Etatismus – ein Erklärungsversuch

Unter dem Stichwort Etatismus findet sich im Internetlexikon Wikipedia folgender Eintrag: "Etatismus (frz. État "Staat") bezeichnet eine politische Annahme, nach der ökonomische, soziale oder ökologische Probleme durch staatliches Handeln zu bewältigen sind." Wer kann aus welchem Grund annehmen, dass bestimmte Probleme ausgerechnet und nur durch den Staat zu lösen sind?

Versuch einer Erklärung: Es existieren zwei Arten von Parasiten, die in Symbiose auf einem Wirtstier leben. Das Wirtstier im Wohlfahrtsstaat ist der Nettosteuerzahler – der zu einer immer kleiner werdenden Minderheit gehört. Alle anderen zählen zu einer der beiden Parasitenarten. Dabei handelt es sich um die aus Steuermitteln besoldeten Staatsdiener einerseits und alle Begünstigten der erzwungenen "sozialen" Umverteilung andererseits.

Seit ihrem erfolgreichen Marsch durch die Institutionen, entdecken die an den steuerfinanzierten Universitäten tätigen Ideologen massenweise Unterdrückte und Diskriminierte auf dieser Welt – was insofern interessant ist, als es (außerhalb Venezuelas und Nordkoreas) weltweit ständig allen besser geht. Immerhin ist der Anteil der Ärmsten (das sind diejenigen, die von weniger als zwei Dollar pro Tag leben müssen) – trotz der in den letzten 100 Jahren explosionsartig gewachsenen Erdbevölkerung – überall dort drastisch zurückgegangen, wo die Marktkräfte nicht von Regierungen behindert werden.

Welches sind die beklagenswerten, von den intellektuellen Eliten identifizierten Opfer? Frauen, Schwarze, Zigeuner, Indianer, Kinder von Alleinerzieherinnen, Alte, Ausländer im Allgemeinen und Muslime im Besonderen, die nicht so schlauen und die weniger fleißigen Zeitgenossen. Wenn die unterdrückt werden, muss sofort der Wohlfahrtsstaat zu ihrer Rettung ausrücken – im Namen von Gerechtigkeit und Gleichheit. Wie und womit rettet er? Durch Geldzuwendungen und mittels Regulativen, aber auch durch die planmäßige Einwirkung auf unsere Sprache, vulgo "Political Correctness".

Daher haben wir maßgeschneiderte Politiken für Alte, Schwache, Faule, Blöde, Schwarze, Zigeuner, Einwanderer, Arme und Frauen, wir haben die Klasse neu entstandener Blockwarte, die etwa auf die schmucke Bezeichnung Gleichstellungsbeauftragte hören, die für Gerechtigkeit (=Ergebnisgleichheit) im Kollektiv sorgen und wir haben eine täglich unduldsamer werdende Sprachregelung, die Begriffe umdeutet oder auf den Index setzt.

Welche Minderheit aber finanziert die ganze Chose, ohne jemals selbst in den Genuss irgendeiner Zuwendung zu kommen – und sei es nur ein gelegentlich gespendetes, freundliches Wort? Der meist weiße, in der Privatwirtschaft tätige, steuerzahlende Mann, insbesondere der unternehmerisch tätige. Der finanziert den Staat, der so großzügig Wohltaten an die Müheseligen und Beladenen verteilt. Zur unmissverständlichen Klarstellung sei an dieser Stelle wieder einmal gesagt, dass Beamte und Politiker nicht zu den Steuerzahlern zählen! Diese beiden Berufsgruppen leben vielmehr – siehe oben – von Mitteln, die den in der Privatwirtschaft Tätigen abgepresst werden. Faktum ist: Der männliche weiße Steuersklave wird im Namen der "Gerechtigkeit" oder dem, was die linke Dressurelite dafür hält, ausgeplündert.

Vom Standpunkt des Etatisten ist damit der Stein der Weisen gefunden: Entdeckt eine staatlich besoldete Soziologin, Linguistin oder Politikwissenschaftlerin wieder einmal eine neue unterdrückte Gruppe, geht ein Aufschrei durch die Medien, die Reihen entrüsteter Gewerkschafter und Kirchenpfründner. Die fordern umgehend und unisono den Staat dazu auf, auch diese soeben entdeckten Unterdrückten zu retten. Aus ihrer Sicht angenehmer Nebeneffekt: Augenblicklich werden staatliche Programme mit Tausenden neuen – überflüssig zu erwähnen: nicht zur Wertschöpfung beitragenden – Beamtendienstposten ins Leben gerufen und, das ist unumgänglich (wo gehobelt wird fallen halt Späne), Steuererhöhungen verfügt, um diese Wohltaten zu finanzieren. Der Staat, dessen Bedienstete und die von ihnen entdeckten Opfergruppen saugen also noch mehr vom Blut derjenigen, von denen sie schon bisher genährt wurden. Die Nettozahler hingegen laufen pausenlos im Hamsterrad der Produktion und durchschauen das zu ihren Lasten gehende, üble Spiel oft nicht. Warum durchschauen sie es nicht? Zum einen, weil sie, um ihre Rechnungen und Steuern bezahlen zu können, unentwegt schuften müssen und danach einfach keinen Kopf haben, sich darüber hinaus gehende Gedanken zu machen und zum anderen, weil sie, auch wenn sie sich längst nicht mehr für Religion interessieren, im Grunde dennoch christliche Werte leben (zumindest, sofern es sich um autochthone Bürger handelt), gutgläubig und leicht in die Irre zu führen sind.

Hauptfeind der Anhänger der Identitätspolitik ist also der (alte) weiße Mann. Der allerdings, und das will so gar nicht ins antiweiß-rassistische Narrativ der Linken passen, alle Schwarzen und die übrigen Unterdrückten dieser Welt so wohlhabend gemacht hat, dass sie heute rund doppelt so lange leben wie vor 200 Jahren und jeder Sozialjunkie sich dieser Tage eines höheren Lebensstandards erfreuen darf als weiland Karl der Große (der sich noch ohne fließendes Warmwasser durchschlagen musste).

Um den Anbetern der politischen Korrektheit etwas zu knabbern zu geben: So gut wie jede Erfindung und Errungenschaft, die das Leben unserer Tage erträglich und lebenswert macht, ist dem Geist, der Willensstärke und der Arbeit weißer Männer geschuldet.

Entscheidend ist indes etwas ganz anderes: nämlich, dass die aus der linken Identitätspolitik resultierende Opfermentalität den Charakter jedes Einzelnen und damit auch den unserer Gesellschaft insgesamt sukzessive verdirbt. Sie schafft falsche Anreize, indem sie die Faulheit belohnt, den Fleiß und jede unternehmerische Initiative bestraft – und sie produziert Charakterschweine, Sozialparasiten und Lügner am laufenden Band.

Der eine oder andere Teil dieser zerstörerischen Ideologie wurde von einer Mehrzahl der Bürger leider längst übernommen. Folglich ertönt bei jeder sich bietenden Gelegenheit reflexartig der Ruf nach dem Staat. Kaum geht es irgendjemandem vermeintlich schlecht, ist sofort der Staat gefordert, etwas dagegen zu tun! Zumindest nach Ansicht einer Mehrheit der gehirngewaschenen Insassen des modernen Wohlfahrtsstaates. An individuelle Verantwortung und Subsidiarität wird von den meisten schon lange kein Gedanke mehr verschwendet.

Jeder kann sich selbst einem Lackmustest unterziehen: Wie oft kommt der Impuls, bei etwas, was einem ungerecht zu sein scheint, sofort nach einer Staatsintervention zu rufen? Anstatt zuerst gründlich zu überlegen, wo denn das Problem tatsächlich liegt; ob der, der es hat, es nicht gefälligst selbst lösen kann und soll; und noch viel wichtiger: ob das Problem nicht der Staat selbst erst geschaffen hat! Gerade die von den Regierungen im Zusammenhang mit der angeblich schrecklichsten Pandemie aller Zeiten angerichteten Schäden an Wirtschaft und Gesellschaft und die daraufhin ins Werk gesetzten Rettungs- und Hilfsaktionen bieten dafür serienweise Beispiele.

Die Sache ist es wert, einmal gründlich zu überdenken, welche Probleme der Staat – und nur er – lösen kann und muss. Und wie viele davon der Staat selbst verursacht hat (es sind die allermeisten!). Ist aber nicht derjenige, der ein Problem verursacht, in kaum einem Fall auch dazu in der Lage, es zu beheben? Und schließlich: Was ist – im Lichte der auf der Hand liegenden Antwort auf die zuletzt gestellte Frage – vom Etatismus zu halten?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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