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Corona: Empörendes, Erstaunliches, Erfreuliches

Die nunmehr schon in ihr zweites Jahr gehende Pandemie gleicht immer mehr einer Dauer-Kneippkur. So sehr gibt sie und die Reaktionen auf sie uns rund um die Uhr ein ständiges Heiß-Kalt. An dessen hoffentlich einmal eintretendes Ende eine globale, europäische und nationale Gesellschaft stehen wird, deren Umrisse noch sehr unklar sind, die aber eines sicher nicht haben wird: allzugroße Ähnlichkeit mit der Welt, die wir vor einem Jahr verlassen haben.

Müssen wir doch auch zur Pandemie selber immer wieder ganz neu Bilanz ziehen und vieles Empörende, vieles Erstaunliche aber auch vieles Erfreuliche, Hoffnung Gebendes konstatieren:

Das Empörende

  1. Am ärgerlichsten ist und bleibt das alle anderen Widrigkeiten überschattende Versagen der EU, rechtzeitig für die EU-Bürger so viel Impfstoff wie möglich zu beschaffen. Dabei hat die Union diese Beschaffung ohne Notwendigkeit an sich gerissen, ganz offensichtlich im Glauben, so wenigstens einmal einen großen Erfolg verkünden zu können. Dieses Versagen zeigt sich auch in einer neuen Statistik des internationalen Pharmaverbandes. Dieser zufolge sind von den bisher ausgelieferten Impfstoffen nicht weniger als 26 Prozent an die USA gegangen, hingegen bloße 13 Prozent, also weniger als die Hälfte, an die EU. Dabei haben die USA nur 328 Millionen Einwohner, die EU hingegen 448 Millionen. Eine andere Statistik misst die gemeldeten Impfungen und zeigt ein noch gröberes Missverhältnis: Ihr zufolge sind in den USA schon über 63 Millionen Menschen geimpft, im viel größeren EU-Europa hingegen bloß 27 Millionen.
  2. Freilich wird in unseren Mainstreammedien darüber nicht viel berichtet, geht doch die erfolgreiche Impfstoffbeschaffung der USA eindeutig noch auf Donald Trump zurück. Und auch die bei der Beschaffung und Verimpfung noch erfolgreicheren Länder wie Israel, Großbritannien oder Serbien haben interessanterweise lauter rechte Regierungschefs. Aber sie sind halt keine Gutmenschen, sondern machen nur ihre Arbeit gut.
  3. Wirklich empörend ist, dass die Wiener Volksschule, in die zwei meiner Familienangehörigen gehen, seit einer Woche trotz verzweifelter Bemühungen der Direktorin keine Tests mehr bekommen hat. Wahrscheinlich hat sie halt nicht die pinke Farbe des Wiener Bildungsstadtrats. Dabei ist nach allen Beobachtungen das Schultesten geradezu sensationell gut bei den Kindern angekommen, die da nach der ersten Anleitung überhaupt keine Probleme damit haben, sondern viel Spaß.
  4. Ausgerechnet Deutschland, das sich sonst stets als strenger Inquisitor der Europa-Ideologie gibt, ignoriert eiskalt alle Beschwerden (auch) der EU-Kommission und hält an der weitgehenden Absperrung der Grenzen zu Tirol und Tschechien fest. Noch empörender ist: Gegenüber Frankreich, wo es eigentlich haargenau die gleichen Probleme gibt, geben sich die Deutschen plötzlich ganz handzahm. Das zeigt, wie zynisch Deutschland große Nachbarn viel besser behandelt als kleine. EU hin oder her.
  5. Noch zynischer agiert Russland. Wenn man oberflächlich die Nachrichten verfolgt, hat man in den letzten Wochen den eindeutigen Eindruck bekommen: Alle Welt reißt sich um den so erfolgreichen russischen Impfstoff, der überallhin geliefert wird. Das ist mehrfach absurd: Denn bisher haben die Russen etwa bei den strengen EU-Behörden noch gar nicht um Zulassung angefragt. Denn in der Vorwoche wurden vom russischen Impfstoff weltweit nur 8 Millionen Dosen ausgeliefert, Biontech-Pfizer lieferte hingegen das Zehnfache aus (und die drei in der EU bereits zugelassenen Impfstoffe zusammen sogar das Dreiundzwanzigfache von "Sputnik V"!). Denn die Einwohner Russlands selbst haben bisher noch ganz besonders wenige Impfungen bekommen – im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich weniger als die Bürger jedes einzelnen EU-Landes. Damit zeigt sich ganz eindeutig: Moskau setzt zu Lasten der eigenen Bevölkerung Impfstoff als globale Propaganda-Waffe ein. Das erinnert daran, wie man vor 40 Jahren im Westen viel leichter ein russisches Auto bekommen hatte als ein Sowjetbürger.
  6. Manche Corona-Hilfen sind nur schwer nachzuvollziehen und deuten auf eine allzu freigiebige Geldverteilung hin: So haben Rapid und Austria jeweils deutlich mehr als eine Million Euro aus dem Steuertopf erhalten; alle anderen Bundesliga-Klubs blieben unter der Millionengrenze, einer bekam gar nur 100.000 Euro. Gewiss haben Spitzenvereine viele Fixkosten. Dennoch sind solche Zahlungen für den Steuerzahler (und die nächste Generation, die das alles tragen muss) nur dann erträglich, würden sie erfahren, dass auch die zum Teil extrem überhöhten Gagen der Spitzenspieler in Zeiten, da so viele Österreicher schwer getroffen sind, wenigstens auf ein normales Maß gesunken sind. Wenn die Stars jedoch nicht zu einem Gehaltsverzicht bereit sind, dann sollte auch der Steuerzahler nicht bereit sein dazu, ihre Klubs zu unterstützen.
  7. Nach wie vor völlig unakzeptabel ist das Vorgehen der Behörden gegen Demonstrationen. Die Untersagung zahlreicher Kundgebungen unter freiem Himmel ist nicht nur unnötig, sondern auch eine grob fahrlässige Einschränkung von Grundrechten.
  8. Schwachsinnig auf ganz anderer Ebene ist die Begründung des Arbeiter-Samariterbundes, warum es bei ihm Mitarbeiter in den Test-Straßen gibt, die sich nicht vorher selbst testen haben lassen: Man könne die Mitarbeiter nicht verpflichten dazu. Eh nicht, liebe Arbeiter-Samariter. Aber man kann ja problemlos auf Mitarbeiter im Gesundheitsbereich verzichten, die sich nicht testen lassen.

Das Erstaunliche

  1. Erstaunlich, ja köstlich ist, wie sich jetzt überall, auch hierzulande, alle um den Impfstoff von Biontech/Pfizer als den – angeblich oder wirklich – besten Schutz reißen. Dabei hat es noch vor wenigen Wochen von überall her gedröhnt: Wir wollen keinesfalls einen Impfstoff, der mit Genmanipulation zusammenhängt, der noch nicht genügend erprobt worden ist. Daran sieht man wieder einmal, wie wankelmütig die Panikmacher sind, wie sich die Menschen zuerst immer vor allem Neuen fürchten und die wildesten Schreckens-Storys glauben. Notfalls solche aus russischen Internetadressen, die ja für ihre Glaubwürdigkeit weltweit bekannt sind …
  2. Ebenso köstlich ist eine weitere erstaunliche Entwicklung: Als vor ein paar Wochen auch die Regierung erstmals das Konzept des "Reintestens" oder "Freitestens" zur Diskussion gestellt hat (das vom Tagebuch schon lange vorher empfohlen worden war), haben alle Theaterdirektoren und Wirthaus-Lobbyisten empört aufgeschrien. Sie seien doch keine Blockwarte, um Test- oder Impf-Zertifikate zu kontrollieren. Inzwischen rufen sie jetzt selber alle laut nach dem Reintesten. Der Erfolg der Friseure, Masseure und Kosmetiker hat sie offenbar klüger gemacht, die schon längere Zeit aufs Reintesten setzen. Jetzt ist auch dem letzten Schimpfer klar geworden, dass das der derzeit beste Weg ist, um eine Wiederöffnung zu erreichen. Theaterdirektoren haben sich halt schon immer durch hohe Eloquenz und Wendigkeit, aber eher selten durch normale soziale Intelligenz ausgezeichnet. Die findet man offensichtlich eher bei Friseurinnen.
  3. Staunen kann man nur, wenn man sieht, wie manche Journalisten immer wieder aus Einzelfällen die seltsamsten Schlüsse ziehen. So wird jetzt mancherorts behauptet, die "an oder mit" an Corona Gestorbenen seien ganz normale Todesfälle. Ihr Beweis: Es gebe keine Obduktionen. Ich gebe zu, vor einem dreiviertel Jahr habe auch ich Ähnliches noch für möglich gehalten. Jedoch haben mich inzwischen die Fakten überzeugt, einmal ganz abgesehen davon, dass es kapazitätsmäßig absolut nicht machbar ist, alle Todesfälle zu obduzieren; da müsste es über Nacht in Europa Hunderte zusätzliche Pathologen mit viel Erfahrung geben.
    - Erstens hat der Chef-Pathologe der Uniklinik Augsburg jetzt mehr als 100 "an oder mit" Verstorbene obduziert: Er hat bei fast allen eindeutig Corona als Todesursache feststellen können – Tod durch "inneres Ersticken". Kein schöner Tod. "Die meisten könnten noch leben", wären sie nicht infiziert worden, war sein klares Urteil.
    - Und zweitens hat es in fast allen Ländern parallel zur Zunahme der Zahl der "an oder mit" Verstorbenen eine massiv gestiegene Übersterblichkeit gegenüber dem üblichen Schnitt gegeben. In Österreich vor allem im November. Das sind ganz eindeutige Beweise für eine zusätzlich in die Gesellschaft getretene neue Gefahr.
  4. Schweden ist lange von den sogenannten Corona-Leugnern begeistert als Beispiel eines Landes gehandelt worden, dass viel liberaler mit der Pandemie umgeht und dennoch nicht zusammengebrochen ist. Auch mir ist Schweden deshalb sympathisch geworden. Freilich ist Tatsache: Schweden hat in diesem Jahr auf die Einwohnerzahl umgerechnet um rund ein Drittel mehr Corona-Todesfälle als Österreich. Und immer öfter wird jetzt auch den Schweden das Tragen von Gesichtsmasken und andere Maßnahmen nahegelegt.
    - Was dennoch an der Berechtigung der Sympathie für Schweden wenig ändert: Denn diese Dinge werden den Bürgern zwar dringend empfohlen – aber die Regierung versucht nicht, ihre Empfehlungen mit schier unendlichen Flut von Verordnungen und einer noch viel größeren Flut von Strafen durchzusetzen.
    - Dennoch oder gerade deshalb halten sich die Bürger Schwedens großteils daran. Sie sind überzeugt worden und handeln daher viel besser motiviert als ein Volk, das sich primär vor der Polizei fürchtet. Es ist – trotz der höheren Opferzahl – zweifellos wunderschön, wenn eine Regierung mit ihren Bürgern auf Augenhöhe umgeht. Und wenn die Bürger (dadurch!) im Lauf ihres Lebens immer wieder lernen, solche Empfehlungen auch ernst zu nehmen. Während man bei uns noch ganz heftig an das Funktionieren eines Polizeistaats glaubt.
  5. Erstaunlich ist auch, dass der eine Zeitlang so verteufelte Impfstoff von AstraZeneca nun in der Praxis offenbar weit besser abschneidet. So zeigt eine schottische Studie, dass schon nach der ersten Impfung die Wahrscheinlichkeit eines Klinikaufenthalts um 94 Prozent abnimmt.
  6. Vor ein paar Monaten haben viele Mainstreammedien, vor allem der ORF, auf Grund der PR-Aussendung einer Anwaltskanzlei behauptet, dass die Corona-Krise auch zu einer deutlichen Zunahme von Scheidungen geführt habe. Auch hier zeigen die nun vorliegenden echten Zahlen wieder einmal das genaue Gegenteil: Es hat im Vorjahr in Österreich um neun Prozent weniger Scheidungen gegeben.

Das Erfreuliche

  1. Im Widerspruch zu all den Schreckensmeldungen, die auf russischen, esoterischen oder überhaupt unbekannten Plattformen über die westlichen Impfstoffe verbreitet worden sind, haben sich die Impfungen ganz eindeutig bewährt. Es gibt zwar bei einem Teil der Geimpften zwei Tage lang Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Fieber. Es gibt zwar wie bei fast allen sonstigen Impfungen "nur" einen hochgradigen, aber keinen absoluten Schutz. Es gibt jedoch nach wie vor keinerlei Hinweise auf Dauerschäden. Die im Jänner für Aufsehen sorgenden gehäuften Todesfälle bei besonders alten und besonders gebrechlichen Menschen in Norwegen sind doch Einzelfälle geblieben (auch wenn man ihnen viel rascher nachgehen hätte müssen). Und auch in Schweden hat man nach einer kurzen Panik-Unterbrechung die Impfungen längst wieder aufgenommen. Aber natürlich wird es weiterhin eine fanatische Minderheit geben, welche die positiven Wirkungen der Impfungen nicht zur Kenntnis nehmen will. So wie es halt immer Menschen geben wird, die an Astrologie oder Homöopathie oder die Bedeutung schwarzer Katzen glauben.
  2. Inzwischen steigt auch die Hoffnung auf einen langanhaltenden Impfschutz. Das lässt sich aus Untersuchungen bei den vor einem Jahr für europaweite Schlagzeilen sorgenden Einwohnern von Ischgl ableiten: 90 Prozent jener, die damals Antikörper aufgewiesen haben, haben auch heute noch solche. Das lässt eine – vorsichtige – Analogie auf eine länger anhaltende Wirkung auch der Impfungen zu.
  3. Auch wenn es noch immer nicht "das" Supermedikament gegen Corona gibt, so zeigen doch die weltweiten Daten immer deutlicher: Die Sterblichkeit auf den Intensivstationen ist um rund ein Drittel gesunken. Die Medizin hat ganz offensichtlich ganz schön viel dazugelernt. Eindrucksvoll.
  4. In Österreich haben die Impfungen endlich zu einem ersten wichtigen Fortschritt im normalen Leben geführt: Die psychisch und sozial so schmerzhaften Besuchseinschränkungen in den Alters- und Pflegeheimen werden gelockert, weil man wenigstens dort mit den Impfungen durch ist.
  5. Ebenso erfreulich ist, dass sich nun auch die heimische Bioethikkommission ausdrücklich für die Einführung eines individualisierten Impfpasses ausgesprochen hat, mit dem man wieder überallhin Zugang erhalten wird. Auch hier folgt man einem sehr erfolgreichen israelischen Beispiel, wo man mit einem solchen Pass seit kurzem wieder Theater und Fitnessstudios besuchen kann.
  6. Das hängt mit einer weiteren erfreulichen Entwicklung zusammen: Inzwischen gibt es auch schon genügend Studien, die zeigen, dass Geimpfte auch kaum mehr ansteckend für andere sein können. Britische Daten haben etwa eine Reduktion der Infektionen nach Biontech/Pfizer-Impfungen um 85 Prozent ergeben. Und die auf 1,7 Millionen Impfungen beruhenden israelischen Daten bescheinigen dem Impfstoff sogar zu 89 Prozent, dass Geimpfte nicht mehr ansteckend sind, und zu 99 Prozent, dass er vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt.
  7. Und noch ein Hoffnungsanker: Es hat sich herausgestellt, dass dieser Impfstoff nicht auf 70 Minusgrade hinuntergekühlt werden muss, sondern bloß auf 15.
  8. Erfreulich ist auch, dass unter den weltweit hergestellten Impfstoffen der von Biontech/Pfizer entwickelte deutlich am meisten produziert wird. Das lässt zumindest hoffen, dass wir die Impfung noch erleben werden.
  9. Jetzt wird der Impfstoff von AstraZeneca endlich auch in Österreich für über 65-jährige freigegeben, was die EU-Zulassungsbehörden schon von Anfang an getan haben. Hierzulande war er ja nach einem panischen Ausbruch des SPÖ-Pensionistenverbandes bisher für diese Gruppe gesperrt gewesen. Die Daten aus Großbritannien, wo man nicht die Bedenken der SPÖ geteilt hat und wo schon ein viel größerer Teil der Bevölkerung geschützt ist, haben nun auch die österreichische Impfkommission überzeugt.

Doch halt, die nächste Frustration ist nicht weit

Kaum gibt es irgendwo eine Reihe positiver Entwicklungen, kommt unweigerlich wie in der griechischen Tragödie der Rückschlag: AstraZeneca hat Produktionsprobleme und kann im zweiten Quartal nicht einmal die Hälfte jener Impfstoffmengen an die EU liefern, die der Union in Aussicht gestellt worden waren. Aber ausgerechnet von AstraZenca hätte am meisten Impfstoff nach Österreich kommen sollen ...

Nachträgliche Ergänzung zum letzten Absatz: Nach nur wenigen Stunden hat sich die EU-Kommission mit AstraZeneca geeinigt. Offenbar gibt es doch die versprochenen Impfmengen. Offenbar war der ganze Krieg der EU gegen AstraZeneca, der bis hin zur von einigen EU-Beamten geplanten Unterminierung des Brexit-Abkommens mit London geführt hat, nur ein Missverständnis. Warum der Krieg eigentlich getobt hat, werden wir wohl nie erfahren ...

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