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Eine Brandmauer ist ein nützlich Ding. Sie soll das Übergreifen eines ausgebrochenen Feuers von einem Haus auf das andere verhindern. Sie kommt freilich dementsprechend teuer.
Wenn nun der Ausdruck aus der Bauordnung in die Politik übertragen wird, entstehen drei Fragen:
Vor allem bei der Beschreibung des prophezeiten politischen Feuers kommen viele Brandmaurer in Schwierigkeiten. Völlig unpräzise, aber lautstark schwurbeln sie von ihrer Sorge um die Demokratie und warnen vor einem nie näher definierten Extremismus.
Das sind nun an sich für jeden, der von Demokratie und liberalem Rechtsstaat überzeugt ist, durchaus ernstzunehmende Überschriften. Jedoch: Diese Sorgen, diese plakativen Überschriften werden nie näher begründet.
Denn sie haben keine Begründung. Denn es gibt nicht die geringsten Beweise, dass auch nur durch eine einzige der in Österreich oder Deutschland (wo die politische Brandmauer erfunden wurde) antretenden Parteien eine Gefahr für die Demokratie besteht. Dass also jene Wahl, bei der eine der als demokratiegefährdend hingestellten Parteien zum Sieger wird, die letzte freie Wahl sein könnte. Selbst die Kommunistische Partei, die eine eindeutig demokratiezerstörende, blutige und totalitäre Vergangenheit in ihrer Geschichte hat, ist in ihrem heutigen Zustand nicht mehr demokratiegefährdend – auch wenn die historische Ahnungslosigkeit der Grazer, die eine deklarierte Kommunistin zur Bürgermeisterin gemacht haben, in Hinblick auf die kommunistischen Verbrechen ekelt, die zehn Millionen Menschen das Leben gekostet haben.
Wer im Österreich von 2024 eine Gefährdung der Demokratie sieht, leidet entweder unter besorgniserregender Paranoia, bei der man dringend einen Psychiater konsultieren sollte, oder ist Opfer einer zu Propagandazwecken erfundenen Verschwörungstheorie, die Menschen voll Panik zur Stimmabgabe in eine bestimmte Richtung bringen soll.
Tatsache ist, dass sowohl die Freiheitliche Partei Österreichs wie auch die Fidesz-Partei von Viktor Orbán oder die polnische Kaczynski-Partei, die alle als Gefährdung der Demokratie an die Wand gemalt worden sind, sich nach Wahlniederlagen problemlos auf die Oppositionsbänke zurückgezogen haben. Keine hat versucht, das Wahlergebnis durch einen Putsch zunichte zu machen.
Lediglich bei der SPÖ war das im Februar 2000 nicht so eindeutig; sie hat die Straße zu mobilisieren versucht. Und bei Donald Trump und dem Verhalten seiner Anhänger am 6. Jänner 2021 kommen noch größere Zweifel auf – auch wenn Trump zumindest bisher nicht wegen eines versuchten Staatsstreichs verurteilt wurde.
Freilich besteht eine Gefährdung der Demokratie nicht nur dann, wenn die freie und geheime Stimmabgabe verhindert wird. Diese Gefährdung kann auch dadurch erfolgen, dass Medien- oder Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, dass Parteien an der Wahlwerbung gehindert werden, dass staatliche Strukturen zur Beeinflussung der Wähler missbraucht werden. Berücksichtigt man diese Aspekte, dann ist das Urteil lange nicht so eindeutig.
Denn in Europa gibt es seit einigen Jahren eine Fülle von Gesetzen, welche bestimmte Meinungen und Aussagen verbieten und als "Hass", "Hetze", "Desinformation" oder "Fakenews" bestrafen. Und das ist nun in der Tat brandgefährlich. Sogar die Ablehnung einer demokratiegefährdenden "Religion" wird als "Hass" bestraft. Da brennt wirklich ein Feuer, gegen das eine Brandmauer errichtet werden sollte.
Denn all diese europäischen wie nationalen Gesetze, Richtlinien und Verordnungen gehen davon aus, dass der von bestimmten Parteien kontrollierte Staatsapparat im Besitz der absoluten Wahrheit ist. Sonst könnte ja niemand sagen, was falsch ist. Das ist aber eine ungeheuerliche Anmaßung. Das erinnert an die Zeiten eines Metternich, eines Stalin, eines Hitler. Eine echte Demokratie braucht exakt das Gegenteil: den ständigen freien Austausch von Meinungen ganz ohne Zensur, ganz ohne Behörde, die behauptet, die Wahrheit zu besitzen, ohne sie zu haben. Es sei denn, sie hätte eine Telefonverbindung zum lieben Gott, der in seiner Allwissenheit der Behörde immer die Wahrheit mitteilt. Aber nicht einmal die Kirche behauptet, seit den Predigten von Jesus Christus noch eine solche direkte Leitung zu haben.
Auch die Wissenschaftstheorie weiß spätestens seit Karl Popper, dass kein Wissenschaftler sicher sein kann, die absolute Wahrheit zu kennen. Jede Aussage gilt nur dann als wissenschaftlich, wenn sie widerlegt werden kann, und sie gilt das nur so lange, bis es jemandem gelingt, sie zu widerlegen. Das muss selbstverständlich auch und sogar ganz besonders bei den umstrittensten Themen der Gegenwart gelten, von der These, dass die Klimaerwärmung menschengemacht sei, bis zu den Aussagen rund um die Corona-Pandemie.
Das heißt nicht, dass der Staat nicht handeln dürfte, bis sich die Wissenschaft absolut sicher ist – also bis Sankt Nimmerlein. Die demokratisch gewählte Mehrheit darf und muss natürlich schon vorher nach bestem Wissen und Gewissen agieren. Sie muss – sie sollte zugleich aber immer die freie politische, mediale wie wissenschaftliche Diskussion zulassen, auch wenn diese oft kritisch ist, auch wenn sie oft unangenehm ist. Und jeder muss das absolute Recht haben, die politischen Entscheidungen offen zu kritisieren (so wie ich persönlich etwa die klimapolitischen Entscheidungen insbesondere der EU während der letzten Jahre für falsch halte, die zur Corona-Pandemie hingegen für richtig).
Aber nicht nur durch solche Gesetze können die Voraussetzungen einer Demokratie eingeschränkt werden. Das erfolgt auch durch Einschränkungen der Medienfreiheit. Und auch da gibt es viele bedrohliche Entwicklungen.
Dazu gehört die parteipolitisch-ideologische Lenkung von vielen Millionen Steuergeldern als Inserate an befreundete oder willfährige Medien. Das große Machtimperium der Gemeinde Wien begeht mit Bestechungsinseraten die weitaus schlimmste Korruption aller politischen Institutionen Österreichs; abgeschwächt tun auch andere Machtträger mit. Dieser Missbrauch ist umso wirkungsvoller, als insbesondere die Printmedien wirtschaftlich katastrophal dastehen, da ihnen das Internet Leser und die Einnahmen aus der Werbung raubt. Am Rande sei festgehalten, dass die Inseratenbestechung nicht nur in Wien, sondern auch in Ungarn ein bedenkliches Faktum ist.
Eine fast genauso schlimme Verzerrung einer freien Diskussion auf einer ebenen Spielfläche ist die Tatsache, dass es in Österreich zwei Redaktionen gibt, die massiv durch öffentliche Gelder im Wettbewerb bevorzugt werden. Das ist einerseits die Online-Wienerzeitung seit einer völlig missglückten Reform. Das ist andererseits und noch viel schlimmer der ORF. Die einen werden direkt aus den Steuereinnahmen finanziert, die anderen durch vom Staat angeordnete Zwangsgebühren. Der Missstand wird dadurch nicht gerade geringer, dass beide Redaktionen eine ganz massive Schlagseite in haargenau die gleiche Richtung haben.
Zu all dem kommt die Ungeheuerlichkeit, dass aus Budgetmitteln von Bund und Ländern zahllose "Nichtregierungsorganisationen" finanziert werden, die sich im parteipolitisch-ideologischen Sinn betätigen. In Wahrheit müsste in einer echten Demokratie jede solche vom Staat unterstützte NGO bei öffentlichen Äußerungen strenge parteipolitische Neutralität walten lassen (wie es etwa das Rote Kreuz tut). Oder eben auf Staatsgelder verzichten.
Nicht die relativ objektiv erfolgende gesetzliche Finanzierung von Parteien oder Medien sind der demokratiegefährdende Skandal, sondern die ideologische Finanzierung von NGOs und von einzelnen Medien durch freihändige Politikerentscheidungen. In diesen Beziehungen ist der Charakter Österreichs als Demokratie längst in Frage zu stellen.
Eine besonders üble Einschränkung der Demokratie ist hingegen in Deutschland viel mehr als in Österreich zu beobachten: Dort bekommt die Oppositionspartei "Alternative für Deutschland" oft nicht einmal Versammlungssäle für ihre Veranstaltungen. Hinter dieser totalitären Maßnahme stehen teils lokale Behörden, teils die Gewaltakte oder Drohungen einer von der Justiz nie gezähmten "Antifa" gegen auch oft ganz unpolitische Saalvermieter.
Eng verwandt mit der Behauptung einer Demokratiegefährdung ist auch die ständige Wiederholung des "Extremismus"-Vorwurfs. Dieser ist noch absurder. Denn "Demokratie" ist ja noch ein halbwegs definierter Begriff, das Wort "Extremismus" wird hingegen völlig willkürlich verwendet.
Daher sollte man es zumindest hier für den Zweck einer Analyse tun. Als Extremismus einzuordnen ist:
Völlig inakzeptabel hingegen ist, wenn im Dunkel agierende Institutionen wie parteipolitisch bestellte "Verfassungsschützer" beweisfrei irgendjemandem den Kleber "Extremist" auf die Stirn drücken können. Wenn sie Beweise für diese Vorwürfe haben, sollten sie diese öffentlich auf den Tisch legen. Haben sie hingegen keine Beweise, dann müssten in einem Rechtsstaat solche Verleumdungen unterbleiben.
Je näher man also die Argumente untersucht, die eine politische "Brandmauer" verlangen, umso zweifehafter und übler wird diese Forderung. Es ist jedoch seit Jahrzehnten der Linken in Deutschland und Österreich gelungen, viele Bürgerliche so einzuschüchtern, dass diese beim Mauern mitmachen aus lauter Angst, sonst selbst als "Rechtsextremist" und damit auch gleich als Mitschuldiger an den Nazi-Verbrechen hingestellt zu werden. Statt die wirklichen Gefahren für Demokratie und Rechtsstaat zu erkennen und zu bekämpfen. Statt zu erkennen, dass wir selbst, dass die Demokratie, dass unsere demokratischen Rechte die Rechnung für die Errichtung rein parteitaktischer Brandmauern zahlen müssen. Statt die konservativen, christdemokratischen, liberalen, nationalen Parteien zu einem gemeinsamen Engagement für die vielen gemeinsamen Ziele zu führen, bauen Teile von ihnen an der Brandmauer mit.
(Dieser Text ist auch in der Zeitschrift "Zur Zeit" erschienen).