Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Sturz des roten Adlers

Von 180.000 auf 140.000: Das ist nicht die Kursentwicklung einer Bankaktie. So tief sind die österreichischen Banken ja gar nicht gestürzt, nur solche in der Schweiz und den USA. Nein, das ist der Absturz der SPÖ-Aktien. Oder konkreter: Das ist der Rückgang der Parteimitglieder binnen sechs Jahren.

2017 hat die Partei noch die stolze Zahl von 180.000 gemeldet. Heute, sechs Jahre später räumt man aus Anlass der Mitgliederbefragung ein, dass es nur noch "rund" 140.000 sind. Wenn es nicht schon tausend andere Gründe für sozialdemokratische Depression gäbe, dann wäre eine solche Mitgliederentwicklung mit Garantie ein ganz besonderer Anlass für besorgte Sondersitzungen der Parteigremien – würden sie sich noch um Partei und Wähler kümmern und nicht nur um interne Intrigen.

Der Partei schwinden die Mitglieder eindeutig rascher, als diese sterben können. Warum ist das so? Dafür gibt es etliche Gründe, die wichtigsten bestehen darin, dass die Motive für den Parteieintritt einfach weggefallen sind:

  1. So braucht heute niemand mehr die Partei, um einen normalen Job zu bekommen. Werden doch wirklich in jeder Preis- und Beschäftigungsklasse Tausende Jobs angeboten. Damit fällt der häufigste Grund weg, warum einst Menschen einer Partei beigetreten sind. Heute gilt geradezu das Gegenteil. Auch nur der leiseste Hauch, ein Kind der Parteiprotektion zu sein, wäre für jeden Berufseinsteiger schädlich. Heute muss sogar das Wiener Rathaus mit einer eigenen Jobmesse verzweifelt Nachwuchs für rund 20.000 Mitarbeiter suchen. Da ist Null Spielraum für den Nutzen, den das Parteibuch jahrelang gebracht hat.
  2. Ebensowenig braucht man die Partei  noch, um eine Wiener Gemeindewohnung zu bekommen. Auch hier gilt fast das Gegenteil: Viele jener Wiener, die Gemeindewohnungen bekommen haben, sind zunehmend empört, weil "ihre Stiege" sich zunehmend mit Problemfällen und Ausländern füllt. Etliche "vergessen" deshalb auch einfach auf das Zahlen der Parteibeiträge, ohne das Parteibuch formell zurückzugeben. Sie geben der Partei aber dennoch aus Protest nicht mehr ihre Stimme.
  3. Noch weniger Lust, Parteibeiträge zu zahlen, haben Gewerkschaftsmitglieder: Sie haben angesichts der saftigen Gewerkschaftsbeiträge vielfach das Gefühl bekommen, für das Gleiche zweimal zahlen zu müssen. Und nie zu bekommen. Weshalb ja auch die Gewerkschaft jährlich sinkende Mitgliederzahlen hat.
  4. Menschen mögen generell immer weniger fixe geistige Bindungen, Organisationen, die ihnen sagen, welche Meinung sie haben sollen.
  5. Ein anderer Grund, einer Partei beizutreten, wäre die Möglichkeit der politischen Mitbestimmung. Diese wird von jenen jungen Menschen, die in eine Partei gehen, immer wieder in einem etwas naiven Idealismus erhofft. Diese Mitbestimmung bestand jedoch schon seit langem nur noch auf dem Papier. Zwar scheint die Kampfabstimmung Rendi-Wagner vs. Doskozil eine Renaissance der erträumten Partizipationsmöglichkeiten zu bedeuten. Jedoch äußern sich inzwischen viele empört darüber, dass ihnen nur diese beiden Streithähne (oder ein Streithahn und eine politisch Überforderte) zur Auswahl vorgelegt werden. Und dass sich kein Dritter bereit gefunden hat, um eine echte Wahl zu simulieren. Die Mehrheit wird daher wohl gar nicht an dieser Wahl teilnehmen.

Aber auch schon die letzte Abstimmung, bei der allerdings wenig kontroverse Fragen zu beantworten waren, damit Rendi eine Zustimmung erhoffen kann, hat eine Beteiligung von nur 42 Prozent gebracht.

Das lässt die Frage offen: Was hält die restlichen 58 Prozent überhaupt noch in der Partei? Oder sind sie geistig eh schon lange ausgetreten oder gar verstorben? Und werden nur noch weiter nach oben gemeldet, damit die jeweilige Ortsgruppe relevanter ausschaut, als sie wirklich ist?

In jedem Fall ist der dramatische Rückgang ein massives Zeichen, wie ausgelaugt die Sozialdemokratie innerlich ist. Keine Bewegung hält die Hochschaubahn Klima-Gusenbauer-Faymann-Kern-Rendi-Doskozil aus. Und dann schon gar nicht, wenn jedes Mal Persönlichkeitskult angesagt ist.

Eine Bewegung, die krampfhaft an Ideen aus früheren Jahrhunderten festzuhalten versucht, obwohl sich die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, internationalen Verhältnisse so total geändert haben, kann niemanden mehr überzeugen. Und die einzige verbliebene Idee, täglich für etwas anderes mehr vom nicht vorhandenen Geld oder vom Geld anderer, die man halt als "Reiche" bezeichnet, zu fordern, ist mehr als verschlissen und lächerlich. Schon gar nicht attraktiv ist es für die Durchschnittsösterreicher, dass der Bobo-Teil der Sozialdemokraten daran glaubt, möglichst viele Inhalte von den Grünen übernehmen zu müssen. Und auf Kosten der einfachen Menschen und ihrer Lebensqualität den Planeten vor behaupteten Bedrohungen retten zu wollen.

Noch einmal zurück zu den Mitgliederzahlen: Genauso wenig sollte man freilich auch bei den anderen Parteien allzu tief nachforschen, ob es die behaupteten großen Mitgliederzahlen in der Realität gibt. 2017 hat die ÖVP die gewaltige Summe von rund 500.000 Mitgliedern gemeldet, was die spitze Frage  aufkommen lässt, ob da nicht der besonders starke Bauernbund jeden Hofhund mitzählt …

Da klingt die FPÖ eine Spur realistischer: Sie meldete "nur" 60.000. Aber auch bei den Freiheitlichen hört man reihum Skepsis, ob es so viele sein können.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung