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Preisbremsen, Übergewinne und die Schmerzpulver

Da bleibt einem der Mund offen. Seit Wochen stänkert Frau Rendi-Wagner gegen die diversen Preiserhöhungen und verlangt von der Bundesregierung einen Preisstopp und Preisdeckel und die teilweise Abschaffung der Mehrwertsteuer. Das würde Milliarden kosten. Das heißt, laut Rendi sollen wir auf Pump leben (solange uns halt noch jemand Geld leiht). Was aber macht die von der Partei der Frau Rendi regierte Gemeinde Wien? Diese denkt nicht einmal an einen Preisstopp, sondern jagt die Preise für ihre eigenen Gebühren und Dienstleistungen um saftige zweistellige Prozentsätze in die Höhe. Das Verhalten der österreichischen Sozialdemokraten wird noch viel unverfrorener und verlogener, wenn man sich die Wiener Preiserhöhungen näher anschaut (mit nachträglicher Ergänzung).

Freilich genau das – also dass da allzu genau auf die Aktionen des Rathauses hingeschaut wird – wollten die Genossen dadurch vermeiden, dass sie die Preiserhöhungen ausgerechnet am Höhepunkt der Sommers bekanntgeben, wo die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit üblicherweise stark reduziert ist.

Das wirklich Arge liegt darin, welche Preise in Wien erhöht werden: Denn während das Steigen der Energiepreise, über die sich die SPÖ-Chefin alteriert, fast alle Bereiche bis zur Industrie und zum Handel in einem heftigen Kaskadeneffekt belasten, geht es in Wien vor allem um die Erhöhung der Gebühren für Dienstleistungen. Das ist ein Riesenunterschied: Denn bei Dienstleistungen muss man dem Ausland nichts oder fast nichts für gestiegene Energiepreise zahlen. Höchstens bei der Müllabfuhr kann man einen Teil der Preiserhöhungen mit erhöhten Treibstoffkosten für die Fahrzeuge argumentieren. Beim Rest kann man weder Putin noch der EU die Schuld in die Schuhe schieben (oder den Amerikanern, die ja für Rechts- und Linksaußen an allem schuld sind).

Eine besonders arge Zumutung ist die Erhöhung der Parkgebühren: Da kostet künftig eine Stunde 2,50 Euro statt 2,20. Diese Erhöhung ist durch keinerlei Vorkosten zu rechtfertigen. Sie ist reines Abkassieren, um die Gemeindekasse aufzufetten (wahrscheinlich um dann noch mehr Parkplätze zu Fahrradwegen zu verwandeln oder noch mehr Korruptionsinserate zu zahlen). Bei Gemeindedienstleistungen ist jedenfalls fast nichts – wie etwa bei Gas- oder Öl-abhängigen Produktionen – der Preiserhöhungen direkt an ausländische Lieferanten weiterzuzahlen.

Diese Erhöhungen sind zwar rein formal durch die Inflationsrate gedeckt. Aber gerade bei solchen reinen Finanzierungsgebühren zugunsten der Stadtkassa wäre es nicht nur möglich, sondern sogar dringend notwendig, die gefährlich und belastend nach oben schnellende Lohn-Preis-Spirale zu unterbrechen versuchen, ohne dass das in zusätzliche Schulden geht.

Wir lernen: Die Genossen verlangen vom Bund eine allgemeine Preisbremse, also nichts anderes als eine massive Erhöhung der Schulden, um dem Ausland die explodierenden Gaspreise zu bezahlen. Sie erhöhen aber dort, wo sie selber regieren, kräftig die Einnahmen, auch wenn damit gar nicht höhere Energiekosten oder sonst etwas abzudecken sind.

Offen bleibt da nur die Frage: Ist das einfach nur zynisch-verlogener Politopportunismus oder verstehen die Genossen wirklich nichts von finanziellen und ökonomischen Zusammenhängen?

Letztere Vermutung wird jedenfalls auch dadurch bestätigt, dass derzeit ständig die SPÖ und  ihre Vorfeldorganisationen wie die (von Zwangsbeiträgen lebende) Arbeiterkammer verlangen, man solle halt den Unternehmen die "Übergewinne" wegnehmen. Das haben zwar auch schon Politiker aus anderen Parteien gefordert, darunter auch Bundeskanzler Karl Nehammer. Dieser hat aber diese Schwachsinnsforderung nicht mehr erhoben, nachdem er offenbar einen Kurzkurs in Sachen Ökonomie bekommen hatte und lernbereit zu sein scheint.

Warum ist das "Übergewinne-Besteuern"-Gerede Schwachsinn? Aus mehreren Gründen.

  1. Der Begriff "Übergewinne" ist ja nicht einmal definiert.
  2. Man kann ihn gar nicht definieren, ohne dass dann nicht auch jeder Lotteriegewinn zum "Übergewinn" wird.
  3. Logischerweise müsste es dann auch "Untergewinne" geben, die dann vom Staat zu ersetzen sind, wenn er Unternehmen trotz hoher Steuersätze früher irgendwelche "Übergewinne" geraubt hat.
  4. Sollten mit "Übergewinnen" jedoch nur Gewinne in der Energiebranche gemeint sein, wäre das höchstwahrscheinlich gleichheitswidrig – freilich weiß man beim VfGH ja nie, was herauskommt.
  5. Aber bei einer Beschränkung auf Energie wird eine "Übergewinn"-Besteuerung jedenfalls nicht viel Geld in die öffentlichen Kassen bringen: Denn von Gazprom bis Katar und Norwegen sind alle Lieferanten, die auf Grund der global entstandenen Knappheiten höhere Preise kassieren, weit außerhalb des Zugriffs irgendwelcher österreichischer Steuerbehörden. Sie können daher über die österreichischen Politikervorschläge nur lachen.
  6. Inländisch sind nur die Strom-Unternehmen – die aber sind zum allergrößten Teil ohnedies in den Händen von Bund oder Ländern. Wo sie ja ihre Gewinne sowieso jährlich abliefern.
  7. Sollten neben den Erzeugern auch Importeure von Gas, Strom, Benzin als "Übergewinnler" gemeint sein, dann wird es bald nur noch wenige Vollidioten geben, die knappe Güter nach Österreich importieren (als Folge werden wir auch dann noch unter Knappheit leiden, wenn diese Güter eines Tages nicht mehr knapp sein werden und andere Länder wieder zügig zu den wieder fallenden Preisen beliefert werden).
  8. Sollte Österreich aber dennoch irgendwo der gierige Zugriff auf einen Energiekonzern glücken, dann hätte das erst recht den gegenteiligen Effekt: Denn gerade Energiekonzerne stecken jetzt weltweit jeden Dollar, der ihnen zusätzlich überbleibt, angesichts der gestiegenen Preise in Auffindung oder Entwicklung oder Import zusätzlicher Energie, in Windräder, in Flüssiggasanlagen, in Speicherkraftwerke, in Pipelines, Solarpaneele, in den Fracking-Abbau. Sie würden das zwar aus logischem Eigeninteresse eines gewinnorientierten Unternehmens tun, aber wir hätten bei genügend Investitionen in absehbarer Zeit wieder ausreichende und sichere Energie, die nicht von einem bösartigen Diktator abhängig ist.
  9. Der Schaden der Einführung einer "Übergewinn"-Besteuerung trifft darüber hinaus die gesamte Wirtschaft, selbst wenn er – diesmal – nur für Energie gedacht ist. Denn Österreich sendet damit an internationale, aber auch an heimische Investoren lautstark die Botschaft: Ihr könnt gern euer Geld investieren, aber nachher nehmen wir euch eventuelle Gewinne wieder ab, die aus der Investition erwachsen könnten. Nur noch sehr große Dummköpfe würden dann in Österreich investieren.
  10. Die Argumentation ist haargenau die gleiche, mit der die russischen Kommunisten nach 1917 alle Unternehmer und dann auch alle Bauern enteignet haben: Diesen war auch vorgeworfen worden, dass sie sich auf Kosten anderer bereichert hätten, dass sie zu viel "Profit" gemacht hätten (was nichts anderes als ein besonders negativ besetztes Wort für Gewinne ist). Kurzfristig haben Kommunisten/Sozialisten nach solchen Aktionen ja tatsächlich mehr Geld zur Verfügung gehabt. Nach wenigen Jahren aber hat das immer bittere Armut fürs ganze Land zur Folge gehabt. Weil niemand aus dem Ausland mehr in einem solchen Land investiert, weil jeder aus diesem Land sein Geld ins Ausland schafft, weil dort niemand mehr unternehmerisch tätig sein will.

Freilich fragen derzeit viele der jeder Ahnung von ökonomischen Zusammenhängen baren Österreicher und natürlich auch die Boulevard-Medien bange: Aber ohne Preisbremse müssten ja wir selbst die Folgen dieser Teuerung und dieser nicht bei uns gemachten Energiekrise tragen! Da kann man nur antworten: Ja, das müssen wir leider. Wir werden niemanden finden, der uns diese Folgen abnimmt. Egal wie viel wir auf Putin oder die EU oder sonst wen schimpfen.

Die einzige Wahl, die wir haben, liegt im Wie. Im Grund gibt es  nämlich nur zwei Möglichkeiten, auf dier Energie- und Inflationskrise zu reagieren:

  • Wir schieben die Ursachenbekämpfung ständig hinaus. Das wird dazu führen, dass die Inflation spiralförmig immer weiter nach oben geht, dass niemand mit Energie (Gas, Strom, Benzin) sonderlich sparsam umgehen muss, und dass niemand mehr in möglichst viele unterschiedliche Energiequellen investieren will.
  • Oder wir stellen uns gleich den unangenehmen Realitäten und haben die Krise dann viel rascher hinter uns (was durchaus einschließt, dass man den wirklich Armen in der Krise unter die Arme greift).

Eine Medizinerin wie Rendi-Wagner sollte eigentlich begreifen, dass es immer besser ist, sich rasch und radikal einer Krankheit zu stellen, statt nur ihre Symptome mit Schmerzmitteln zu bekämpfen, während die Krankheit selber weiter um sich greifen kann. Aber zugegeben: Es gibt viele Patienten, die jene Ratgeber lieber haben, die ihnen zur Symptomkur oder gar zu homöopathischer Kurpfuscherei raten, als die Ärzte, die ihnen brutal die wahren Konsequenzen ihrer Situation darlegen.

Und Politiker wollen halt viel lieber die Homöopathen oder Energetiker oder Handaufleger sein, die alles heilen können.

(Nachträgliche Ergänzung: Ein Leser hat mich nachträglich auf das eigentlich allerbeste Gegenargument gegen die Preiserhöhungen der Gemeinde Wien für Dienstleistungen aufmerksam gemacht: Der Abonnentenpreis des Tagebuchs sei seit seiner Gründung 2009/10 konstant geblieben, obwohl er mit der Begründung des Wiener Rathauses schon um 30 Prozent erhöht werden könnte. Der Leser hat leicht Unrecht: Das Jahresabo ist sogar einmal billiger geworden. Aber freilich: Ich bin ja keine Behörde, die die Menschen zu etwas zwingen kann,)

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