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Kurz, Kickl und das Wochenende in einer Berghütte

Nichts geht mehr in dieser Koalition. Das, was dieses Tagebuch von Anfang an für unvereinbar gehalten hat, hat sich als genau das erwiesen. Die Krisen eskalieren nun schon im Tagestakt. Und die Opposition findet dadurch immer neue Munition, diese Krisen für Misstrauensanträge zu nutzen, die sie wie Sprengminen, ständig begleitet mit viel (rhetorischem) Geschützlärm, unter die zerstrittene Koalitions-Festung treiben kann. Dennoch hält die Koalition. Gibt es doch gleich zwei Superkleber, die Schwarz und Grün aneinanderbinden.

Der eine ist die Tatsache, dass keine der beiden Parteien eine Alternative zu dieser Koalition sieht; der andere Koalitionskleber ist das Corona-Virus.

Es ist zwar völliger Schwachsinn, wenn Verschwörungstheoretiker behaupten, dass Sebastian Kurz und Rudolf Anschober mit irgendwelchen sinistren Intentionen eine bessere Grippe kriminell überdramatisiert hätten. Denn wäre das der Fall, dann wären die zwei im Wortsinn allmächtig: Dann würden sie die Welt nach Belieben zu manipulieren vermögen. Sind doch so gut wie alle Länder seit einem Jahr in haargenau die gleiche Situation wie Österreich geraten (bis auf jene wenigen mit – übrigens durchwegs rechten – Regierungschefs, die sich rechtzeitig um genügend Impfstoff für ihr Land gekümmert haben). Und sie werden alle noch mindestens ein halbes weiteres Jahr an der Corona-Krise leiden mit schlimmen Auswirkungen auf Wirtschaft, Bildung, Übersterblichkeit und die psychosoziale Gesundheit der Bürger. Dass Kurz und Anschober das inszeniert haben, können daher nur jene ernstlich glauben, deren Blick nicht um die nächste Ecke reicht.

Dennoch kann kein Zweifel sein: Das in China entsprungene Virus ist zum Segen für diese Koalition geworden – auch wenn beide Parteien zuletzt dadurch an Unterstützung in der krisenmüden Bevölkerung verloren haben. Denn durch Corona haben die beiden Parteien wenigstens ein zentrales Thema gefunden, bei dem sie am gleichen Strick ziehen. Die rund um Corona entstandenen Reibereien und Fehlleistungen sind letztlich nur natürliche Folgeerscheinungen in der schwierigen Reaktion auf einen schweren externen Schock.

Insgesamt haben sich aber Schwarz und Grün in Sachen Corona trotz aller berechtigten Kritikpunkte halbwegs geschlagen, im vergangenen Frühjahr freilich besser als in diesem Winter. Und das Verschulden am schlimmsten Fehler in diesem Corona-Jahr trifft Schwarz wie Grün im gleichen Ausmaß: nämlich daran, dass beide nicht schon im Sommer intensiven Druck auf die schlafende EU geübt haben, parallel zur Entwicklung der Impfstoffe auch gleich deren Massenproduktion verbindlich in Auftrag zu geben (auch auf das Risiko hin, dass es dabei zu Fehlinvestitionen kommt). Allerdings kann auch keine Oppositionspartei sagen, dass sie selbst irgendwann diesbezüglich rechtzeitig Alarm geschlagen hätte. Daher kann auch keine von ihnen der Regierung in Sachen Impfungen sonderlich glaubwürdig Vorwürfe machen.

Der zweite Leim, der ÖVP und Grüne fest zusammenhält, ist für beide die Alternativlosigkeit. Keine der beiden Parteien sieht einen brauchbaren Ausweg, sollte die ungeliebte Koalition kollabieren. Auch Neuwahlen sind für keine eine verlockende Perspektive – weil selbst nach einem (derzeit völlig unwahrscheinlichen) Zugewinn für eine der beiden Parteien die Situation dann haargenau der Zeit davor gleichen wird.

Daher werden beide so tun, als ob die Koalition weiterhin eine Liebesheirat mit der gleichzeitigen Lizenz zum ständigen Fremdgehen für beide Partner wäre. Diese Lizenz nennt sich euphemistisch-verlogen "Das Beste aus zwei Welten". Das aber ist eine zutiefst verlogene Konstruktion: Denn es kann der ÖVP nicht wurscht sein, wenn die Grünen mit ihrer "anderen Welt", also der Klimahetze, Wirtschaft und Bürger immer mehr quälen. Und für die grüne Basis und die grünaffinen Medien ist wiederum die restriktive Migrationspolitik aus der Welt der ÖVP kaum verdaubar.

Die Grünen müssen weiter darunter leiden, dass es seit ihrer Gründung nie eine ausreichende Mehrheit für die eigentlich so heftig ersehnte Linkskoalition gegeben hat, die alle Migrationstore öffnen, den in allen Schulen verpflichtenden Homosexualitätsunterricht einführen, die die Pflicht zum Gendern (von der "Gästin" bis zur "Bösewichtin") mit strafgesetzlichen Sanktionen versehen und alle Wünsche im Wohlfahrts-Schlaraffenland erfüllen würde. Denn bei jenen Wahlen, bei denen die ÖVP Stimmen verloren hat, sind diese weitgehend bei der FPÖ und nicht bei den Linken gelandet; und wenn die FPÖ Wähler verloren hat, sind sie bei der ÖVP gelandet.  Wenn die Grünen also jemals einen Ministersessel erklimmen wollen, dann kommt für sie nach einer vollen Generation vergeblichen Wartens auf die linke Mehrheit mit Rot und Pink eben nur die Linksrechts-Kombination mit der verhassten ÖVP in Frage.

Überdies spürt man bei den Grünen neuerdings, dass bei wichtigen Teilen der SPÖ die Liebe zum grünen Klima-Alarmismus deutlich erkaltet ist, seit sozialdemokratische Politiker im wirklichen Leben begriffen haben, was dieser für die Menschen bedeutet. Das sieht man insbesondere an zwei SPÖ-geführten Bundesländern:

  • In Wien sind die Grünen mit ihren wählerfeindlichen Klima-Schikanen der SPÖ als Partner so unangenehm geworden, dass diese mit fliegenden Fahnen zu den pflegeleichten Neos gewechselt ist.
  • Und im Burgenland führt die SPÖ sogar eine Steuer auf die Kathedralen der Grünen ein, also auf Windkraftanlagen und Solarpaneele, weil diese das Landschaftsbild zerstören. Das ist zwar das erste Steuerprojekt seit langem, das eigentlich Sympathiepunkte verdient, es ist aber natürlich zugleich eine ungewöhnlich massive Absage an die bisher auch bei den Roten übliche Klimarhetorik. (Ungewöhnlich ist freilich auch, dass es ausgerechnet die ÖVP ist, die gegen die burgenländischen Steuerpläne protestiert und sich als Klima-Fanatiker etabliert hat. Was aber nur beweist, dass die Dummheit von Oppositionsreflexen bei der ÖVP genauso auftreten kann wie bei den anderen Parteien.)

Auf der Bundesebene sieht sich aber auch die ÖVP als derzeit völlig alternativlos.

Sebastian Kurz hat ja 2017 die damals völlig morsche Koalition mit der SPÖ aufgekündigt. War diese doch tatsächlich eine Konstruktion, die viele Jahre lang unerträgliche Lähmung über das Land ausgebreitet hat, und die vor allem wegen ihrer migrationsfreundlichen Politik auch schweren Schaden verursacht hat.

Kurz hat dann 2019 in einer wohl leichtfertigen Überreaktion auf die Ibiza-Causa aber auch die darauffolgende Koalition mit den Freiheitlichen gekippt, indem er nach dem Rücktritt von H.C. Strache ohne ausreichende Begründung den Rücktritt von Herbert Kickl verlangt hat. Er hat zwar in der Folge – nicht zuletzt wegen des ebenso leichtfertigen Misstrauensantrags der FPÖ gegen die kurzzeitige Minderheitsregierung Kurz – die darauffolgenden Nationalratswahlen deutlich gewonnen. Aber als Ergebnis dieser beiden Koalitionsaufkündigungen steht Kurz jetzt sehr alternativlos da.

Der in der FPÖ tonangebende Kickl-Flügel jagt ihn seither als Rache mit geradezu biblischem Hass, bringt an manchen Tagen gleich zwei Misstrauensanträge gegen Minister der ÖVP ein.

Das Ergebnis dieses überflüssigen Zerschlagens der noch vor zwei Jahren (bis auf die lächerlichen Liederbuch-Kampagnen der linken Medien) sehr gut funktionierenden Koalition durch die ÖVP und dieser dummen Hass-Reaktion durch die SPÖ:

  • Eine Rückkehr zu einer schwarz-blauen Koalition scheint mittlerweile vielen unvorstellbar.
  • Die FPÖ hat angesichts ihrer Entwicklung im letzten Jahr kaum eine Chance, jemals wieder regierungsrelevant zu werden. Sie steuert sich selbst statt dessen mit ihrem Hass immer tiefer in eine Sackgasse hinein.
  • Die ÖVP wiederum sieht keinerlei Alternative zur Koalition mit den Grünen, auch wenn manche Schwarze die Rückkehr von Teilen der SPÖ zu einer etwas verantwortungsbewussteren Politik derzeit aufmerksam registrieren (siehe etwa die erwähnten zarten Ansätze in der SPÖ zu mehr Widerstand gegen die Klimahysterie; siehe die rote Corona-Politik, nachdem auch der Wiener Stadtrat Hacker etliche Kilo Kreide geschluckt hat und sehr konstruktiv geworden ist; siehe die Tatsache, dass heute die Neos migrationsradikaler sind als die Sozialdemokraten und damit die äußerste linksradikale Ecke besetzen).
  • Und die Grünen haben politisch deutlich an Gewicht gewonnen.

Wenn Hass das Handeln von Politikern dominiert, dann kommen Land und Vernunft unter die Räder.

Freilich sollte man in der Politik niemals glauben, dass "nie" wirklich "nie" bedeutet. Das lehrt etwa auch der aktuelle Blick nach Italien, wo plötzlich Politiker koalitionär verbunden sind, die einander bis vor wenigen Tagen mit noch mit viel mehr Hass überschüttet haben, als es Kickl tagtäglich gegenüber Kurz tut.

Man sollte es daher – so unwahrscheinlich das derzeit auch klingt – nie ganz ausschließen, dass über diesen Hass hinweg eines Tages plötzlich doch wieder eine Zusammenarbeit möglich wird. Irgendwann werden beide erkennen müssen, dass sie einander in den allermeisten Sachfragen viel näher stehen als die Schwarzen den Grünen, auch wenn sie mit diesen in einer Koalition zusammensitzen, und als die Blauen der SPÖ, auch wenn sie mit dieser immer zu Misstrauensanträgen zusammenfinden.

Die ÖVP wird irgendwann begreifen müssen, dass es noch lange keine FPÖ ohne Kickl geben kann und wird. Und die FPÖ wird begreifen müssen, dass es noch lange keine ÖVP ohne Kurz geben kann und wird.

Irgendwann wird es daher in diesem Land hoffentlich einen klugen Mann geben, der beide auf eine einsame Berghütte einlädt, wo sich die Herren ein Wochenende lang vertraulich ausreden können.

Utopisch? Nun ja, häufig sind solche Vorgänge nicht, aber sie kommen nicht nur in Italien vor. Auch in Österreich haben nach 1945 Rot und Schwarz als Lehre der vielzitierten Lagerstraße von Dachau begriffen, dass es das eindeutige Interesse des Landes (bei der Konfrontation mit den Besatzungsmächten, bei der Überwindung der NS-Relikte und bei den Wiederaufbaunotwendigkeiten) ist, wenn sie zusammenarbeiten. Was sie dann etliche Zeit auch sehr ordentlich gemacht haben – obwohl die beiden Lager noch ein Jahrzehnt davor gegeneinander Bürgerkrieg geführt haben. Was deutlich schlimmer gewesen ist als alles, was zwischen Kurz und Kickl schiefgelaufen ist.

Hingegen ist die andere Langfrist-Perspektive, aus der sich eine alternative Regierungsbasis für dieses Land entwickeln könnte, vorerst noch wenig erquicklich: Das wäre ein Zurück zu Schwarz-Rot. Denn es wird wohl noch lange dauern, bis die österreichischen Sozialdemokraten eine so verantwortungsbewusste Migrationspolitik haben werden wie ihre dänischen Genossen, und eine so kluge Haltung zu Wirtschaft und Finanzen wie die deutschen Sozialdemokraten unter Helmut Schmidt. Erst dann wäre eine Rückkehr der SPÖ in die Regierung gut für Österreich.

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