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Das Recht und das Gericht, Boris Johnson und Novak Djokovic

Ja, fast alle haben wir uns nicht immer ganz streng an die unzähligen Lockdown-Bestimmungen gehalten. Man ist – als es einst verboten war – bisweilen doch auf der Straße beieinander gestanden oder hat vielleicht einmal mehr als zwei Gäste in die Wohnung gelassen. Wir wussten aber immer: Wenn wir erwischt werden, gibt es Strafen. Deshalb haben die allermeisten auch nie so brutal die Vorschriften verletzt wie es – offensichtlich – Boris Johnson und Novak Djokovic getan haben. Deren Fälle sind nun aber weltweit zu Symbolen geworden, wie weit die Corona-Maßnahmen noch ernst zu nehmen sind. Wie weit sich eine Elite darüber hinwegsetzen kann. Aber auch wie weit eigenwillige Richter das Recht nach eigenem Gutdünken brechen können.

Es ist unbestritten, dass Djokovic der derzeit weltbeste Tennisspieler ist, und dass Johnson der klügste britische Ministerpräsident seit sehr, sehr lange ist (außer Lloyd George, Churchill, Thatcher und Blair fällt mir im ganzen letzten Jahrhundert niemand in seiner Qualitätsklasse ein) und dass Johnson erstaunliche, wenn auch von den Mainstream-Medien totgeschwiegene wirtschaftliche Erfolge hat. In Zeiten wie diesen geht es aber darum, dass sich Johnson wie Djokovic massiv über die Corona-Regeln hinweggesetzt haben. Ganz offensichtlich bewegen sich manche Menschen am Gipfel ihres Erfolgs in einem so abgehobenen psychischen Flow, dass sie glauben, über alle irdischen Regeln erhaben zu sein, geradezu drüber fliegen zu können.

Johnson hat es jedenfalls zu verantworten, dass im Garten seines Amtssitzes mehrmals offenbar recht lustige Partys stattgefunden haben, an denen einmal auch er selbst eine halbe Stunde teilgenommen hat – obwohl solche Partys zum damaligen Zeitpunkt allen Briten strikt verboten waren. Johnson ist nicht dagegen eingeschritten, er hat keinen seiner Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen und hat sich erst entschuldigt, als die Sache aufgeflogen ist.

Es ist zwar noch unklar, welche rechtlichen Konsequenzen solche Partys in Großbritannien haben. Die politischen Folgen sind hingegen klar: Johnson ist plötzlich massiv von Forderungen nach seinem Rücktritt bedrängt. Diese kommen von der traditionell aggressiven britischen Presselandschaft, von der Opposition und zumindest von einzelnen Stimmen auch aus seiner eigenen Partei. Mit anderen Worten: Regelwidriges Verhalten – selbst wenn es im Grund dem Drang fast aller Menschen nach sozialen Kontakten auch während der nun schon zweijährigen Krise entspricht – hat in Großbritannien bei politischen Spitzenpersönlichkeiten massive Folgen.

Was für ein Unterschied zu Österreich! Da hat es auch beim ORF (in der Verantwortung der Herren Wrabetz und Strobl) einen – eigentlich verbotenen – feuchtfröhlichen Umtrunk unter Teilnahme des Spitzenpolitiker-Trios Schallenberg, Kogler und Van der Bellen gegeben. Letzter ist damit sogar schon zum zweiten Mal als Maßnahmen-Durchbrecher aufgeflogen. Jedoch: In Österreich berichten nur ein paar unabhängige Medien kritisch darüber. Alle anderen sehen darin maximal ein belangloses Kavaliersdelikt. Sei es, weil fast alle Maßnahmenverletzer von links und ganz links kommen. Sei es, dass man den Inseratenzufluss nicht gefährden will. Sei es, dass man halt in Österreich generell nicht so kleinlich sein will (außer man kann damit einen ÖVP- oder FPÖ-Politiker abschießen).

Gewiss: Das laxe Verhalten der Spitzenpolitiker entspricht in der Tat auch der Haltung der meisten Durchschnittsbürger. Überdies verhält sich Van der Bellen entgegen dem Rat aller Ärzte durch sein Rauchen noch viel gesundheitsschädlicher, als es aller Wahrscheinlichkeit nach die Teilnahme an einem nächtlichen Umtrunk sein kann. Aber da er ja ein Schlüsselspieler bei der Sprengung der schwarz-blauen Koalition gewesen ist, wird ihm vom Mainstream mit Sicherheit auch weiterhin alles nachgesehen.

Die genannten Herren haben offenbar nicht einmal die Verwaltungsstrafe in der Höhe eines dreistelligen Euro-Betrages bekommen, die andere Österreicher für Maßnahmen-widriges Verhalten bekommen haben.

Während man in Österreich – zum Zorn vieler Bürger – der sogenannten Prominenz gegenüber seltsam milde ist, ist auf den Inseln zumindest die Medienszene überkritisch. Denn zwischen der notwendigen Bestrafung eines vorschriftenwidrigen Verhaltens – bei Premierministern genauso wie bei Durchschnittsbürgern wäre das nach unserem Verständnis eine Verwaltungsstrafe – und dem Ruf nach totaler Existenzvernichtung gibt es ja einen großen Unterschied.

Freilich ist bei Politikern immer die zusätzliche Dimension des Glaubwürdigkeitsverlustes zu beachten. Aber die Glaubwürdigkeit eines Politikers sollte in einer Demokratie der Wähler beurteilen, nicht der tagesaktuelle Zuruf der Medien. Man kann freilich sowieso annehmen, dass Johnsons eigene Partei dem Premier in ein paar Wochen den Abschied nahelegen wird, wenn sich seine Umfragewerte bis dahin nicht wieder erholen sollten, was nicht auszuschließen ist, sobald sich die Wogen glätten.

Tennisspieler Djokovic hingegen braucht nicht auf seine eigene Glaubwürdigkeit zu schauen. Für seine serbischen Landsleute ist er sowieso in jedem Fall der Größte, ja sogar Jesus Christus – und selbst will er ohnedies nur eines: Tennis spielen und noch viel Geld damit verdienen (so verdient er in Österreich pikanterweise vor allem durch einen üppigen Werbevertrag mit Raiffeisen …).

Genau daran, am Tennisspielen und Geldverdienen, wollten ihn die australischen Einreisebehörden jedoch hindern. Denn Djokovic ist entgegen den in Australien geltenden sehr strengen Vorschriften nicht geimpft. Es waren ganz offensichtlich sehr durchsichtige Balkantricks, durch die er sich mit Gutachten zweier selbst ausgesuchter Ärzte und einer ominösen "Kommission" um diese Vorschriften herumschwindeln wollte. Überdies wurde ihm nachgewiesen, dass er zu dem Zeitpunkt, da er angeblich positiv getestet war, öffentlich aufgetreten ist, sich also nicht an die auch in Serbien vorgeschriebenen Folgen einer Infektion gehalten hat.

Das ist hier nicht der Platz, um die psychischen Phobien des Tennisspielers (und etlicher seiner Landsleute) gegenüber Impfungen zu analysieren. Wir haben ja auch noch in Österreich Restbestände an solchen Charakteren. Das ist auch nicht der Platz, um zu bewerten, ob die australischen, serbischen, britischen und österreichischen Corona-Vorschriften jeweils richtig, zu lax oder zu übertrieben sind.

Hier ist nur festzuhalten, dass Australien ganz klare Regeln hat, und dass Djokovic diese mit durchschaubaren Methoden zu umgehen versucht hat.

Umso übler ist der Beschluss eines Richters gewesen, Djkovovic dennoch einreisen zu lassen, genauer gesagt, ihm zu erlauben, das Quarantäne-Hotel zu verlassen und sich ungehindert unter die Menschen zu mischen. Über die Motive dieses Richters kann nur gerätselt werden: Glaubte er, dass das australische Grand-Slam-Tennisturnier wichtig für die nationale Identität des Inselkontinents ist? Beeinflussen ihn – in irgendeiner Weise – die vielen Millionen, die mit dem Turnier und der Teilnahme des Superstars verbunden sind? Ist er ein ideologischer Gegner der australischen Regierung und ihrer strengen Maßnahmen sowohl gegen Corona wie auch gegen illegale Immigration? Handelte er so, weil er ein heimlicher Impfgegner ist?

Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass sich auch in Österreich die Justizakteure – von der WKStA bis zum Wiener Straflandesgericht – in letzter Zeit ganz üble Sachen geleistet haben, die das Ansehen (leider) der ganzen Justiz und (leider) des ganzen Rechtsstaats schwer beschädigt haben.

In Australien ist es nun ausgerechnet die vielgescholtene Politik, die Regierung, die den Menschen den Glauben an "Law and Order" zurückzugeben versucht. Sie hat Djokovic das Einreisevisum wieder entzogen. Sie hat den 83 Prozent der Australier, die für eine Ausweisung des Spielers sind, gezeigt, dass es sich ein Prominenter nicht richten kann.

Freilich ist noch immer nicht ganz auszuschließen, dass ein Gericht in den nächsten Stunden noch einmal das Gegenteil beschließen könnte. Schließlich ist es ja unter Justizfunktionären überall eine große Versuchung, die eigene Macht auszubauen und Schritt für Schritt zu verhindern, dass etwa gar eine Regierung wieder regiert.

Wir werden sehen.

Lernen können wir daraus aber jedenfalls etwas anderes: In allen genannten Ländern können Rechtsstaat und Demokratie nur dann funktionieren, wenn alle Akteure – Premierminister, Richter, Staatsanwälte – ihre Funktionen mit einer Portion Demut und ohne allzu große Machtgier ausüben. Es ist nicht "die" Politik immer der böse Faktor und nicht immer "die" Justiz, sondern das Funktionieren eines Staates hängt vom sauberen Zusammenspiel aller Organwalter ab. Also von einem Verhalten nicht nur unter Beachtung von Gesetzen und Grundrechten, sondern auch mit Zurückhaltung und eben Demut.

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