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Verdächtige Zusammenhänge zwischen Gas und EZB-Zinsen

Hurra, es gibt wieder Gas, und das Geld ist auch wieder etwas wert! Der offizielle Jubel ist nett. Auf beiden Feldern könnte die Zukunft tatsächlich viel dramatischer ausschauen – aber eine dauerhafte Problemlösung ist damit weder da noch dort erzielt. Nicht einmal annähernd. Die jüngsten Beschlüsse der Europäischen Zentralbank könnten sogar an Stelle einer scheinbaren Rückkehr zur Vernunft eine noch negativere Entwicklung einleiten. Auch wenn der Pferdefuß sehr geschickt versteckt worden ist. Und einige erstaunliche Zusammenhänge lassen einen noch viel skeptischer werden.

Zuerst aber zum Gas: Dass die teilweise Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen das europäische Energieproblem löst, können jedenfalls nur rettungslos naive Optimisten annehmen.

  1. Denn schon der jüngste Totalstopp der russischen Exporte war ja durch nichts technisch gerechtfertigt gewesen, hätten die Russen doch genug Ersatzturbinen für die eine zur Reparatur nach Kanada geschickte gehabt.
  2. Denn die Gas-Quantitäten, die Russland jetzt wieder schickt, sind ebenso wie vor dem angeblichen Turbinenproblem so gering, dass es etwa in Österreich dennoch mit Sicherheit zu gravierenden Sparmaßnahmen kommen muss.
  3. Denn Wladimir Putin ist jederzeit zuzutrauen, wie seine zahllosen Lügen und Tricks der letzten Monate beweisen, dass er unter irgendwelchen Vorwänden die Gasexporte sogar wieder ganz auf Null dreht.
  4. Denn diese Versuchung wird umso größer sein, je länger und erfolgsärmer sein Krieg ist (der normalerweise sehr objektive und gut informierte britische Geheimdienst spricht jetzt sogar davon, dass den Russen angesichts von 15.000 Gefallenen und großen Rekrutierungsproblemen bald die Luft ausgehe), und je mehr Russlands Industrie und Armee unter den westlichen Sanktionen leiden, da ihnen entscheidende Ersatzteile fehlen – so haben die russischen Eisenbahnen in erstaunlich demütiger Form schon um eine Aufhebung der sie betreffenden Sanktionen gebettelt.
  5. Denn der Vorschlag der EU-Kommission, dass wir von Russlands Gas unabhängiger werden, wenn alle Länder 15 Prozent einsparen, hat kaum Chancen, von allen Mitgliedsstaaten angenommen zu werden (es sei denn – siehe unten).
  6. Denn es gibt etliche EU-Länder, die kaum vom russischen Gas abhängig sind – dort ist der Bevölkerung in keiner Weise ein so drastischer Verzicht einzureden. Und 15 Prozent sind drastisch.
  7. Denn etliche südeuropäische Länder haben noch gut in Erinnerung, wie überheblich Deutschland oder auch Österreich sie einst zu budgetpolitischer Disziplin gemahnt haben – daher ist es für sie jetzt geradezu ein aufgelegter Elfmeter, sich zu revanchieren und etwa diesen beiden Staaten zu sagen: Ihr habt die Pflicht zu energiepolitischer Diversifizierung verletzt und euch grob fahrlässig von Russland abhängig gemacht, da müsst ihr jetzt schon selber die Suppe auslöffeln.

Die Tricks der EZB

Und wie ist der Beschluss der EZB zu deuten, dass die Null- und Minuszinssätze nach langen Jahren zu Ende gehen?

Das kann man gewiss als ersten Schritt zurück zur Vernunft deuten, dem noch weitere folgen könnten.

  • War es doch ein absoluter Wahnsinn, dass Unternehmen die Entgegennahme von Zahlungen abgelehnt haben, weil sie nicht Strafzinsen bei der Bank zahlen wollten, und lieber den kompletten Zahlungsausfall durch einen späteren Konkurs des Schuldners in Kauf genommen haben.
  • War es doch für eine ganze Generation geistig deformierend, dass ihr von der europäischen Politik Sparen als ein zu bestrafendes Fehlverhalten vermittelt worden ist.
  • Sind doch durch das überschüssige EZB-Geld viele unsinnige Investitionen getätigt worden.
  • Und hat doch kein EU-Staat ehrlich zu sparen begonnen, sondern primär haben sie alle nur nachgedacht, wie man möglichst viel Geld aus Brüssels Kreditaufnahme für sich holt.

All diese Schäden sind durch diese lange Phase einer völlig falschen Zinspolitik bereits passiert, sind in ihrer Langzeitwirkung fast irreparabel, da man sich mit dem Richtungswechsel viel zu lange Zeit gelassen hat.

Jedenfalls ist das halbe Prozent, das die EZB nun als neuen Leitzins beschlossen hat, völlig unzureichend, um die auf acht Prozent hinaufgeschnellte Inflation einzudämmen, die ja neben dem Wahnsinn der Null- und Negativzinsen auch durch Lieferkettenprobleme und durch den Krieg samt all seinen Folgewirkungen ausgelöst worden und daher kaum noch einfangbar ist.

Der wirkliche Skandal liegt jedoch in einer scheinbaren Nebenpassage versteckt, die kaum ein Europäer (inklusive der Journalisten) in diesem ganz bewusst gewählten Bankkauderwelsch verstehen wird, geschweige denn durchschauen. Sie lautet:

"Das TPI (Transmission Protection Instrument) wird das Instrumentarium des EZB-Rates ergänzen und kann aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen."

Wie bitte? Was heißt das, außer dass wie einst im Kommunismus eine Machtbehörde den Markt nicht mag, also die Summe der Entscheidungen von Abermillionen Menschen? Auch die zusätzliche Erklärung der EZB klingt nach einem ähnlichen Frotzelei-Geschwafel: "Der Umfang von Ankäufen im Rahmen des TPI hängt von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe sind nicht von vornherein beschränkt."

Kein Nichteingeweihter kann begreifen, was sich dahinter verbirgt: nämlich nicht weniger als die Lizenz zum unbegrenzten Schuldenmachen. Konkret ist das im letzten zitierten Satz versteckt. Waren die Ankäufe von Aktien schwer verschuldeter und weitgehend reformunwilliger Staaten wie insbesondere Italien durch die EZB bisher wenigstens limitiert gewesen, so können sie jetzt in jeder beliebigen Menge erfolgen!

Na super. Da kann es dann Italien & Co im Grund völlig egal sein, welche Leitzinssätze bei der EZB künftig gelten. Italien braucht sich noch weniger als bisher um seine derzeit 148-prozentige Staatsschuldenquote zu sorgen. Es braucht noch weniger als bisher zu bangen, ob es auch Käufer für seine Staatsanleihen findet. Muss Italien künftig höhere Zinsen zahlen, druckt es halt noch mehr papierene Anleihen und tauscht diese dann bei der EZB in noch mehr echtes Geld ein. Wobei offen bleibt, wieweit in der weiteren Folge der Euro überhaupt noch als echtes Geld bezeichnet werden kann.

Italien ist im Übrigen nicht die einzige Nation, für die das zuletzt Gesagte gilt. Vor allem rund um das Mittelmeer sind viele solcher Länder zu finden.

Lachen kann man jedenfalls nur, sollten Verteidiger der EZB einwenden, dass die Anleihen-Ankäufe ja von der Zentralbank auch wieder beschränkt werden können. Das wollen sie aus dem Hinweis herauslesen, dass die Ankäufe "nicht von vornherein beschränkt" seien. Mit Verlaub: Es wäre völlig absurd, die bisher in Kraft gewesene Beschränkung jetzt in der Absicht aufzuheben, sie bald wieder einzuführen. Wäre das gewollt, hätte man sie ja gar nicht aufzuheben brauchen! Dann hätte man sich die jetzt (sobald mehr als ein paar Eingeweihte diese Passage entziffert haben) unweigerlich entstehende Verunsicherung erspart!

Während das bisher Gesagte eindeutig ist, beruhen die folgenden drei Fragen vorerst nur auf – freilich nicht ganz unbegründeter – Spekulation:

  • Die EZB-Entscheidung fällt auffällig mit dem Sturz des ehemaligen EZB-Chefs Draghi (der die bisherige EZB-Politik hauptverantwortlich gezimmert hat!) als italienischer Ministerpräsident zusammen. Will man ihm mit dieser Formulierung im Wahlkampf gezielt helfen (in dem es zweifellos Draghi-begeisterte Parteien geben wird, auch wenn er selbst keine eigene Partei hat)? Man könnte aus dem seltsamen Text ja auch die indirekte Drohung herauslesen, dass es bei einem Sieg der Draghi-Gegner halt wieder weniger als die versprochenen unbegrenzten Anleihekäufe geben wird.
  • Wieweit stellt diese EZB-Formulierung ein Gegengeschäft mit den südeuropäischen Schuldenstaaten dar, damit sie den oben skizzierten Plan der EU-Kommission einer 15-prozentigen Reduktion des Gasverbrauchs akzeptieren, obwohl etliche von ihnen selbst eigentlich keine Notwendigkeit hätten, Gas zu sparen?
  • Hat die EZB den Zeitpunkt geschickt genutzt, Italien & Co noch mehr als bisher zu helfen, da Deutschland in der Gasfrage mit dem Rücken zur Wand steht? In einer solchen Position kann Berlin ja nicht mehr wie früher den Kämpfer der währungspolitischen Vernunft und Verantwortung spielen.

Es wird wohl etliche Wochen oder Monate brauchen, bis wir in diesen drei Punkten klare Antworten kennen. Zuzutrauen wäre den Brüsseler und Frankfurter Europäern jedenfalls jede einzelne der dahinter stehenden Vermutungen …

PS: Lauf auflachen musste man, wenn der ORF zur Verteidigung der EZB-Beschlüsse ausgerechnet einen Exponenten der österreichischen Tochter einer italienischen Großbank interviewt. Dieser hat – Überraschung, Überraschung – alles bestens gefunden, was die EZB jetzt getan hat …

PPS: Das Vertrauen in den Euro wird auch dadurch nicht gerade gestärkt, dass ausgerechnet jetzt mit Kroatien ein weiterer (typischer) Mittelmeerstaat in den Euro-Klub aufgenommen wird.

PPPS: Zu den oberflächlich gut klingenden Meldungen der letzten Stunden zählt auch jene einer ukrainisch-russischen Einigung über einen partiellen Waffenstillstand, damit beide Getreideexporte durchführen können. Das wäre natürlich wunderbar – aber nach den Erfahrungen der letzten Monate sollte man mit Jubel wirklich zuwarten, bis die Getreideschiffe in Afrika ihre Ladung abgesetzt haben.

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