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Das Schlimmste wollen wir lieber gar nicht wissen

Wir haben eine Unzahl von Wirtschaftsforschungsinstituten. Sie werden aus dem Budget, von den Sozialpartnern oder Unis finanziert. Dennoch erfährt man seit Jahren ausgerechnet über eine der problematischsten Zahlen der Volkswirtschaft gar nichts. Sie wird nicht ausgerechnet oder zumindest nicht veröffentlicht, obwohl die Statistik sonst Tausende Banalitäten zählt, wie etwa dass 72,3 Prozent der Heidelbeeren steirisch sind.

Es wäre freilich eine beklemmende Zahl. Es ist die der "impliziten Staatsverschuldung". Sie würde die echte Last auf Österreichs Zukunft anzeigen. Dabei ist schon die offiziell gemessene Verschuldung hoch: Sie liegt über 84 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Dabei hat sie bis zum Jahr 2008 nie 69 Prozent erreicht. Dabei hätten die Null- und Negativzinsen der letzten Jahre eigentlich eine Rückführung der Schulden leicht machen müssen. Statt dessen haben wir ununterbrochen alles und jeden gerettet, "was auch immer es kostet". Einmal war die Bankenkrise der Vorwand dafür, einmal Corona, einmal die Inflation. Nur für den Schuldenabbau hatten wir nie Zeit.

Dabei steuern wir in eine massive Überalterung hinein. Die jetzt den (ihrer Meinung nach) wohlverdienten Ruhestand antretenden Babyboomer hätten also eigentlich besonders viel auf die hohe Kante legen müssen, nachdem sie schon viel zu wenig Kinder in die Welt gesetzt haben.

Aber gerade wegen der Überalterung steigt die implizite Staatsverschuldung rasch. Denn sie misst nicht nur die zivilrechtlichen Schulden des Gesamtstaates (in Form von Anleihen usw.), sondern auch seine sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen. Das sind vor allem die künftigen Pensionen, auf deren Auszahlung ein Rechtsanspruch gegen den Staat besteht (auch wenn die jährlichen Erhöhungssätze und das künftige Lebensalter der Pensionisten im Detail noch ungewiss sind). Für diese Pensionen ist aber kein Kapital angespart worden. Daher müsste sie jeder seriöse Buchhalter und Wirtschaftsprüfer seriös schätzen und als rechtliche Verpflichtung in die Staatsbilanz aufnehmen.

Ein seriöser Buchhalter halt – und überdies einer, der nicht gleich einen Herzinfarkt bekommt, wenn er den herauskommenden Wert sieht. Denn als dieser vor zehn Jahren von Ökonomen berechnet worden ist, betrug er 251 Prozent des BIP, vor fünf Jahren schon 260 Prozent.

Das sind schockierende Zahlen. Daher berechnen wir sie lieber gleich gar nicht mehr.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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