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Die Helfer des Donald Trump

Die amerikanischen Justizbehörden hatten hoffentlich wirklich gewichtige Beweise schon in der Hand, als sie das Anwesen des Donald Trump mit einer gewaltigen Armada stürmten. Und zwar Beweise für deutlich gewichtigere Delikte als die Annahme, dass Donald Trump – so wie höchstwahrscheinlich viele seiner Vorgänger – nach seiner Amtszeit Papiere aus dem Amt nach Hause mitgenommen hatte, um damit dann später seine Memoiren zu schreiben. Sollten sie die Megahausdurchsuchung samt Safe-Sprengung hingegen nur in der (hierzulande als WKStA-Methode bekannten) Hoffnung gemacht haben, "Irgendetwas werden wir schon finden", dann ist das eine globale Katastrophe.

Denn dann ist der moralische Anspruch der USA endgültig zertrümmert, so etwas wie ein Vorbild, eine Führungsmacht der Welt der Freiheit, der Demokratie und des Rechts zu sein. Denn dann ist für alle Welt klar, dass hier die Staatsgewalt und das Justizsystem wie in üblen Diktaturen einfach dazu missbraucht wird, um politische Gegner zu beschädigen (für den Rest dieses Textes erspare ich mir die sich ständig aufdrängenden Vergleiche mit dem, was wir schon in der heimischen Staatsanwaltschaft an Üblem beobachten haben müssen, wie etwa den jüngsten Prozess, weil ein hoher Justizfunktionär offenbar Informationen an Unbefugte weitergegeben hat – etwas, was nach Überzeugung fast aller Rechtsexperten die anklagende Staatsanwaltschaft in noch viel größerem Umfang und in ganz anderen Dimensionen selbst begangen haben dürfte, was aber die Justizministerin nie untersuchen hat lassen).

Zurück in die USA: Gewiss, ein Präsident hat bei Amtsende alle amtlichen Unterlagen rechtlich an die staatlichen Archive abzugeben. Ebenso gewiss ist, dass das die meisten nicht getan haben. Denn rein aus dem Gedächtnis könnten sie nicht viele Jahre später in ihren Memoiren detailliert Vorgänge aus ihrer Amtszeit berichten oder sich gegen späte Vorwürfe verteidigen. Es lässt einen beim Lesen amerikanischer Politikermemoiren geradezu schmunzeln, wenn Ex-Präsidenten behaupten, sich einzig auf ihre persönlichen Tagebücher zu stützen. Denn hätten sie die wirklich so detailliert geführt, dann wären sie Präsidenten mit einem Halbtagsjob gewesen, die den restlichen Tag ihre Tagebücher geschrieben hätten.

Es ist überdies nur sehr schwer vorstellbar, dass Trump irgendwelche wirklich staatsgefährdende oder für die amerikanische Sicherheit wichtige Unterlagen beiseite geräumt haben könnte, die sonst niemand in der US-Administration hatte. Abgesehen davon, dass es immer wieder Hinweise auf Abhöranlagen selbst im Weißen Haus im Dienste der Aufzeichnung aller Äußerungen eines Präsidenten gibt; abgesehen davon, dass nachgewiesenermaßen bei Telefonaten des Präsidenten oft der Geheimdienst mitgehört hat, so ist doch eindeutig klar: Selbst wenn ein Präsident unziemliche Gedanken auf einen Notizblock geschrieben oder bei einem Gespräch geäußert haben sollte, so konnten diese Gedanken erst dann relevant werden, wenn sie in eine konkrete Handlung münden. Also wenn etwa Staatsgelder unkorrekt ausgegeben oder Staatsgeheimnisse weitergegeben werden.

Bei jeder solchen Handlung muss es wohl zumindest eine zweite Person gegeben haben, die dann eine ungehörige Anweisung des Präsidenten auch umgesetzt hat, wenn es eben um mehr als ungehörige Gedanken gegangen sein sollen.

Und noch etwas lässt einen den Kopf über die Megaaktion gegen Trump schütteln: Ein US-Präsident hat bis zum letzten Tag seines Amtes das Recht, geheime, "classified" Dokumente mit einem Federstrich zu "unclassified" Papieren zu machen. Wenn Trump nicht ganz dumm war, dann hatte er einst einfach am letzten Amtstag einen solchen Zettel geschrieben.

All das lässt derzeit auch Millionen von US-Bürgern den Kopf schütteln. Und zwar nicht nur jene, die ihm all seine Unwahrheiten geglaubt haben, von denen er zweifellos mehr in die Welt gesetzt hat als die meisten anderen Politiker (auch wenn viele dabei sehr eifrig sind). Zu deutlich sichtbar ist das krasse Missverhältnis: Hier die mutmaßliche Übertretung einer Verwaltungsvorschrift, die einst zugunsten von Archivaren erlassen worden war, und dort ein Polizeiaufgebot, als gelte es, einen verschanzten Mörder und Mafiaboss zu erwischen. Trump und alle Republikaner – die, die ihn lieben, wie auch die, die ihn verachten, – vergleichen nun die Hausdurchsuchung nicht ganz zu Unrecht erzürnt damit, wie lax in den USA oft gegen Kriminelle vorgegangen wird (übrigens auch deshalb, weil dabei in letzter Zeit jeder Polizist Angst haben muss, sofort wegen angeblich exzessiver Gewaltanwendung gegen einen nicht kooperierenden Kriminellen vor allem nichtweißer Hautfarbe selbst auf der Anklagebank zu landen).

Das Ganze passierte nun ganz, ganz zufällig am Beginn eines Wahlkampfs für die Kongresswahlen im November, und gleichzeitig in einer Phase, in der immer mehr Amerikaner schon darüber spekulieren: Wird Trump oder wird er nicht – nämlich in zwei Jahren noch einmal antreten? Kann das Zufall sein, nachdem Trump ja schon vor mehr als eineinhalb Jahren das Weiße Haus verlassen hat?

Tatsache ist, dass in den USA jemand selbst dann Präsident werden kann, wenn er verurteilt worden ist. Wichtig ist nur, dass er in den USA geboren ist. Wenn eine eventuelle Verurteilung bloß wegen eines Formaldelikts wie der verbotenen Mitnahme von Unterlagen erfolgt sein sollte, dann wird das mit Sicherheit den Solidarisierungseffekt mit Trump wegen einer offensichtlich parteipolitischen Verfolgung nur noch erhöhen. Weil deswegen bisher noch kein Ex-Präsident verfolgt worden ist.

Zu oft haben schon die keineswegs überparteilichen amerikanischen Justizbehörden in den letzten Wochen auch in anderen Zusammenhängen versucht, gegen Trump vorzugehen, als dass man nicht misstrauisch werden müsste. Wegen möglicherweise allzu kreativer Steuererklärungen vor seiner Präsidentschaft; oder wegen seiner Rolle beim Sturm auf den US-Kongress am Ende seiner Amtszeit. Aber bisher haben die Staatsanwälte nirgendwo den rauchenden Colt gefunden, nach dem sie so intensiv suchen, der direkte strafrechtliche Delikte Trumps beweisen würde.

Ohne diesen Colt aber sind all die Bemühungen der US-Behörden gegen Trump nur eines: eine dramatische Wahlkampfhilfe für ihn, falls er wiederkandidieren will. Denn so kann er sich mit etlicher Glaubwürdigkeit den Amerikanern als unschuldiges Opfer einer demokratischen Verfolgungsjagd präsentieren.

Gleichzeitig findet sich ihm gegenüber auf der Seite der Demokraten ein schwacher Präsident, der als Schuldiger an der dramatischen Inflation und am demütigenden Afghanistan-Abzug gilt und der deshalb sehr unpopulär geworden ist (wobei die meisten Amerikaner vergessen, dass dieser Abzug schon von Trump angekündigt worden war). Vor allem zeigt der 79-jährige Joe Biden schon erkennbar massive Alterungserscheinungen, während der 76-jährige Trump körpersprachlich noch voll dynamisch wirkt.

Die Lage für die Demokraten ist so ernst, dass immer mehr von ihnen Biden sogar öffentlich auffordern, kein zweites Mal zu kandidieren. Jedoch gibt es keinen klaren Ersatzkandidaten, wenn Biden wider Erwarten diesen Aufforderungen auch folgen sollte. Und vor einer Kandidatur von Bidens Vizepräsidentin Karmala Harris fürchten sich viele so sehr, dass sie sagen: Dann doch lieber Biden.

Auf republikanischer Seite gibt es hingegen auch über Trump hinaus deutlich mehr interessante Kandidaten. Freilich ist die Partei auch tief gespalten zwischen jener Minderheit, die Trump wegen seiner vielen Lügen, hohlen Eitelkeiten und fehlenden Bereitschaft, das letzte Wahlergebnis anzuerkennen, offen bekämpft, und den gläubigen Trump-Anhängern. Es wäre daher durchaus klug, wenn es einer jener wird, die in allen wesentlichen Punkten für den "Trumpismus" stehen, die aber nicht seine charakterlichen Defizite haben. Und die einfach nicht "er" sind.

Das, was in den USA als "Trumpismus" bezeichnet wird, ist – trotz aller Verteufelung durch die linken Medien – klassischer Liberalkonservativismus (dieses Wort kann aber in den USA nicht verwendet werden, weil "liberal" dort für sozialdemokratisch steht). Dieser Liberalkonservativismus prägt auch die republikanischen Trump-Gegner. Seine Eckpunkte: pro Familie und Freiheit des Individuums, gegen Schwulenehe und Trans-Kult, gegen Abtreibung, gegen illegale Immigration, für Meinungsfreiheit, für niedrige Steuern, für Law and Order, für eine starke US-Armee, für Patriotismus und mit starken Sympathien für das evangelikale Christentum.

Umstrittener ist die außenpolitische Linie eines Trumpismus. Trump war nämlich der isolationistischste US-Präsident seit langem; er hatte in Handelsfragen einen klaren Zug zum Protektionismus und verstand die Vorteile des Freihandels nicht wirklich. Das macht ihn neben seinen dümmlichen Lügen und seiner aufgeblasener Eitelkeit für einen europäischen Liberalkonservativen auch inhaltlich zum Problemfall.

In anderen zentralen Fragen der Außenpolitik kann Trump allerdings auf die drei ganz großen Positiva seiner Amtszeit verweisen, denen Biden zumindest bisher nichts Gleichwertiges gegenüberzustellen hat:

  • Trump (oder genauer sein Schwiegersohn Kushner) hat die große Versöhnung zwischen Israel und Saudi-Arabien sowie den kleinen Golfstaaten geschafft. Das kann in Hinblick auf einen Nahostfrieden gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
  • Trump hat immer wieder die Europäer bedrängt, deutlich mehr für die Verteidigung auszugeben. Jetzt, nach Ausbruch des Ukrainekrieges tun sie es und bestätigen ihn damit im Nachhinein.
  • Trump hat immer wieder die Europäer bedrängt, amerikanisches Flüssiggas zu kaufen. Jetzt, nach Ausbruch des Krieges tun sie es und bestätigen damit Trump im Nachhinein, nachdem sie ihn lange nur als miesen Kaufmann gesehen haben, der die Außenpolitik bloß als Hilfsinstrument für Amerikas Handelsinteressen einsetzt.

Nur wer sowohl die negativen wie auch die positiven Seiten Trumps offen anspricht, ist halbwegs objektiv – und kann dann aber auch mit etlicher Berechtigung sagen: Es wäre besser für Amerika, für die Welt und die für die Welt so wichtigen liberalkonservativen Werte, würde sich Trump freiwillig zurückziehen. Das wird sein überdimensioniertes Ego aber wohl niemals zulassen.

Das Schlechteste hingegen für Amerika und die Welt wäre es, wenn sich Staatsanwälte und Richter selbst an Stelle der demokratischen Entscheidung setzen, ob es noch einmal Trump geben soll. 

PS: Manchmal wünscht man sich aber insgeheim doch eine Rückkehr Trumps – gleichsam als empörtes Kontra zu all dem von Linken gegen ihn ausgehenden Hass, wie man ihn exemplarisch dieser Tage etwa im theoretisch zur Objektivität verpflichteten Gebührensender ORF hören konnte, als wörtlich behauptet worden ist, der "Polit-Wahnsinn" sei zurück in Washington ...

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