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Der Feind im eigenen Bett

Wir haben in den einstigen "großen" Koalitionen schon viel an gegenseitigem Hass und Intrigen erlebt, also zwischen zwei Parteien, die damals oft mehr als 90 Prozent der Wählerstimmen hatten (während sie heute zusammen weit unter 50 Prozent grundeln). Das, was sich aber jetzt bei Schwarz-Grün abspielt, stellt alles in den Schatten. Ein großer Teil der Grünen in Regierung und Koalition sieht ihre politische Hauptaufgabe in der Zertrümmerung des Koalitionspartners. Aber eigentlich sollten wir das gelassen sehen. In Wahrheit gibt es nämlich überhaupt nur drei Perioden in der gesamten Nachkriegsgeschichte, in denen die Zusammenarbeit zweier Koalitionspartner in der Regierung gut funktioniert hat. Es ist sehr lehrreich, die Ursachen dieser drei Perioden zu untersuchen.

Der Kampf der Grünen gegen die ÖVP hat jetzt erstens mit der Ankündigung einer jenseits aller verfassungsrechtlichen Einrichtungen und jenseits aller Präzedenzfälle liegenden "Kommission" gegen den Koalitionspartner durch die Justizministerin begonnen. An zweiter Stelle steht die  Beschimpfung des vom Koalitionspartner gestellten Parlamentspräsidenten durch eine grüne Abgeordnete als nicht "anständig" .

Es hat aber auch schon früher mehrfach Aktionen auf dieser Linie gegeben. Eine davon hat vor mehr als einem Jahr die damalige ÖVP-Generalsekretärin zur Feststellung gebracht, jetzt würden die Grünen eine "Rote Linie" überschreiten. Damals ging es darum, dass der von der grünen Verkehrsministerin ausgeschüttete Klimabonus aus Steuermitteln auch Asylwerbern zugutekommt.

Doch ÖVP-Chef Karl Nehammer hat auch schon damals dem Koalitionspartner nachgegeben (den er freilich von Sebastian Kurz geerbt hatte), statt sich mit aller Energie hinter seine eigene Generalsekretärin zu stellen, obwohl diese eine vom Großteil der Österreicher für richtig gehaltene Position vertreten hat. So scheint er auch jetzt schweigend die freihändige "Kommission" der Justizministerin hinzunehmen. Besonders letztklassig innerhalb einer Koalition waren die ständigen Attacken einer grünen Abgeordneten aus Vorarlberg im letzten Untersuchungsausschuss auf die ÖVP – aber auch da wagte Nehammer keine Gegenstrategie, außer sich innerlich über den Koalitions-"Partner" zu ärgern und nach außen die Untergriffe zu ignorieren.

Noch in vielen weiteren Punkten hat in dieser Koalition der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund gewedelt. Dies war etwa beim ORF-Gesetz der Fall, in dem die Koalition der Einführung der Haushaltsabgabe zugestimmt hat, die ab Jänner auch Zehntausende Österreicher zur Zahlung von ORF-Zwangsgebühren verpflichtet, die bisher keine zu bezahlen hatten. Die Grünen haben sich erfolgreich als Paten der ihnen geistig sehr nahestehenden ORF-Redakteure betätigt, die Nehammer-ÖVP hat hingegen ihrem aggressivsten medialen Feind die Finanzierung gesichert und sich auch in dieser Frage gegen ihre Wähler gestellt und – und hat noch dazu zugestimmt, dass diese Zwangsabgabe ausgerechnet am Beginn des großen Wahljahres in Kraft tritt.

Bei den Grünen sind die allermeisten seit jeher innerlich auf Kampf gegen alles programmiert, was rechts der Mitte ist. Jeder Grüne hofft darauf – sofern über den nackten Hass hinaus überhaupt eine rationale Überlegung zu orten ist –, dass nach der nächsten Wahl endlich eine Mehrheit für eine Linkskoalition mit SPÖ und Neos zusammen erreichbar ist. Die Parteispitze arbeitet nur noch auf dieses Ziel hin.

Lediglich Gesundheitsminister Rauch versucht, sich noch auf Sachpolitik zu konzentrieren (wie immer man die inhaltlich beurteilen mag). Sowie Parteichef Kogler und Klubchefin Maurer halten sich mit allzu einseitigen Äußerungen zurück, weil sie ahnen, dass auch diesmal keine Ampelmehrheit zustandekommen wird. Sie müssen überdies fürchten, dass Attacken auf die ÖVP nur den von ihnen noch mehr gehassten Freiheitlichen nutzen werden. Zugleich ist ihnen klar, dass eine neuerliche parlamentarische Mehrheit für Schwarz-Grün nach der nächsten Wahl praktisch ausgeschlossen ist. Alle anderen kennen aber in Wahrheit nur ein Ziel: Das ist weit links.

Koalitionspartner ÖVP wiederum muss täglich mehr erkennen, dass er sich den in ideologischer Hinsicht ärgsten Feind ins eigene Bett gelegt hat. Die ÖVP steht aber jetzt alternativlos da.

  • Sie hat 2017 zu Recht die total von Hass und Dissens geprägte Koalition mit den Roten beendet, die die Schwarzen – obwohl fast gleichstark – täglich zu demütigen versucht hatten.
  • Sie hat dann aber auch 2019 voreilig die Koalition mit den Blauen beendet, obwohl diese bereit waren, ihren Spitzenmann Strache nach der Ibiza-Affäre abzuziehen. Aber die ÖVP wollte überdies auch Kickl weghaben. Was die Blauen nicht akzeptierten.

Seither lautet das oberste, ja fast einzige Parteiprogramm der FPÖ: Hass auf und Rache gegen die ÖVP.

Und die Neos als fünftes Rad am parlamentarischen Wagen waren sowieso fast immer zu klein, um zusammen mit der ÖVP eine Parlamentsmehrheit zu erringen. Nach dem Ende der kurzen Kurz-Glückssträhne der ÖVP war der Gedanke an ein Schwarz-Pink lediglich etwas für utopische Phantasien. Außerdem waren die Neos noch mehr als alle anderen Parteien vom ersten Tag an darauf programmiert, vor allem der ÖVP Stimmen abzunehmen.

Die Lage für die ÖVP ist bitter. Alle vier anderen Parteien haben sie aus unterschiedlichen Gründen zum Hauptfeind erkoren. Rot und Grün, um sich im linken Lager als die wahren Feinde der Bürgerlichen zu profilieren; Pink und Blau, um den ihnen relativ ähnlichen "Schwarzen" Stimmen abzujagen. Auch wenn Pink strategisch vor allem mit einer linken Ampel kokettiert; auch wenn Blau jetzt (wieder einmal) besonders eng mit den Roten kooperiert.

Die wahre Problematik lautet aber: Warum funktionieren Parteibeziehungen in einer Koalition so schlecht? Unter welchen Umständen würden sie besser funktionieren? Da finden sich in der Nachkriegsgeschichte nur drei Perioden, in denen Koalitionen länger als ein paar Tage auch emotional funktioniert haben:

  1. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt, als alle Energien auf den Abzug der Besatzungsmächte und die Abwehr einer kommunistischen Machtübernahme konzentriert waren.
  2. In den Jahren vor dem EU-Beitritt, als die schwierige Balance zwischen den Notwendigkeiten der heiklen Beitrittsverhandlungen, den wilden Querschüssen von Grün und Blau und dem aus Rücksicht auf Moskau beibehaltenen Neutralitätsstatus zu suchen war.
  3. In den Jahren nach 2000, als die Regierung gegen die antiösterreichischen Sanktionen der übrigen EU-Staaten von außen und im Inneren gegen die wilden Demonstrationen der Linken und die medialen SPÖ-Kampfregimenter von ORF und Kronenzeitung bestehen musste.

Etliches gleicht sich in allen drei Perioden frappierend. Immer gab es:

  • schwierige Herausforderungen für Österreich von außen
  • und wilde innerösterreichische Opposition.

Dieser große und meist mehrfache Druck hat die jeweilige Koalition zusammengeschmiedet, vor allem, wenn er von außen gekommen ist.

  • Aber noch etwas war wichtig und entscheidend: Eine starke Führungspersönlichkeit an der Spitze, die ständig um Teamgeist und Konsens ringt.

Das hat man insbesondere in den Jahren nach 2000 gemerkt, als Wolfgang Schüssel einen guten Teil seiner Energie mit Erfolg auf Pflege des innerkoalitionären Konsenses aufgewendet hat. Gemeinsame Theater-, Museums- und Tiergartenbesuche schufen ein auch emotional gutes inneres Klima. Schüssel wollte damit die Lehren aus den Jahren davor ziehen, als insbesondere unter SPÖ-Bundeskanzler Klima die ÖVP immer auf die Eselsbank der Koalition verbannt worden ist und dadurch gedemütigt werden sollte. Allerdingss ist die Erfolgsformel dann an zu viel Eifersucht der nicht in der Regierung sitzenden Freiheitlichen wie  Haider oder Strache gescheitert.

Die klare Erkenntnis dieser Überlegungen lautet also, dass vor allem zusammenschweißender Druck von außen notwendig und eine charismatische, auf die emotionale Geschlossenheit achtende Führungspersönlichkeit wichtig sind, um eine Koalition am Leben zu erhalten. Diese Lektion ist trotz aller sonstiger Begabung nicht bei Schüssels Nachnachnachnachfolger Kurz gelandet, als er die zweite schwarz-blaue Periode gewagt hat. Kurz ließ sich vielmehr durch den Druck von außen irritieren, insbesondere durch die vielen linken Intrigen, die aus einer Mücke allwöchentlich einen Elefant zu machen versucht haben. Nach seinen nervösen Reaktionen auf die Liederbuch- und Rattengedicht-Mücken waren dann noch weniger Energie und Widerstandskraft vorhanden, als die linken Intrigen mit dem Lauschangriff von Ibiza eine ungeahnte Dimension erreichten.

Wie anders ist die jetzige Koalition! Da gibt es Null Druck aus dem Ausland, der zusammenschweißen würde. Auch innerkoalitionär hat kein emotionales Zusammenrücken stattgefunden. Die Medien jubeln täglich einseitig den Grünen zu, machen ganz in grüner Klimareligion und attackieren die ÖVP. Nicht einmal totale Schwachsinnaktionen wie die Prämierung von "Klima"-Tattoos durch die Umweltministerin werden von den Medien kritisiert, dafür so wie einst bei der FPÖ jede ÖVP-Mücke. Und die innerösterreichischen Intrigen sind von Seiten des kleineren Koalitionspartners mindestens so infam wie die von der Opposition.

Kein Wunder, dass ganz Österreich jetzt auf ein Ende dieser Koalition wartet.

Hoffentlich kommt dieses Ende noch, bevor der grüne Koalitionspartner dauerhaft katastrophale Spuren zurücklassen kann: Denn jetzt hat das Kanzleramt den Posten des österreichischen Richters beim EuGH ausgeschrieben. Und der soll nach den Festlegungen des Koalitionspaktes den Grünen zufallen. Was die ohnedies schon in vielerlei Hinsicht problematische Judikatur des EuGH noch schlimmer machen wird.

Aber die sonst bei "Postenschacher" so aufgeregt flatternden Mainstreammedien finden einen solchen total in Ordnung, wenn er den Grünen zufällt.

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