzureichenden Geburtenzahl denn als Folge von Austritten) schrumpfende Gläubigenzahl noch in Hinblick auf die ebenfalls (dank der Nothilfe aus Polen, Indien und Afrika aber etwas weniger) schmelzende Priesterzahl ist die Zahl der von der Diözese zu erhaltenden Pfarren und Gebäude auch nur annähernd zukunftstauglich.
Besser heute als morgen müssen Pfarren zusammengelegt werden, müssen kirchliche Gebäude anderen christlichen Gruppen (etwa den zahlenmäßig heute starken rumänischen oder serbischen oder ukrainischen Orthodoxen) oder der öffentlichen Hand (etwa den Gemeinden aus denkmalschützerischen Gründen) übergeben werden.
Das wissen alle Insider der Wiener Kirche als unumgänglich notwendig, das traut sich nur keiner offen zu sagen.
Das fordert harte Entscheidungen, die in keiner Hinsicht erfreulich sind für die Kirche. Aber es ist pastoral sinnlos, wenn man in manchen Wiener Pfarrkirchen in die einzige Sonntagsmesse gerät und dort ganze acht Anwesende zählt, die angestrengt einem Priester zu folgen versuchen, zu dessen Stärken zweifellos nicht ein verständliches Deutsch gehört. Mit Sicherheit werden auch diese Acht bald auf solchen Frust verzichten und zu Hause bleiben – oder lieber ein anderes Gotteshaus aufsuchen, wo sie noch die vielfach in der Kirche angesprochene "Gemeinschaft" der Gläubigen finden können. Immerhin sind das Auto und in der Stadt die Straßenbahn schon erfunden. Deshalb sind in der eigentlich einwohnerarmen Innenstadt viele Gotteshäuser auch regelmäßig gut gefüllt.
Auch in kleinen ländlichen Gemeinden wäre es weitaus sinnvoller, für die Kirchgänger aus drei Gemeinden sonntägige Transporte zu organisieren, damit auch die Gläubigen ohne Auto in einer gefüllten Kirche zusammentreffen können. Das ist allemal besser, als ein Priester braust mit dem Auto im Stundentakt am Sonntag von halbleerer Kirche zu halbleerer Kirche.
Zugegeben. Dabei sind sehr irdische Aufgaben zu lösen. Aber für die Kirche genügt es halt nicht, sich nur auf die großen jenseitigen Dinge zu konzentrieren.