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Der Triumph Kickls – und der Linksparteien

Feind, Erzfeind, Parteifreund: Diese Steigerungsformel zur Beschreibung parteiinterner Bösartigkeit ist zwar keineswegs neu. Mit den Vorgängen der letzten Monate in der FPÖ haben sie aber eine neue, schockierend anschauliche Bestätigung erfahren. Norbert Hofer schmeißt seiner Partei jetzt alles hin. Überraschend, aber nicht sehr. Gewiss, er hat etliche politische Defizite zu verantworten. Die wahre Schuld am (neuerlichen) freiheitlichen Crash trägt aber zweifellos die intrigante Energie des Herbert Kickl. Dieser kann jetzt als erfolgreicher Putschistenführer triumphieren. Vorerst zumindest. Ob hingegen auch die FPÖ als solche nach diesem Machtkampf in absehbarer Zukunft triumphieren kann, ist mehr als fraglich. Nicht fraglich scheint jedoch, wer die wirklichen Profiteure dieses Umsturzes sind: Das sind die Linksparteien.

Beginnen wir bei Hofer: Dem Burgenländer hat zweifellos das Wichtigste gefehlt: nämlich Leadership. Er hat stattdessen immer ein wenig Unsicherheit ausgestrahlt und nie die Standfestigkeit, wie sie zumindest zwei der vielen früheren FPÖ-Obmänner hatten, ein Friedrich Peter und ein Jörg Haider.

Auch Hofer-Vorgänger H.C. Strache hatte in relativ hohem Ausmaß Führungsqualitäten. Er ist zwar kein Intellektueller, er hat sich auch durch seine Äußerungen von Ibiza alles andere als charakterlich einwandfrei erwiesen. Er hat jedoch das große Verdienst, dass in seiner Zeit der Nazi-Geruch praktisch völlig aus der Partei verschwunden ist (auch wenn von links immer wieder einschlägige Stinkbomben geworfen werden). Bis zum Mai 2019 war vor allem immer unbestritten klar, dass Strache der Chef ist (ungeachtet der Tatsache, dass er sich selber einst in Etappen ab Knittelfeld an die parteiinterne Macht geputscht hat und dass er in hohem Ausmaß mitschuld gewesen ist an der Parteispaltung nach der Jahrtausendwende).

Zu einem so unumstrittenen Chef ist Hofer jedoch nie wirklich geworden. Vielleicht spielte dabei auch die Tatsache eine Rolle, dass viele seiner Parteifreunde – aber auch andere Österreicher ­– im Unterbewusstsein einen hinkenden Mann am Stock nicht wirklich als tollen Capo sehen wollen. Das ist traurig, aber wahr. Das erinnert an den deutschen Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble, der mit großer Wahrscheinlichkeit nur deshalb von Angela Merkel ausgestochen werden konnte, weil er seit einem Attentat im Rollstuhl sitzt.

Jedenfalls war es ein eindeutiger taktischer Fehler von Hofer, dass er eine De-Facto-Doppelführung der Partei akzeptiert hat, als er Obmann wurde. Er hat offenbar nicht bedacht, dass er als dritter Nationalratspräsident protokollarisch vielfach gefesselt ist, was ein Parteiobmann nie sein sollte. Aus gutem Grund sind deshalb fast nie und nirgends Parlamentspräsidenten auch gleichzeitig Parteichefs.

Für Kickl hingegen war die eigene Funktion als Klubobmann viel hilfreicher, auch im innerparteilichen Machtkampf gegen Hofer. Dieser war hingegen anfangs viel zu naiv. Er hat sich gar nicht vorstellen können, dass Kickl an seinem Sessel sägen könnte, war doch die Partei gerade erst in den Ibiza-Abgrund gestürzt.

Müßig ist inzwischen die Frage, ob Hofer überhaupt begriffen hat, dass er sich mit dem Gang ins Nationalratspräsidium in eine honorige, aber unbedeutende Sackgasse begeben hat. Wie unbedeutend der dritte Nationalratspräsident ist, kann man beispielsweise daran ablesen, dass mindestens 95 Prozent der Österreicher keine Ahnung haben, wer unmittelbar vor Hofer für die FPÖ auf diesem Posten gesessen ist. Nur ganz wenigen wird da der Name Anneliese Kitzmüller einfallen …

Gleichzeitig konnte Kickl als Fraktionsvorsitzender den Parlamentsklub in Schlachtordnung hinter sich bringen. Kickl konnte auch bei den kleineren FPÖ-Funktionären mit seinem kämpferisch-aggressiven Auftreten eindeutig punkten. Das gelang ihm insbesondere mit seiner militanten Corona- und Impf-Linie. Und er erlitt bei dieser Kerngruppe nicht einmal dadurch Abbruch, dass er fast zur gleichen Stunde mit Hofers Rücktritts-Ankündigung eine 180-gradige Corona-Wendung machte, indem er erstmals, wenn auch beiläufig davon sprach, dass auch er sich impfen lassen werde.

Mit dieser auf die eigenen Funktionäre und Abgeordneten konzentrierten Strategie gelang die Demontage Hofers fast problemlos. Dieser erkannte, dass er bei einer Kampfabstimmung auf einem Parteitag unterliegen würde. Bei Kampfsituationen auf Parteiversammlungen obsiegt in fast jeder Partei immer der, der das Parteifußvolk mit den schärferen Tönen aufzupeitschen vermag. Das gilt in der FPÖ ganz besonders: Siehe etwa den Innsbrucker Parteitag 1986 oder Knittelfeld 2002.

Dieses Prinzip "Radikalität siegt" sieht aber oft in den Augen der Wähler ganz anders aus. Wie auch der Fall Hofer-Kickl zeigt. Zumindest nach einer von oe24 präsentierten Umfrage liegt bei den Wählern die Zustimmung zu Hofer weit vor jener zu Kickl – und zwar auch bei jenen, die sich als FPÖ-Sympathisanten outen.

Die Wähler sind aber offensichtlich den freiheitlichen Machtkämpfern egal. Ihnen ist auch egal, dass Hofer eine weit sinnvollere Grundstrategie hat als Kickl; und dass diese Grundstrategie bei den Wählern viel besser ankommt als die total vom eigenen Ego dominierte (wenn auch psychologisch verständliche) Kickls.

Bei Hofer lautete der oberste Strategiesatz: "Wie bringe ich die FPÖ wieder ins politische Spiel und zu einer Regierungsbeteiligung?" Bei Kickl heißt der oberste Satz hingegen: "Wie räche ich mich an Sebastian Kurz und kille ihn politisch?"

Die aus diesen beiden Hauptzielen sich jeweils ableitenden Strategien sind schlicht unvereinbar. Auf der einen Seite stand da der um staatstragendes Image bemühte Approach Hofers. Auf der anderen die Wendung Kickls hin zur ständigen Generaloffensive, zum Aktionismus, zu Straßenmethoden, wie sie die grünalternativen Berufsdemonstranten samt ihrem "Schwarzen Block" und die Identitären anwenden. Dazu gehörte es etwa in letzter Zeit, jeden öffentlichen ÖVP-Auftritt mit massiven Störaktionen zu begleiten. Dazu gehörte auch die ununterbrochene Verbreitung selbst der absurdesten Corona-Verschwörungstheorien.

Angesichts dieses fundamentalen Kontrastes nicht nur zwischen zwei Persönlichkeiten, sondern eben auch zweier Strategien war der Showdown letzten Endes unvermeidlich.

 Interessanterweise war es nicht nur Kickl selbst, der in die Richtung Aktionismus abglitt, sondern auch andere FPÖ-Möchtegerngrößen. So etwa der Wiener Obmann Dominik Nepp, der gleichzeitig seine Ambitionen enthüllte, ebenfalls Bundesparteiobmann werden zu wollen. Bei den Freiheitlichen ist – wohl nicht zuletzt angesichts einer nach Eliminierung des Deutschnationalismus sehr dünnen ideologischen Substanz und Konstanz – das Ich-will-Chef-werden-Gen bei vielen ganz besonders stark. Das Kompromiss-Gen hingegen ganz schwach.

Es ist wohl auszuschließen, dass Nepp nach seiner bisherigen Performance wirklich Hofer-Erbe wird. Das heißt aber auch noch keineswegs automatisch, dass Kickl es wird. Denn der wirklich erfolgversprechende Mann in der FPÖ ist bisher noch gar nicht erwähnt worden: Das ist Manfred Haimbuchner, der oberösterreichische Parteichef und Landeshauptmann-Stellvertreter.

Er ist nicht durch Hofers Defizite belastet, vertritt aber genau seine Linie. Haimbuchner ist überdies weit und breit der einzige in der FPÖ, der von Wirtschaft etwas versteht. Er hat nur ein großes Problem: Er hat in wenigen Monaten Landtagswahlen in seinem Bundesland, das ja ein traditioneller FPÖ-Schwerpunkt ist. Da kann er sich unmöglich knapp vorher aus Oberösterreich verabschieden. Und schon gar nicht halb. Ganz anders wäre es, wenn Haimbuchner erst nach der Oberösterreichwahl als Sieger auch die Bundespartei übernehmen würde. Aber ein solches Timing werden die Kickl-Freunde wohl zu verhindern wissen,

Wenig überraschen würde es übrigens auch, wenn sich in den nächsten Tagen auch ein gewisser H.C. Strache wieder einmal selbst anböte. Mit dem Argument, dass er der einzige wäre, der den Laden zusammenhalten könnte. Allerdings wird er in der FPÖ kaum jemanden finden, der ihn dabei unterstützen wird. Diese Chance auf ein Comeback hat Strache spätestens dadurch verspielt, dass er bei den Wiener Gemeinderatswahlen mit einer eigenen Liste gegen die FPÖ angetreten ist.

Gegen Strache ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft inzwischen ein Prozess anberaumt worden. Das verträgt sich ebenfalls nicht gut mit einem Comeback, auch wenn zunehmend Anklagen durch die WKStA wie ein stolzer Ehrentitel angesehen werden. Allerdings ist dieser Prozess die nächste Skurrilität einer außer Rand und Band geratenen Korruptionsstaatsanwaltschaft: Unter all den vielen Vorwürfen gegen Strache wird jetzt einzig eine Lappalie vor einen Richter gebracht.

Das heißt aber, dass die linke Truppe in der WKStA jetzt entweder alle halben Jahre gegen Strache wegen eines weiteren Details Prozess führen (und so den Steuerzahler mit gigantischen Verfahrenskosten belasten) will, oder aber: dass von all den vielen Vorwürfen gegen Strache sonst nichts übriggeblieben ist. Das würde zunehmend die Frage aufwerfen, ob Strache nicht massiv Unrecht geschehen ist und ob es daher auch überflüssig war, dass eine populäre Regierung gesprengt worden ist.

Der einzige jetzt angeklagte Vorwurf gegen Strache ist der Einsatz für ein Gesetz, das eigentlich seit vielen Jahren zur Beendigung einer schlimmen Diskriminierung fällig gewesen wäre. Es geht dabei um die Beendigung der ungleichen Behandlung privater Krankenanstalten bei der Refundierung der Kosten für völlig gleiche Behandlungen. Diese ungleiche Behandlung ist seit langem ein Skandal gewesen. Die WKStA dreht Strache aber dennoch daraus einen Strick, weil ein – mit ihm befreundeter – Betreiber einer privaten Krankenanstalt der FPÖ den "gewaltigen" Betrag von 10.000 Euro gespendet hat.

Was aber bedeutet die Hofer-Resignation für die politische Landschaft? Die Vorgänge in der FPÖ sind ein gar nicht hoch genug einzuschätzender taktischer Erfolg für die Linksparteien. Und zwar gleich ein mehrfacher:

  1. Die FPÖ hatte immer die Funktion eines Auffanggefäßes für Wähler, die sich aus irgendeinem Grund über die ÖVP ärgern. Zwar wird es auch weiterhin solche Wähler geben, die deshalb nach Alternativen zur ÖVP suchen. Sie werden aber mit Sicherheit nicht bei einer von Kickl geführten FPÖ landen. Dazu sind seine persönlichen Imagewerte bei allen Liberalkonservativen viel zu abstoßend. Kickl kann zwar zweifellos einigen Wählern den Sebastian Kurz vermiesen, aber keiner davon wird Kickl mit seinen Hassorgien wählen. Das heißt: Solche Wähler werden entweder bei einer Linkspartei landen, oder am Wahltag frustriert daheim bleiben. Was ebenfalls den Linksparteien helfen wird.
  2. Die durch Kickl garantierte Unmöglichkeit einer neuerlichen schwarz-blauen Koalition bedeutet aber auch die absolute Gewissheit, dass zumindest eine der drei Linksparteien an der Regierung beteiligt sein muss – entweder in Koalition mit der ÖVP oder in einer solchen mit den anderen Linksparteien (denn zumindest theoretisch könnte die Linke ja wieder ein erstes Mal seit den Siebziger Jahren eine Mehrheit finden). Diese Unmöglichkeit bedeutet damit vor allem, dass die von den Bürgern eigentlich gewählte rechte – bürgerliche, konservative – Mehrheit nie aktiv werden kann.
  3. Und mit Kickl haben die Linksparteien jetzt auch noch die zusätzliche Option auf eine Viererkoalition "Alle gegen die ÖVP". Zwar hat man auf der Linken den diesbezüglichen Vorschlägen Kickls (der nur so eine Chance hat, sich wieder ins Spiel zu bringen) vorerst eine Absage erteilt. Aber diese Absage kann sich sehr leicht wandeln, wenn die ÖVP sich widerspenstig verhalten sollte. Es muss ja gar nicht unbedingt eine Viererkoalition sein: Um Kurz abzulösen würde ja eine linke Dreierkoalition mit Duldungszusage durch die FPÖ genügen. Das ist übrigens haargenau das Rezept, mit dem 1970 Kreisky seine dann später lange Regierungszeit aus einer Minderheitsposition heraus eingefädelt hatte.

Auffallend ist, wie sehr sich Kickls Vorstoß mit einem neuen internationalen Trend deckt, der sich zumindest in zwei anderen Demokratien seit kurzem konkret zeigt: Sowohl in Ungarn wie auch in Israel sind sehr rechtsradikale, zum Teil sogar antisemitische Parteien dabei, eine Vielparteien-Kooperation mit sehr linksradikalen, zum Teil sogar kommunistischen Parteien einzugehen. Sie haben jeweils den gleichen Programmpunkt, der auch zugleich das einzige Programm ist: den aus einer großen konservativliberalen Mitte-Rechts-Partei kommenden und bisher überaus erfolgreichen Regierungschef zu stürzen, ob der nun Viktor Orbán heißt oder Benjamin Netanjahu. Freilich: Geglückt ist das noch nirgends. Und wie sehr die Wähler eine Politik goutieren, bei der es auf hundert Kilometer erkennbar absolut nur um Macht und Personen geht, und keine Sekunde um Inhalte – weil es gar keine gemeinsamen gibt –, ist mehr als fraglich. Denn wenn sich alle Teilnehmer an einer solchen "Kurz-Stürzen" oder Orbán-Stürzen" oder Netanjahu-Stürzen"-Koalition ideologisch selber halbwegs treu bleiben, dann muss das inhaltlich noch mehr schief gehen und unvereinbar bleiben, als Schwarz-Grün es tut.

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