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Corona war die Windstille, künftig werden die Gewitter heftiger

Ein Jahr Corona-Krise hat die Österreicher zermürbt. Dieses Jahr war für sie ein schier unendlicher Wechsel von Totalsperren der Geschäfte, Schulen, Theater, Gasthäuser und Hotels, von Halb-Lockdowns und zeitweisen Teilöffnungen; von Signalen der Hoffnung wegen eines Rückganges der Infektionszahlen und der ersten Impfungen; und von Enttäuschungen über wieder zunehmende Infektionen, über die verspätete Bestellung der Impfstoffe durch die EU und über neue Zweifel an deren Wirksamkeit.

Während im März 2020 ein Ruck durchs ganze Land gegangen ist, ein Gefühl des "Wir schaffen das gemeinsam", während damals die Popularität der Regierung, insbesondere von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gegen Himmel gestiegen ist, ist heute alles ganz anders.

Das merkt man an der nachlässigen Beachtung der Lockdown-Regeln: Während vor einem Jahr die Straßen leergefegt waren, zeigten die Handy-Mobilitätsdaten auch während der Phasen neuerlich ganz strenger Lockdown-Regeln, dass die Österreicher auch dann fast so viel unterwegs sind wie in Vor-Corona-Zeiten. Während damals eine Welle von Denunziationen bei der Polizei über Menschen eintraf, die sich nicht an alle Verbote hielten, finden jetzt regelmäßig Demonstrationen statt, bei denen die Maßnahmen kritisiert und als unnötig erklärt werden.

Es zeigt sich, dass sich die Menschen in ihrem Freiheitsdrang, in ihrer Sehnsucht nach sozialen Kontakten halt nicht so lang einschränken lassen – vor allem nicht durch die Furcht vor einer Krankheit, die ein großer Teil nur aus den Medien kennt. Dazu kommt Ärger über die ständigen Regeländerungen, aber auch über rechtliche und  medizinische Patzer der Regierung.

Das alles schlägt sich nun auch auf politischer Ebene nieder. Die Regierung, die sich vor einem Jahr fast täglich in fernsehübertragenen Pressekonferenzen als erfolgreiche Corona-Kämpferin präsentiert hat, hat im Winter den Schulterschluss mit den Bundesländern und zumindest Teilen der Opposition gesucht. Dadurch ist die SPÖ erstmals seit 2017 wieder eine Zeitlang ins politische Spiel zurückgekommen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass mit Pamela Rendi-Wagner eine Medizinerin und frühere Gesundheitsministerin an der Spitze steht, während die schwarz-grüne Koalition keine Ärzte im Team hat. Allerdings hat das Kompetenzhoch für Rendi-Wagner nicht lange gehalten. Auf der einen Seite kümmern sich die SPÖ-Landeshauptleute keinen Deut um die Bundesparteivorsitzende. Auf der anderen hat diese auch nicht verhindert, dass ihr Statthalter Leichtfried im Parlament, insbesondere im Bundesrat das Steuer wieder auf totale Blockadepolitik zurückgestellt hat.

Umfragen zeigen jetzt ein Zurücksinken der ÖVP auf das Niveau der letzten Wahl und den Grünen zeigen sie schwere Wählerverluste. Erstmals haben alle drei Oppositionsparteien bessere Werte als bei der letzten Wahl. Wobei die Opposition aus durchaus konträren Richtungen angreift: Die SPÖ verlangt in inhaltlichem Widerspruch zur Blockadepolitik eine Verschärfung fast jeder einzelnen Maßnahme. Die Freiheitlichen hingegen fordern ein Ende aller Einschränkungen. Wobei sie freilich parteiintern uneinig sind: Parteichef Hofer lässt sich selber impfen, Fraktionschef Kickl kritisiert hingegen die gesamte Impfstrategie. Die Neos als kleinste Partei pendeln wiederum zwischen "zu streng!" und "zu nachlässig!".

Dennoch hat die Corona-Krise für die Koalition auch einen Nutzen: Denn damit ist bisher nur jenes Thema im Zentrum gestanden, bei dem es keine ideologischen Klüfte zwischen ÖVP und Grünen gibt. Zeitweilige Unzufriedenheit in der ÖVP über rechtliche und organisatorische Defizite im Gesundheitsministerium konnte immer leicht beigelegt werden.

Dadurch sind all die wirklichen inhaltlichen Differenzen, welche die Mitte-Rechts-ÖVP von der am weitesten links stehenden Partei trennt, im Hintergrund geblieben. Dort können sie aber nicht dauerhaft bleiben.

Ein erstes Gewitter hat es schon in der Migrationsfrage gegeben, nämlich um die Abschiebung einer georgischen Familie. Die Grünen empörten sich (zusammen mit Neos und einem Teil der SPÖ, die in dieser Frage selbst gespalten ist) über die Abschiebung, weil die Töchter besser deutsch als georgisch können und schulisch gut integriert seien, weil ihr Einzelschicksal in den letzten Monaten nicht mehr geprüft worden sei. Die – von der Mehrheit der Österreicher unterstützte – ÖVP verweist hingegen darauf, dass nicht weniger als fünf zum Teil gleichlautende Asylanträge der Familie über alle Instanzen abgelehnt worden seien, dass die Familie seit zwölf Jahren rechtswidrig in Österreich gelebt habe, dass die Polizei verpflichtet sei, rechtskräftige Urteile zu vollziehen.

Es gibt keinen Bereich, wo die beiden Regierungsparteien so weit auseinander liegen wie den der Migration. Da aber bei Koalitionsabschluss unter dem schönfärberischen Motto "Das Beste aus zwei Welten" vereinbart worden ist, dass diesen Bereich weiterhin die ÖVP bestimmt, haben die Grünen das zähneknirschend hingenommen – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie ja weder in der Bevölkerung noch im Parlament für ihre immigrationsfreundliche Politik eine Mehrheit haben.

Noch problematischer sieht es in jener Welt aus, die für die Grünen reserviert worden ist: bei der Klimapolitik. Da drohen durch diverse von den Grünen verlangte Maßnahmen teure Folgen für die Wirtschaft, von den Energiekosten bis zu zahllosen neuen Regulierungen. Gleichzeitig aber ist die Wirtschaft in Österreich durch Corona besonders hart getroffen – auf Grund des hohen Tourismus-Anteils besonders schwer. Daher will ÖVP-Finanzminister Blümel nach dem erhofften Ende der Pandemie alles auf die Rückkehr des Wachstums hin konzentrieren.

Andererseits ist aber die Klimapolitik jener Bereich, der den Grünen zugestanden worden ist. Wieweit kann es aber die Wirtschaftspartei ÖVP ertragen, dass wegen der grünen Klimapolitik auch die Wirtschaftserholung leiden muss?

Zu schlechter Letzt ist die Justiz relativ überraschend zum großen Konfliktfeld zwischen den Koalitionsparteien geworden. Die ÖVP ist in zunehmenden Zorn über die Korrutionsstaatsanwaltschaft WKStA geraten, der sie eine ganze Reihe von Fehlern und Einseitigkeiten vorhalten, insbesondere auch eine leichtfertige Hausdurchsuchung beim Finanzminister. Die Grünen, zu deren Regierungshälfte das Justizministerium gehört, verteidigen hingegen die ihnen nahestehende WKStA mit großem Engagement und machen zusammen mit der restlichen Opposition aus der Kritik der ÖVP an der WKStA einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz (unter der bisher eigentlich nur die Richter zu verstehen waren).

Als Folge all dessen wird es zwischen den beiden Koalitionsparteien noch viel heftiger donnern und blitzen – obwohl keine von ihnen eine Alternative hat oder gar Neuwahlen will.

(Dieser Beitrag ist in teilweise ähnlicher Form auch in "ROTWEISSROT - Das Magazin für Auslandsösterreicher" erschienen.)

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