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Der doppelte Irrtum der Kirche

So lächerlich die Vorwürfe vieler Medien und Linkskatholiken gegen den emeritierten Papst auch sind, so ernsthaft sind doch zwei sich immer deutlicher zeigende fundamentale Irrtümer der ganzen Kirche in ihrer Haltung zur Sexualität. Über die aber auch die Papstkritiker teilweise gar nicht gerne sprechen. Zugleich sind aber auch vielen Medien in ihrer Kirchenverachtung wieder einmal ganz fundamentale Verzerrungen vorzuwerfen.

An sich sind die Vorwürfe an Papst Benedikt schlicht lächerlich absurd. Einem 94-Jährigen wird vorgeworfen, dass er sich nicht korrekt daran erinnert hat, ob er vor 40 Jahren bei einer bestimmten Sitzung anwesend gewesen ist oder nicht. Kein einziger von uns – sofern er alt genug ist, vor 40 Jahren schon bei irgendwelchen Veranstaltungen dabei gewesen zu sein, – kann ähnliche Auskünfte geben.

Gar nicht lächerlich und absurd sind freilich die Taten echten sexuellen Missbrauchs vor allem an Kindern und Jugendlichen. Zu den Tätern fällt einem im Grund nur das brutale Bibelwort ein, dass sie eigentlich mit einem Mühlstein um den Hals versenkt werden sollten.

Dieses Bibelwort ist freilich in der katholischen Kirche gerade in den letzten Generationen durch ein ganz anderes Bibelwort überdeckt worden: nämlich durch das von der Barmherzigkeit. Dieses Prinzip ist ja an sich ein sehr humanes: Jedem Sünder soll – nach Reue, Beichte und Buße – immer wieder ein Neuanfang ermöglicht werden.

Dieses Prinzip findet sich übrigens auch im modernen Strafrecht: Wenn eine Strafe abgebüßt und getilgt ist, dann darf die davorliegende Tat niemandem mehr vorgehalten werden. Dann soll auch ein Verurteilter die genau gleichen Chancen wie alle anderen haben.

Dieses Prinzip ist an sich voll zu begrüßen und  bejahen. Nur haben als Folge sowohl das staatliche wie auch das kirchliche Rechtssystem ein Riesenproblem: Es gibt bestimmte Verbrecher, die aus einer Veranlagung heraus handeln, die immer wieder durchzubrechen droht. Trotz aller Psychotherapien und trotz aller oft ehrlich gemeinten Schwüre "Ich will es nie wieder tun." Trotzdem besteht immer wieder eine latente Gefahr, dass die Veranlagung doch eines Tages wieder durchbricht und zur Tat führt. So scheint insbesondere sexueller Missbrauch an Kindern auf so eine Veranlagung zurückzuführen zu sein.

Im Grund besteht da ein unlösbares Dilemma – gerade auch deshalb, weil sich die meisten anders Veranlagten so etwas Grausliches gar nicht vorstellen können, sondern in Kindern immer und absolut etwas zu Schützendes sehen. Und weil der richtige Umgang mit gefährlichen Veranlagungstätern zugleich noch viel schwieriger zu begreifen ist.

Auf der anderen Seite kann die moderne Gesellschaft niemanden zwingen, mit der Warnaufschrift "Vorsicht Kinderschänder!" herumzulaufen. Und sie kann ihn nicht lebenslang einsperren oder gar mit einem Mühlstein um den Hals im Wasser versenken. Darüber besteht zumindest heute breiter Konsens.

Die Folge ist aber extrem beunruhigend: Von manchen Mitmenschen geht daher dauerhaft eine größere Gefahr für Kinder aus als vom Rest der Gesellschaft.

Was also tun, außer Eltern zu ermutigen, immer genau hinzuschauen und auf das zu hören, was Kinder berichten? Darauf hat das staatliche System keine Antwort außer der, erstens, zu schauen, dass solche Menschen nicht gerade als Lehrer oder Erzieher irgendwo tätig sein dürfen, dass, zweitens, Wiederholungstäter weit strenger bestraft werden, dass es, drittens, den sogenannten Maßnahmenvollzug für psychisch gestörte Täter geben kann, der aber auch nicht ewig sein darf.

Darauf hat auch die Kirche keine wirkliche Antwort. Und die hat sie schon gar nicht, seit bei ihr der Wert der "Barmherzigkeit" so zentral geworden ist. Und noch weniger, wenn dabei der für die Kirche immer so wichtige Wert der Beichte ins Spiel kommt, wonach nichts von dem unter Beichtgeheimnis Gesagtem nach außen gelangen dürfe.

Die relativ – relativ! – beste Strategie besteht im Versuch, die Gefahr durch solche Täter weitgehend zu mindern. Das wäre dann möglich, wenn sie als Priester der kirchlichen Autorität unterstehen: Sobald es die kleinsten glaubwürdigen Anzeichen in Richtung Kindesmissbrauch gibt, darf ein solcher Priester – ganz unabhängig von dem natürlich immer zuständigen staatlichen Rechtssystem – nirgendwo mehr eingesetzt werden, wo er irgendwie in Kontakt mit Kindern kommt. Die einzigen Perspektiven sind dann etwa eines Seelsorgers in Altersheimen, eines Bibliothekars in Klöstern oder – so skurril das klingt – eines Universitätslehrers. Jenseits ihrer verhängnisvollen Veranlagung sind sie ja ganz normale und möglicherweise sehr gelehrte Menschen, die nur absolut vom Kontakt mit Ministranten oder Jugendgruppen ausgeschlossen sein sollten. So strikt, wie man etwa auch einen Alkoholiker komplett von jedem Alkoholkonsum fernhalten und nicht mit Sprüchen wie "Eh nur ein Schluckerl" drangsalieren oder verführen sollte.

So sehr zu hoffen ist, dass heute endlich überall streng nach dieser Strategie vorgegangen wird, dass also allen Bischöfen die Verantwortung für Kinder wichtiger ist als die Barmherzigkeit im Umgang mit sündigen Mitbrüdern, so sehr ist auch klar, dass das lange nicht so praktiziert worden ist. Dass man lange allen, die ehrlich zu bereuen schienen, neue Chancen geben wollte. Das war barmherzig, aber dumm.

Die Folgen dieser Dummheit bleiben zumindest noch auf etliche Jahre ein Riesenproblem vor allem für die katholische Kirche.

Das ändert aber nichts daran, dass die Berichterstattung über die Kirche in diesem Zusammenhang fast ebenso ärgerlich ist. Aus vielen Gründen:

  • Denn, erstens, werden praktisch immer die Täter in einen Topf geworfen mit jenen, die aus der geschilderten Motivlage zu milde mit ihnen umgegangen sind. Aus denen werden dann gleich Mittäter konstruiert. Was eine Sauerei ist. Denn bei den einen gibt es ganz schwere Schuld, bei den anderen Unsicherheit, Unwissen über den richtigen Umgang mit solchen Veranlagungen, falsch verstandene Nächstenliebe.
  • Ganz typisch ist, zweitens, dass folgender Aspekt in der Berichterstattung über das Verhalten des einstigen Münchner Bischofs Ratzinger völlig untergeht: Jener Priester, dessen einstige zu nachsichtige Behandlung dem jetzigen Alt-Papst vorgehalten wird, war ja schon damals den staatlichen Behörden bekannt und als Täter verurteilt. Trotzdem haben auch sie sich nicht geschert, ob der Mann wieder Kindern in die Nähe kommt oder was mit ihm sonst geschieht.
  • Drittens ist die Intensität des medialen Interesses an kirchlichem Missbrauch eine skandalöse Verzerrung im Vergleich zum oft desinteressierten Schweigen zu Missbrauch außerhalb der Kirche. So ist die einstige Verwandlung eines Kinderheims der Gemeinde Wien in ein Zwangsbordell nach kurzer Berichterstattung gleich wieder als Thema verräumt worden, ohne dass es jemals eine saubere Aufarbeitung gegeben hätte. Dabei sind in diese Heime Kinder oft sogar mit physischer Gewalt gebracht worden. Dabei dürften Beamte mit dem sexuellen "Vermitteln" der wehrlosen Kinder sogar ein gutes Geschäft gemacht haben. Dabei dürfte die Vermittlung auch dem Lustgewinn etlicher Politiker- und Promi-Szenen gedient haben. Aber dennoch folgten da die Medien eilfertig der Rathausstrategie eines "Schwamm drüber".
  • Viertens wird von den Medien nie klargemacht, wie sehr sich die Kirche, ganz im Unterschied zu staatlichen Institutionen, selbst beständig zur Zielscheibe gemacht hat: nämlich durch ihren Hang zu einem ständigen "Mea maxima culpa". Fast könnte man "masochistisch" dazu sagen. Nur die Kirche selbst setzt (wie jetzt in München) Anwaltsuntersuchungen über Jahrzehnte zurückliegende Untaten und Irrtümer ganz jenseits des Strafrechts ein, oder (wie zuvor in Wien) eine Klasnic-Kommission, bei der sich jeder missbraucht Fühlende melden konnte.
  • Fünftens wird von keinem Medium herausgearbeitet, dass sich bei solchen Kommissionen neben echten Opfern auch viele Schwindler gemeldet haben, sobald sie erfahren haben, dass man dort bei Schilderung eines Missbrauchs jedenfalls eine Entschädigung bekommt, ohne dass ihre Behauptungen irgendwie überprüft werden. Statt dessen haben die Medien immer nur die hohen Gesamtzahlen gemeldet, in denen aber eben sowohl echter Missbrauch wie auch viele – sogar offensichtliche – Schwindeleien stecken.
  • Dort haben sich, sechstens, auch viele Menschen gemeldet, die ihre Unzufriedenheit mit ihrem persönlichen Schicksal in einen Missbrauch umgedeutet haben (so bleibt mir die Empörung einer jungen Frau über die eigene Mutter unvergesslich, welche als Missbrauchsopfer anerkannt worden ist, obwohl sie mit dem angeblichen Missbraucher, einem Priester und Vater der jungen Frau, als "Pfarrersköchin" viele Jahre wie eine Familie zusammengelebt hat und sogar gemeinsam in ein anderes Land übersiedelt ist. Die Frau mag sich zwar subjektiv missbraucht fühlen, weil sie vielleicht gehofft hat, irgendwann geheiratet zu werden – aber sexueller Missbrauch war das gewiss keiner).
  • Siebentens geht in den medialen Berichten völlig unter, dass Ratzinger als mächtiger Vatikan-Kardinal und dann Papst hunderte missbrauchende Priester ganz aus dem Amt geworfen hat, ganz offenbar, nachdem er erkannt hatte, dass die frühere – auch seine – Milde ganz offensichtlich der falsche Weg gewesen ist.
  • Wobei, achtens, überhaupt nicht darauf eingegangen wird, dass diese Männer dann ja auch nach Hinauswurf aus der Kirche weiterhin samt ihren Veranlagungen irgendwo in der Gesellschaft unterwegs sind. Wo es auch keine echten Schutzbarrieren für Kinder gibt. Noch weniger, als wenn man sie in Altersheime abschiebt.
  • Und, neuntens, schweigen die Medien am meisten über einen weiteren Aspekt: nämlich den der Homosexualität. Denn auch wenn die Kirche weiterhin Homosexualität streng ablehnt, gibt es doch sehr viele Indizien, dass es unter Priestern mehr homosexuell Fühlende gibt als im Bevölkerungsschnitt. Das dürfte auch erklären, warum sich unter den jugendlichen Opfern von echtem sexuellem Missbrauch im kirchlichen Ambiente weitaus mehr Buben als Mädchen befinden, während es außerhalb der Kirche umgekehrt ist.

Damit kommen wir zum zweiten großen Problemfeld der Kirche, nämlich dem Zölibat (dieser ist zwar ein Kirchenthema, über das die Medien sehr gerne schreiben – aber völlig ohne Zusammenhang mit dem Thema sexueller Missbrauch). Der Zölibat ist mit Sicherheit ein Magnet für manche junge Männer, in den Priesterberuf zu flüchten, weil sie im Umgang mit dem anderen Geschlecht Probleme haben. Sei es aus Unsicherheit, sei es aus einer unglücklichen Liebesgeschichte heraus, sei es aber eben, weil sie sich mehr zu Männern hingezogen fühlen, das aber nicht wahrhaben wollen. Ihnen allen ist der Zölibat überdies bewusst oder unbewusst ein geeigneter Schutzmantel, um den vielen lästigen Fragen von Großeltern, Tanten und Onkeln aus dem Weg zu gehen: "Na, hast schon a Freundin?"

Abgesehen davon, dass gewiss die große Mehrheit aus echter und tiefer Religiosität Priester geworden ist und wird, sollte man eines nicht vergessen: Früher war noch eine dritte, ganz andere Motivlage dominierend für den Weg in den Priesterberuf, nämlich die des sozialen Aufstiegs. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war dieser Beruf überhaupt die einzige Möglichkeit armer Bauernburschen, studieren und einen intellektuellen Beruf ergreifen zu können, wenn sie als Nicht-Hoferbe die fast einzige Alternative sehen mussten, sonst lebenslang bloßer Knecht zu sein.

Dadurch hat es in früheren Epochen großer Armut einerseits viel mehr Priester gegeben. Dadurch hatte aber andererseits unter ihnen die Gruppe der Frauenflüchtlinge einen völlig unbedeutenden Anteil. So wie es das heute noch bei den vielen Priestern der Fall ist, die in den letzten Jahren aus Afrika oder Indien nach Europa gekommen sind, weil sie fast nur über die Kirche zu Studium und Prestige aufsteigen konnten. Während in Europa heute eben niemand mehr wegen des sozialen Aufstiegs in den Talar wechselt. Das Hauptproblem der importierten Priester liegt hingegen auf ganz anderen Ebenen, auf denen der Kommunikation mit den europäischen Eingeborenen, insbesondere wegen der Sprachprobleme, aber auch wegen der großen kulturellen Unterschiede zwischen den Kontinenten. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Wir sehen jedenfalls immer deutlicher, dass der Zölibat gleich in mehrfacher Hinsicht ein Problem ist. Und dass sich die Kirche im Eigeninteresse nicht allzu lange Zeit lassen sollte, den Priesterberuf zu öffnen. Dabei wäre wohl das Klügste eine ganz gezielte Öffnung für jene, die gerade durch ihr eigenes Familienleben gezeigt haben, dass sie dem Leben gewachsen sind. Zweifellos würde das auch viel der Scheu beseitigen, die neuerdings manche Eltern davor haben, ihre Kinder kirchlichen Institutionen anzuvertrauen.

An der Notwendigkeit solcher Schritte ändert der Umstand nichts, dass auch die Argumente für den Zölibat sehr honorig sind. Diese lassen sich aus dem Neuen Testament zwar nur recht mühsam ableiten, dafür umso mehr aus dem Wunsch, dass ein Pfarrer nur dann wirklich die ganze Pfarrgemeinde als seine Familie ansehen und sich ihr vollständig zuwenden könne, wenn er nicht auch einer eigenen Familie gegenüber Pflichten hat und diese ernst nimmt.

Freilich hilft diese Idealvorstellung nichts, wenn es als Folge viel zu wenige solcher Priester, zu wenige solcher Pfarrer gibt. Und wenn es dann darunter noch dazu einen überproportionalen Anteil jener gibt, die die Gläubigen ganz und gar nicht im Priesteramt sehen wollen.

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