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Auch Minister sollten eine Minimalintelligenz haben

Sebastian Kurz hat gar nicht anders können, als sich nach einem Jahr erstmals und in einer Sofortaktion von jemandem aus seinem schwarzen Ministerteam zu trennen. Christine Aschbacher hat zwar keinen politischen Fehler gemacht – freilich auch keine sonderlichen Erfolge vorzuweisen –, aber ihre jetzt in die Öffentlichkeit gelangten Diplom- und Doktorarbeiten sind qualitativ und sprachlich samt Plagiatsvorwürfen einfach zu peinlich, als dass Aschbacher noch als Minister tragbar gewesen wäre. Kurz hat andere ÖVP-Politiker schon wegen viel lächerlicher Kleinigkeiten gefeuert, weshalb er jetzt keine andere Wahl gehabt hat.

So hat er etwa den Abgeordneten Dönmez nur wegen eines saloppen nächtlichen Twitter-Eintrags hinausgeworfen, in denen Dönmez angedeutet hat, dass eine linksradikal-arabische Politikerin der Berliner SPD ihren Aufstieg wohl gewissen sexuellen Diensten zu verdanken habe. So hat er den Abgeordneten Marcus Franz ebenfalls wegen eines politisch nicht korrekten Satzes im Internet gefeuert (laut Franz wolle die deutsche Bundeskanzlerin ihre eigene Kinderlosigkeit durch möglichst viele Immigranten kompensieren). Gewiss waren das Geschmacklosigkeiten, aber diese waren harmlos gegen das, was Aschbacher vorgeworfen wird. Beide waren vor allem interessante und das ÖVP-Spektrum bereichernde Politiker. Und beide haben, wenn auch nur auf Fraktionsebene, in der ÖVP eine größere Lücke hinterlassen als Aschbacher jetzt.

Die Plagiats-Vorwürfe gegen die Vielfach-Ministerin werden zwar noch formell überprüft. Sie werden aber jedenfalls jetzt schon übertroffen durch die geradezu unglaublich katastrophale Sprachqualität ihrer Arbeit.

Ein junger Wissenschaftler, der die Dissertation jetzt durchgelesen hat, hat sie mir gegenüber als "dadaistisches Literaturkunstwerk" bezeichnet, die nicht einmal der Versuch einer wissenschaftlichen Arbeit sei. Und jener Mann, der das Ganze als erster aufgedeckt hat, schreibt von "noch nie gelesenen Abgründen von Kauderwelsch, Unsinn und Plagiat".

Es ist Aschbacher im Grund offensichtlich nur um die Abgabe vieler irgendwie beschriebener Blatt Papier gegangen. Sie hat gar nicht geglaubt, dass ein Magister- oder Doktor-Titel mit einer Leistung, gar einer wissenschaftlichen, zusammenhängt. Sie hat vermutlich bei einem schlechten Ghostwriter pfuschen lassen und sich nicht einmal die Mühe gemacht, dessen Werk selbst auch nur einmal durchzulesen.

So zeigen viele Passagen eindeutig, dass da Sätze aus dem Englischen einfach mit einem elektronischen Übersetzungsprogramm übernommen worden und völlig unkorrigiert geblieben sind. Um nur einen von vielen zu zitieren: "Okay, dann glaube ich nicht mit Ihnen einverstanden, aber ich werde rollen und tun es weil sie sagen mir zu."

Dieser Satz ist eine grottenschlechte Übersetzung des englischen Satzes: "'OK, then, I don't agree with you, but I'll roll over and do it because you're telling me to."

Dass sich Aschbacher nicht die Mühe gemacht hatte, diesen Satz und viele andere in eine akzeptable Sprache zu bringen, ist noch provozierender als die ihr vorgeworfenen Plagiate. Ihre Texte werden Kabarettisten auf Jahre hinaus Stoff für nette Witze geben.

Für bloße Plagiate, also fürs nicht offen gelegte Abschreiben, hätte ich hingegen sogar gewisses Verständnis. Bei der Unzahl von Diplomarbeiten und Dissertationen können nicht ernstlich jedes Mal neue wissenschaftliche Entdeckungen erwartet werden. Viel wichtiger ist, dass es insgesamt eine kluge, verständliche Behandlung eines Themas mit einem erkennbaren roten Faden in ordentlicher Sprache auf hohem Niveau ist.

In meiner Gymnasialzeit war das Abschreiben eine geradezu sportliche Übung, genauso wie das Einsagen. Und auch an der Uni habe ich etliche Freunde gekannt, die damals – also lange vor dem Internet mit seinen vielen Kontroll-Möglichkeiten – bei ihren akademischen Arbeiten wie wild geschwindelt, abgeschrieben und sogar ganze Studien erfunden haben.

Wir Juristen haben damals die Kollegen aus sogenannten wissenschaftlichen Disziplinen sogar um diese Möglichkeiten beneidet. Denn wir hatten im Gegensatz zu ihnen damals keine langen Arbeiten zu schreiben (heute sind sehr wohl Dissertationen vorgeschrieben), sondern fast nur mündliche Prüfungen, für die man aber jeweils vier bis fünf Monate intensivst lernen musste. Wir mussten also quasi das genaue Gegenteil von ihnen tun. Wir hatten möglichst präzise Gesetze, Gerichtsentscheidungen, Lehrmeinungen und Kommentare anderer Menschen zu replizieren. Wir waren gar nicht gefordert, selbst sonderlich kreativ zu sein (als ich einmal mangels Wissens um die richtige Antwort versucht habe, selbst kreativ zu sein, hat mir ein Professor verächtlich "Sie Naturrechtler" zugerufen, was an der Wiener Juristenfakultät alles andere als ein Kosewort ist).

Politisch ist freilich auch alleine der Plagiats-Vorwurf tödlich, sobald ihn eine wissenschaftliche Überprüfung bestätigt. Gibt es doch das Beispiel Deutschlands, wo unter Angela Merkel gleich zwei Minister der Kanzler-Fraktion wegen einstiger universitärer Plagiate gehen mussten (Schavan und Guttenberg).

Da ist es undenkbar, dass in Österreich eine plagiierende Ministerin bleibt. Alles andere würde Österreich zur Bananenrepublik und zum internationalen Gelächter stempeln.

Was hat Aschbacher getrieben?

Wie so viele andere ist auch Aschbacher offensichtlich von der eitlen Gier nach akademischen Titeln motiviert gewesen. Sie hat vermutlich gespürt, dass die Buchstaben "(FH)" hinter ihrem "Mag." bei manchen eingebildeten Akademikern gewisse Geringschätzung ausgelöst haben. Sie wollte die absolute Überfrau werden: mit 36 Jahren Ministerin werden; drei Kinder haben; gut aussehen; und daneben auch den "Doktor" auf der Visitenkarte. Dabei hat sie sich total übernommen.

Sie hat hingegen nicht gespürt – und das ist das Ärgerlichste überhaupt –, wie unakzeptabel es ist, dass sie den Doktortitel während ihrer Ministerzeit erworben hat. Das führt ja geradezu zwangsläufig zur Frage: Hat sie so wenig zu tun als Ministerin, die immerhin für viele extrem anspruchsvolle Bereiche zuständig ist, wie Arbeit, Familie und Jugend? Oder hat sie das von jemand anderem schreiben lassen, der hohle Phrasen mit "Google" oder einem sonstigen dummen Programm übersetzt und dann so stehen lässt, der nicht ein einziges Mal Korrekturen liest? Oder der gar nicht richtig deutsch kann? Was etwa bei einem slowakischen Professor gar nicht so überraschend wäre, wenn der gegen ein nettes Honorar als Autor für eine vielbeschäftigte Studentin eingesprungen ist …

Dabei hätte Aschbacher in ihrem eigenen Chef ein viel besseres Beispiel gehabt, wie man sich im Zwiespalt zwischen Hochschule und politischer Karriere zu verhalten hätte. Sebastian Kurz hat, sobald er sehr jung Politiker geworden ist, sein Studium total eingefroren. Denn:

  • erstens sind Titel für den weiteren Lebensweg überhaupt nicht mehr wichtig, wenn man einmal Regierungsfunktionen gehabt hat (außer man will in den formalisierten Justizdienst oder Lehrbetrieb übertreten);
  • zweitens hätte auch bei ihm jeder hämisch gefragt: "Hat er so viel Zeit als Politiker?";
  • drittens hätten die bei den Juristen dominierenden mündlichen Prüfungen jeden nicht-linken Prüfer (ein paar solche Restbestände gibt’s noch an den Unis) in teuflische Probleme gebracht, um nur ja den Eindruck zu vermeiden, dass er den ÖVP-Star bevorzugt behandelt;
  • und viertens hätte Kurz umgekehrt bei linken Professoren mit teuflischen Schikanen rechnen müssen, die vor Motiven strotzen, sich an ihm dafür zu rächen, dass es keinen linken Bundeskanzler mehr gibt.

Es ist daher denkunmöglich, dass Aschbacher ihren Parteichef vorher gefragt hat, ob es schlau ist, als Ministerin ihr Doktoratsstudium abzuschließen, das im etwas seltsamen Fernstudium in der Slowakei lange vorher begonnen hatte. Geschweige denn, dass sie ihn dabei gefragt hätte, ob sie dabei so schludern soll. Sie wollte vielmehr als Superstar überraschen.

Das alles spricht zwar für den unbändigen Ehrgeiz und eine oberflächliche Titeleitelkeit der Frau, aber in keiner Weise für ihre Intelligenz.

Außerdem hätte sie wissen müssen, dass die sogenannten Plagiatsjäger schon seit Jahren die veröffentlichten Arbeiten aller Politiker – zumindest der nicht-linken – penibel durchforsten. Und dass man daher zumindest ab Eintritt in die Politik damit höllisch aufpassen sollte (alte Arbeiten kann man eh nicht mehr rückgängig machen). Zwar ist klar, dass es Tausende Diplomarbeiten und Dissertationen unwichtiger Menschen gibt, bei denen wie wild geschwindelt worden ist und wohl auch heute noch wird. Ist es doch extrem zeitaufwendig und langweilig, lange Schwarten auf Plagiate durchzuackern.

Aber es ist absolut unfassbar, wenn das jemand auch noch als aktiver Spitzenpolitiker macht.

Die Universitätskrise

Die Affäre hat aber noch eine weitere Dimension: nämlich den unglaublichen universitären Skandal. Man fasst es nicht, mit was für "Arbeiten" – oder besser gesagt: bedrucktem Papier – man akademische Titel erringen kann, und dafür noch dazu Bestnoten bekommt. Jetzt ist eine Fachhochschule wie auch eine slowakische Universität aufgeflogen. Früher waren es andere Unis.

Offensichtlich haben die dort amtierenden Professoren allzu oft Besseres zu tun als das, wofür sie eigentlich bezahlt werden, und schauen sich Diplomarbeiten und Dissertationen bisweilen nur sehr diagonal an.

Das schafft daher auch in dieser Hinsicht Handlungspflichten. Es kann nicht nur bei Konsequenzen für die schwindelnden und schlampenden Studenten bleiben, wenn diese etwa auf Grund ihrer späteren (oder gleichzeitigen) Prominenz gescreent und erwischt werden. Konsequenzen muss es noch viel mehr auch für die Professoren und Universitäten geben. Denn wüssten die Studenten nicht, dass das so leicht geht, würden sie es wohl auch nicht riskieren.

Und jedenfalls fließt viel Steuergeld in die Unis, für das man auch ordentliche Arbeit verlangen kann, und wegen dem die Unis auch viel besser auf ihre Leistung und Qualität kontrolliert werden müssten.

Die Personalkrise

Was bedeutet das aber für die Regierung?

Am wichtigsten wäre es, wenn Sebastian Kurz endlich eine wichtige Lehre daraus zöge: Die fast durchgehende Besetzung aller Spitzenpositionen mit netten Leuten aus seiner Alterskohorte erleichtert zwar ihm das Leben, hat aber zu einem Mangel an erfahrenen, souveränen und gestandenen Persönlichkeiten geführt, die gerade ein junger Bundeskanzler dringend bräuchte, selbst wenn er noch so talentiert und charismatisch ist.

Sucht man solche Persönlichkeiten, dann findet man in der ganzen Regierung im Grund nur zwei: Vizekanzler Kogler und Bildungsminister Faßmann. Blöderweise für Kurz ist der eine davon noch dazu bei der falschen Partei. Aber außer diesen beiden dürfte es in der ganzen Regierung niemanden mit echter Autorität geben und schon gar niemanden, der Kurz zu widersprechen wagen würde. Aber auch im Parteisekretariat oder in der ÖVP-Fraktion fehlt es an politischen  Persönlichkeiten mit Gewicht. Loyalität ist halt in der Politik nicht alles.

Man darf gespannt sein, ob Kurz wenigstens jetzt bei der Nachfolgesuche erkennt, dass er da ein Defizit auszubügeln hat (ich werde mich diesmal mit konkreten Vorschlägen total zurückhalten, da das bei früheren Gelegenheiten den im Tagebuch Vorgeschlagenen – und zweifellos Qualifizierten – meist nicht geholfen hat).

Derweil darf man sich am Rande wieder einmal über die österreichische Medienlandschaft amüsieren – oder ja nach Temperament ärgern –, die sofort als Wichtigstes erachtet, ob es eh wieder eine Frau sein wird. Es gibt sogar Medien, die sich allen Ernstes darüber aufregen, dass aus dem Bundeskanzleramt geschlechtsneutral gesagt worden ist, man werde bis Montag einen neuen "Minister" haben. Und nicht eine "Ministerin" …

Fürs Niveau der heimischen Journalisten ist das Geschlecht und die genderistische Sprachverkümmerung halt wichtiger als die Frage, wer (oder im feministischen ORF-Kauderwelsch: werin?) am fähigsten für dieses Amt ist.

PS: Wer die ganze Dissertation im holprigen, offensichtlich von einem nicht-Muttersprachler verfassten O-Ton lesen will, hier der Link.

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