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Die wahren Ursachen der Benko-Pleite

Die größte Insolvenz der zweiten Republik geht wie ein Erdbeben sowohl durch die Banken- wie auch die Parteienwelt und sollte da wie dort grundlegendes Nachdenken auslösen. Dabei kommt sie zumindest für Leser des Tagebuchs alles andere als überraschend. Denn schon vor mehr als fünf Monaten war hier am 18. Juni wörtlich zu lesen: "Steht die nächste große Krise schon in den Startlöchern?" Schon damals hat das Tagebuch unter Hinweis auf René Benko auf Entwicklungen hingewiesen, die einen "dramatischen Rückgang des Bedarfs an Büroflächen" auslösen. "Das muss nicht nur den Benkos dieser Welt, sondern auch den Banken große Sorgen machen. Denn bisher waren Bürohäuser ein sehr beliebtes Pfand für große Kredite."

Ein halbes Jahr lang haben sich die Banken und involvierten Prominenten rund um René Benko und ähnliche Glücksritter jedoch keine erkennbaren Sorgen gemacht, haben das krachende Imperium des Tiroler Schulabbrechers offensichtlich weiter unterstützt und jedenfalls nicht frühzeitig die Notbremse gezogen.

Die Bankvorstände werden sich noch sehr genau rechtfertigen müssen, ob sie im letzten Halbjahr wirklich rechtzeitig alle für einen ordentlichen Kaufmann angebrachten Konsequenzen aus Entwicklungen gezogen haben – die sowohl jeder Manager einer Großbank als auch jeder sich als Berater verdingende Ex-Politiker spätestens vor dem Sommer erkennen hätte müssen. Oder ob sie den Schaden hinausgezögert oder gar vergrößert haben.

Benko ist gewiss alles andere als ein Sympathieträger – aber das ist noch nicht kriminell. Und sein Geschäftsmodell, großteils mit fremdem Geld wild in Immobilen zu investieren, diese zu entwickeln und zu verkaufen, ist immer scharf an der Kante gesegelt – aber an sich auch noch nicht kriminell. Zumindest nach all dem, was man heute weiß.

Dieses Geschäftsmodell ist durch gleich mehrere Entwicklungen, die spätestens vor einem halben Jahr absehbar oder auch bereits Realität waren, in schwere Schieflage geraten:

  • Die lange von den Notenbanken viel zu niedrig – de facto bei Null – gehaltenen Zinsen in den USA und Europa sind seit einem Jahr immer weiter nach oben gegangen (heute liegen sie bei 4,5 Prozent, erst im Juli 2022 waren sie von der jahrelangen Null auf vorsichtige 0,5 Prozent gestiegen). Diese rapide Steigung ist für ein großteils fremdfinanziertes Geschäftsmodell an sich schon eine Katastrophe, nachdem zuerst jahrelang die Nullzinsen zu leichtfertigen Geschäften motiviert haben.
  • Die steigenden Zinsen haben die Nachfrage nach neuen Immobilien jeder Form stark gesenkt. Damit wurden die Benko-"Schätze" plötzlich zu Lasten.
  • Gleichzeitig haben die steigenden Zinsen (wie von der EZB zum Zweck der Inflationsbekämpfung beabsichtigt!) immer mehr die Konjunktur abgewürgt – neuerlich ein schwerer Schaden für Investoren.
  • Die weltpolitische Lage ist ein weiterer Dämpfer für die Investitionslust, insbesondere der Ukraine-Krieg, wie auch die (zum Glück in den letzten Wochen etwas abflauenden) Spannungen mit China wie auch der (in den letzten Wochen umso höher entflammte) Nahostkonflikt.
  • Besonders schlimm hat die Branche Benkos – also die Entwicklung von Büro-Landschaften – durch den gewaltigen Trend hin zum "Home Office" gelitten, der auch nach der Pandemie anhielt, weil viele Unternehmen die durch Büro-Verkleinerungen möglichen Einsparungen entdeckt haben. Damit waren endgültig all seine großen Büroprojekte zu Kartenhäusern ohne Wert geworden.
  • Benko beging auch noch einen zweiten fundamentalen kaufmännischen Fehler (neben seinem naiven DKT-Glauben, dass Immobilien nur immer an Wert gewinnen können): Das war sein rapide gewachsenes Engagement auch im Handelsbereich. Aber: Weder verstand er sonderlich viel vom Handel, noch hatte er tolle Ideen dazu, noch ist Handel in Zeiten des Internets auch nur theoretisch eine potenzielle Wachstums-Chance.
  • Während große Unternehmerfiguren sehr oft privat sehr bescheiden leben, hat der aus kleinen Verhältnissen gekommene Benko das Gegenteil von Bescheidenheit gezeigt.
  • Diesem Hang zur Großmannssucht sind auch skurrile Investitionen entsprungen wie sein Einstieg bei der Kronenzeitung, obwohl er auch vom Zeitungsmachen keine Ahnung hat, obwohl dort die Familie Dichand noch immer das Sagen hat (auch wenn man dem Blatt täglich das Fehlen des großen Gründers anmerkt), und obwohl Zeitungen überhaupt kein kluger Ort für Finanzinvestitionen sind. 

Es würde mich nicht sehr überraschen, wenn in nächster Zeit aber auch etliche jener Bankmanager ihren Job verlieren oder Bekanntschaft mit den Gerichten machen sollten, die da auf das Ziehen der Notbremsen vergessen haben, die allzu naiv an das glaubten, was ihnen Benko vorgegaukelt hatte: eben an das ewige Steigen der Immobilienpreise.

Die Liste der Fragen an die Banken – aber auch an die seltsame Beraterwelt Benkos – ist eine mindestens ebenso gewichtige wie die der Vorwürfe an den Tiroler:

  1. Wenn die Vermögens- und Haftungsverhältnisse unter den zahllosen Benko-Firmen tatsächlich so verworren waren, wie jetzt von allen Seiten beklagt wird, wie konnten da einzelne Benko-Firmen von den Banken so hohe Kredite bekommen, dass jetzt in Summe Milliarden umzufallen drohen?
  2. Oder ließen sich die Banken gar dadurch täuschen, was Benko alles an respektierlichen Personen um sich versammelt hat?
  3. Sind die Banken ob der Namen Gusenbauer, Kurz, Riess, Stoß, Haselsteiner, Samstag, Sevelda usw. so beeindruckt gewesen, dass sie keine Zeit mehr für die Prüfung der Fundamentaldaten eines Kreditnehmers und für die Beobachtung der skizzierten globalen Trends verschwendet haben?
  4. Noch dubioser ist, dass von Benko Millionen-Provisionen an Expolitiker für die Vermittlung von Krediten geflossen sind. Was war deren Leistung???
  5. Wenn die Kredite wirtschaftlich in Ordnung waren – wozu braucht es da einen auf Kosten der Kreditsumme teuer honorierten Vermittler? Schließlich leben ja die Banken von den Kreditzinsen und müssten daher auch ohne "Vermittler" an einem guten Geschäft interessiert sein.
  6. Oder waren die Millionen für die Expolitiker und Exbanker nur dazu da, weil sich der halbseidene Benko mit vermeintlicher Seriosität umgeben wollte – was die Banken nicht durchschauten?
  7. Oder aber waren die "Provisionen" in Wirklichkeit das getarnte Honorar für irgendwelche schmutzigen Dinge, etwa um Parteien zu bestechen, oder das Honorar für einstige Dienste zu leisten?

Zu viele drängende Fragen, als dass man sich mit der billigen Parteipolemik abspeisen lassen dürfte, die sich da rundum in den letzten Stunden aufgebaut hat. So ist es absurd, es wie Rot und Blau zu inkriminieren, dass auch große Unternehmen während der Pandemie die Unterstützungsleistungen des Steuerzahlers erhalten haben. Zwar waren die Corona-Hilfsprogramme an sich viel zu großzügig (wie das Tagebuch immer wieder scharf kritisiert hat). Aber sobald sie einmal aufgestellt waren, war es zweifellos rechtens, dass sie an große und kleine Unternehmen, an schwarze, rote oder blaue Unternehmen nach den gleichen Regeln ausbezahlt wurden. Es sei denn, es ließe sich da eine konkrete Unkorrektheit nachweisen. Auf die es aber weit und breit keinerlei Hinweise gibt.

Für die SPÖ dürfte es sich in nächster Zeit als zusätzlich peinlich erweisen, dass sie vor kurzem zusammen mit der FPÖ einen Untersuchungsausschuss beantragt hat, in dem den Covid-Förderungen nachgegangen werden soll. Denn dabei hat die SPÖ ausdrücklich ausgerechnet die Benko-Firmen als Beispiel angeblich ÖVP-naher Unternehmen genannt.

  • Dabei ist – zumindest nach dem bisherigen Wissensstand – eindeutig Alfred Gusenbauer jener Mann unter den Ex-Politikern, der von Benko weitaus am meisten Geld für "Beratungs"-Leistungen bekommen hat.
  • Dabei ist gerade bei ihm gleichzeitig das Rätseln am größten, worin denn seine Beratung eigentlich bestanden haben soll, worin denn Gusenbauer besondere Expertise für ein Immobilien-Konglomerat mit zugewachsenen Handelsabteilungen gehabt haben soll.
  • Oder war Gusenbauer, beziehungsweise das über ihn geflossene Geld gar dazu da, um die Gewerkschaften ruhig zu halten, als sich Benko riesige Handelskonzerne angeeignet hatte, deren Belegschaften naturgemäß extrem nervös geworden waren?

Auch die Übernahme des Kika-Leiner-Imperiums durch Benko scheint sich vorerst für einen politischen Skandal nicht zu eigenen. Denn diese Handelskette ist schon seit vielen Jahren nach dem Abgang des Patriarchen Koch, durch den Branchen-Strukturwandel und schon vor einem früheren Eigentümerwechsel in tiefen Schwierigkeiten gesteckt. Zwar war es mehr als überflüssig – aber leider medien- und österreich-üblich –, dass sich die Politik auch bei Leiner als Retter aufzuspielen versuchte, aber Tatsache ist, dass damals außer Benko weit und breit niemand zu finden gewesen ist, der bereit gewesen wäre, den Traditionsladen zu übernehmen.

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