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Der Rechtsextremismus, die Demokratie und das Legalitätsprinzip

Es ist bedrückend: Da versetzt die Regierung dem Rechtsstaat eine üble Attacke – doch die Medien vermerken es lediglich desinteressiert und die SPÖ jubelt sogar dazu. Der Umstand, dass die jüngste Beschädigung des Fundaments eines liberalen Rechtsstaats in keiner Weise eine substanzielle Debatte ausgelöst hat, verstört. Wir erleben einen neuen Beweis, wie Regierungsparteien Instrumente des Rechtsstaats in rein parteipolitischem Interesse missbrauchen und sogar selbst schaffen können.

Es geht um die von den Grünen durchgesetzte Erstellung eines jährlichen "Rechtsextremismus-Berichts" durch die Regierung.

Die erste Reaktion vieler Österreicher ist gewiss: Was soll man da schon dagegen haben? Wir wollen doch keinen neuen Nationalsozialismus!

Ganz sicher wollen wir den nicht. Genauso wenig wollen wir aber auch einen neuen Kommunismus, einen Linksextremismus. Oder einen islamistischen Extremismus. Um nur die derzeit relevantesten Varianten extremistischer Betätigungen zu nennen, zu denen jederzeit auch noch anders ausgerichtete Formen extremistisch-totalitärer Aktivitäten kommen können, in welchen Ideen und Verschwörungstheorien immer diese dann wurzeln werden.

Staatlicher Kampf, staatliche Beobachtung und Berichterstattung sollten nie nur gegen eine bestimmte Ideologie gerichtet sein. Solche Einseitigkeiten darf eine Partei praktizieren, aber niemals ein ordentlicher Rechtsstaat. Dieser kann und muss vielmehr JEDEN Extremismus beobachten und bekämpfen.

Doch bevor er das tun kann, muss er das tun, was Juristen als oberste Prämisse jeder korrekten Aktivität von Justiz und Verwaltung kennen:

  1. Der Rechtsstaat muss, erstens, sauber und für jeden nachvollziehbar definieren, worum es überhaupt geht.
  2. Und das muss, zweitens, ordentlich in einem Gesetz festgehalten werden.

Gesetze, Verordnungen, die unbestimmte Begriffe enthalten, können niemals wirksam sein. Das bestätigt eine lange Judikatur. Beide Begriffsteile – "Extremismus" wie "Rechts" – sind jedoch vorerst völlig undefiniert.

Das wird auch dadurch nicht besser, dass es zunehmend Tendenzen der Gerichte gibt, sich selber zum Gesetzgeber zu erhöhen. Motto: "Wenn der Gesetzgeber unbestimmt formuliert, dann bestimmen wir die Inhalte (wir tun das in Wahrheit ja auch schon dort, wo der Gesetzgeber eigentlich eindeutig formuliert hat …)". Aber Gerichte dürfen in einer Demokratie eigentlich nie Gesetzgeber sein.

Es darf auch keinen Unterschied machen, ob solche unbestimmten Gesetze "nur" zu Berichten von Verwaltungsbehörden führen, oder auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung. Das Legalitätsprinzip des Artikels 18 der Bundesverfassung gilt auf allen Ebenen.

Für ordentliche Juristen ist das an sich eine Selbstverständlichkeit. Solche scheint es aber inzwischen weder in den Regierungsparteien noch im Parlament zu geben.

Wollen Justiz- und Innenministerium rechtsstaatlich korrekt bleiben, dürften sie eigentlich niemals einen solchen Bericht erstellen, solange nicht glasklar vom Gesetzgeber definiert ist, was "rechts" und was "Extremismus" überhaupt ist.

Versucht die Koalition wider Erwarten, dies zu tun, also doch noch eine rechtliche Definition für "Rechtsextremismus" vorzulegen, dann sind wohl nur zwei Wege denkbar.

  • Erste Möglichkeit: Die Definition fällt inhaltlich identisch wie das Verbotsgesetz aus, das nationalsozialistische Wiederbetätigung verbietet (das nach der NS-Diktatur zweifellos notwendig gewesene Verbotsgesetz hat einst Verfassungsrang bekommen, weil es eigentlich im Widerspruch zur Meinungsfreiheit steht; Österreich hat aus dem gleichen Grund für dieses Verbotsgesetz auch eine ausdrückliche Ausnahme von der Menschenrechtskonvention verlangen müssen). Für die Bereiche des Verbotsgesetzes aber ist die Beobachtung aller einschlägigen Aktivitäten wohl sowieso zentraler Bestandteil der Tätigkeiten des "Bundesamts für Verfassungsschutz" (oder der "Staatspolizei" oder der "Direktion für Staatsschutz", wie der Verfassungsschutz halt jeweils gerade genannt wird …). Und da müssen alle Vorfälle ohnedies vor ein Strafgericht kommen.
  • Die zweite Möglichkeit einer künftigen Definition von "Rechtsextremismus" im Unterschied zu sonstigen Extremismen, über die nicht zu berichten ist: Die Definition geht über das Verbotsgesetz hinaus. Dann aber wäre schon der Auftrag zur Erstellung eines solchen Berichts eine Verletzung des Gleichheitsgebots der Verfassung und des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Dann gäbe es ja eine Sonderbehandlung für "Rechtsextremismus", die anders ist als die Behandlung sonstiger Formen von Extremismus mit nicht als "rechts" bezeichneten Ideologien. Ein ordentlicher Rechtsstaat darf jedoch niemals Ideen verfolgen, sondern immer nur konkrete und verbotene Aktivitäten zu deren Durchsetzung.

Im Rechtsstaat kann es auch keinesfalls staatliche Aktivitäten unter der Prämisse geben: Die Behörden würden ohnedies nur "berichten" und den Objekten der Berichterstattung sonst eh nichts antun. Denn erstens ist es ja auch schon ein Schaden, wenn man Objekt einer kritischen Berichterstattung durch die Behörden wird. Und zweitens gilt auch bei einem bloßen Bericht der Regierung das Legalitätsprinzip. Grundrechtlich sauber wäre maximal ein reines Beobachten durch einen gesetzlich geregelten Geheimdienst, solange von seinen Beobachtungen nie ein Wort in die Öffentlichkeit dringt.

Wie explosiv das Thema ist, kann man schon daran sehen, dass die Grünen die FPÖ erstens schon mehrmals öffentlich als "rechtsextrem" bezeichnet haben, und dass sie nun, zweitens,  einen "Rechtsextremismusbericht" durchsetzen, kaum sind sie in die Regierung gelangt. Sie setzen also den Staat zur Denunziation ihrer politischen Gegner ein! Man muss keine sonderliche Intelligenz haben, um da einen ganz üblen Geruch zu verspüren.

Damit wird auch eindeutig, dass es um mehr geht als ein bloßes Werturteil im Rahmen der Meinungsfreiheit, wie manche Gerichte es bisher gesehen haben, wenn jemand als "rechtsextrem" bezeichnet worden ist.

Nach der staatsoffiziellen Denunziation der politischen Opposition ist dann der Schritt zu deren Verfolgung nur noch ein winzig kleiner. Damit unterscheidet sich die österreichische Regierung nur noch graduell, nicht aber im Grundsatz vom Vorgehen der Machthaber in Belarus oder Myanmar oder Russland gegen die dortige Opposition (um nur ein paar Beispielsländer zu nennen). Zwar geht die Initiative eindeutig von den Grünen aus, aber die ÖVP hat keinerlei Widerstand entgegengesetzt.

Auch die SPÖ, die jetzt so eifrig die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts beklatscht, sollte ein wenig nachdenken und in die Geschichtsbücher gehen: Dort wird sie etwa in der Ära Bismarck sogenannte "Sozialistengesetze" finden, die frontal gegen die damals entstehende Sozialdemokratie gerichtet waren. Jetzt unterstützt sie genau dasselbe – nur gegen andere Ideologien.

Rechtsstaatlich und demokratisch sauber wären eine staatliche Beobachtung von möglichem Extremismus und eine daraus folgende Berichterstattung nur dann, wenn sie auf einer absolut präzisen Definition aufbauen, was Extremismus (welcher Art immer) eigentlich genau ist. Eine solche demokratisch beschlossene Definition wäre die absolute Mindestvoraussetzung, bevor sich die Regierung in einer liberalen Demokratie das Recht nehmen könnte, unbescholtene Bürger zu überwachen oder gar über deren nichtkriminelle Aktionen Bericht zu erstatten.

Mit einer sauberen Lösung würde Österreich übrigens auch die Vorwürfe von islamischer Seite los, dass einseitig gegen den Islam vorgegangen würde. Das heißt zwar keineswegs, dass islamischer Extremismus straffrei oder unbeobachtet bleiben soll. Aber es müssen auch für den Umgang mit ihm im Rechtsstaat objektive Kriterien gelten. Es darf keinesfalls politische Willkür einreißen, weder gegen Islamisten, noch gegen Rechte oder Linke.

Wie könnte nun eine solche allgemeine Extremismus-Definition ausschauen? Gewiss ist die nicht aus dem Ärmel zu schütteln, sondern braucht zu ihrer präzisen Ausformulierung intensive Debatten kluger Köpfe. Eine solche Extremismus-Definition sollte jedenfalls folgende Eckpfeiler haben, die als gefährlich zu beobachten sind:

  • die direkte oder indirekte Vorbereitung oder Gutheißung von Gewalttaten mit politischem, religiösem oder ideologischem Zusammenhang;
  • Versuche, außerhalb des demokratischen Weges eine Änderung der Verfassung oder der staatlichen Realität zu erreichen;
  • eine Ablehnung der Demokratie;
  • eine Ablehnung der souveränen Eigenstaatlichkeit Österreichs;
  • das Verlangen nach Vorrang für andere Rechtsordnungen ( Stichwort Koran, Stichwort "Reichsbürger"); 
  • und eine Aushöhlung der Grundrechte österreichischer Staatsbürger auf gesetzlichem oder faktischem Weg, etwa durch die Relativierung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, etwa durch aktionistischen Kampf gegen eine Ausübung der Religions-, Rede- oder Versammlungsfreiheit.

Die ÖVP und Sebastian Kurz sollten sich bewusst werden, wie leicht die Instrumentalisierung und Bekämpfung eines nicht juristisch, sondern ideologisch unterfütterten Rechtsextremismus-Phantoms auch gegen Kurz selber gewendet werden kann. Im Jargon der linken Blase ist nämlich ein Politiker, eine Partei, die die Islamisierung bekämpfen, die jede illegale Immigration und freiwillige "Flüchtlings"-Aufnahmen ablehnen, die auf die österreichische Identität Wert legen, ganz selbstverständlich rechtsextremistisch. Dieses Denken wird aber mit Sicherheit dazu führen, dass sich eines Tages auch Kurz in einem solchen Rechtsextremismusbericht angeprangert sehen wird, sobald einmal sowohl Innen- wie auch Justizministerium in linken Händen sind (denen jetzt gemeinsam die Erstellung dieses Rechtsextremismusberichts aufgetragen wird).

Wie leicht das passieren kann, sollten dem Bundeskanzler zwei aktuelle Entwicklungen bewusst machen:

  • Das von einem Teil der Justiz voll Hass und Ideologie gegen ihn geführte Strafverfahren zeigt, wie hemmungslos die Linke jetzt schon zu agieren bereit ist.
  • In Deutschland steht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Wechsel zu einer Linksregierung bevor, obwohl auch dort die Schwesternpartei der ÖVP jahrzehntlang unangefochten regiert hat.

Ob es da sehr intelligent ist, der Linken eine solche ideologisch und grundrechtlich ohnedies extrem bedenkliche Waffe in die Hand zu geben?

Und selbst, wenn dieses Szenario nie eintreten sollte, erleiden Kurz, die ÖVP wie auch die FPÖ einen Schaden: Grün (und Rot) gelingt es durch solche Aktionen, dem politischen Richtungswort "rechts" einen negativen Beigeschmack anzuhängen.

Das ist schon ein erstaunlicher Preis, den die ÖVP – die sich ja selbst als Mitte-Rechts-Partei bezeichnet – für diese Koalition zahlt. Und den vor allem Kurz zahlt, der juristisch nach wie vor schlecht beraten ist. Ganz abgesehen davon, dass ihn sein Koalitionspartner jetzt wegen eines lächerlichen Vorwurfs mit geschickten Intrigen (die nicht zuletzt in der rein parteipolitisch zu erklärenden Ausschaltung des zuständigen Sektionschefs und des ebenfalls zuständigen Oberstaatsanwalts bestanden haben) vor Gericht bringt.

PS: Auch die FPÖ begreift offensichtlich nicht, was da vor sich geht, obwohl der Bericht als erstes sie treffen wird. Sie ist derzeit total von ihren Corona-Verschwörungstheorien in Beschlag genommen. Diese sind zwar absurd, widersprüchlich und in vieler Hinsicht kontrafaktisch, auch wenn sie wie jede Verschwörungstheorie zehn Prozent Wahrheitselemente enthalten. Aber sie sind kein Extremismus, kein Grund für den Staat, die FPÖ zu beobachten und darüber zu berichten.

PPS: Noch bedrückender ist, dass es im österreichischen Parlament keinen einzigen liberalen Abgeordneten mehr zu geben scheint, der ob dieser Regierungsbeschlüsse Unbehagen empfindet. Und auch zu äußern wagt.

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