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Kriegsgefahr für Europa

Der EU droht die Verwicklung in einen Krieg. Den meisten Europäern ist das aber gar nicht bewusst, was irgendwie an die vermeintlich schönen Sommer von 1914 und 1939 erinnert. Die heutigen EU-Bürger debattieren das mehr weniger erfreuliche Wetter und die Beschwernisse durch Corona und chaotische Behörden (dies insbesondere dann, wenn sie einen Urlaub in Kroatien gemacht oder geplant haben). Aber sie begreifen meist nicht, dass die EU selber so direkt militärisch herausgefordert ist wie noch nie in ihrer Geschichte. Zugleich gibt es auf politischer Ebene zwischen den Führungskräften Deutschland und Frankreich offensichtlich massive Divergenzen über die richtige Antwort.

Es geht um die türkischen Aktionen zur Ausbeutung der großen im östlichen Mittelmeer georteten Erdgas-Schätze. Die offenbar interessantesten Fundorte liegen aber im Meeresboden vor Griechenland und Zypern, dürften also zwei EU-Mitgliedern gehören. Zumindest nach deren Sichtweise. Die Türkei sieht hingegen sich selber als Eigentümer des gasreichen Kontinentalsockels und glaubt sich überdies auch durch das reichlich obskure Abkommen mit jener libyschen Regierung gesichert, die den Raum Tripolis kontrolliert.

Da sich beide Seiten tief von ihrer jeweiligen Position überzeugt zeigen, klingt das nach einem klassischen völkerrechtlichen Konflikt. Er ist aber längst über dieses Stadium hinaus gediehen. Denn die Türkei hat schon Explorations-Schiffe in den fraglichen Raum entsandt. In deren Begleitung fahren aber auch Kriegsschiffe. Ebenso hat Griechenland Kriegsschiffe in den gleichen Gewässern. Mit anderen Worten: Es kann jederzeit der erste Schuss fallen.

Damit droht erstmals ein Angriff auf die Hoheitsgewässer zweier EU-Mitglieder (Griechenland und Zypern) durch ein Nicht-EU-Mitglied (Türkei), was rechtlich und faktisch nicht anders zu sehen ist als ein Angriff zu Lande. Damit droht aber auch erstmals eine direkte militärische Konfrontation zwischen zwei Nato-Ländern (Griechenland und Türkei). Zugleich ist jene Kraft, die in den letzten zwei Jahrzehnten alle Konflikte innerhalb des Bündnisses zu zähmen verstanden hat, total verstummt: Das sind die USA. Diese haben im Zeichen des unter Donald Trump aufgeblühten Isolationismus sehr wenig Lust, sich in Konflikte einzumischen, wo nicht ihre unmittelbaren eigenen Interessen betroffen und eindeutig sind.

Die USA wissen außerdem gar nicht recht, wo sie sich engagieren sollten. Einerseits ahnen sie, dass die Türkei im Unrecht sein dürfte; dass Diktator Erdogan aus Gier nach ökonomischem Gewinn handelt; dass er gleichzeitig mit der Attacke (ebenso wie durch die Islamisierung der Hagia Sophia) von großen internen Problemen abzulenken versucht; und dass die islamistisch gewordene Türkei immer mehr zum Gegner Israels geworden ist. Andererseits wissen die USA, dass die Türkei vor allem dank amerikanischer Waffenlieferungen militärisch stark geworden ist; und sie fürchten, dass Ankara bei allzu großer Isolation in russisches Fahrwasser geraten könnte. Trump möchte angesichts der Probleme der letzten Jahre jeder Aktion aus dem Weg gehen, die ihm als prorussisch ausgelegt werden könnte. Er sieht aber wohl auch, dass die Türkei verbal stark gegen seinen Opponenten Biden wettert, was ihn automatisch ein wenig ins andere Lager treibt ...

Eine enges russisch-türkisches Zusammenrücken als Antwort an Europa oder die USA scheint allerdings schwer vorstellbar. Dagegen spricht nicht nur der jahrhundertealte Antagonismus zwischen den beiden Mächten an den gegenüberliegenden Ufern des Schwarzen Meeres. Dazu kommt, dass Ankara und Moskau einander auch heute im Syrienkrieg sehr konfrontativ gegenüberstehen. Und vor allem ist die Türkei unter Erdogan zur Vormacht der islamistischen Moslembrüder geworden, während sich Moskau seit Präsident Putin als Vormacht der orthodoxen Christen gibt und recht robust gegen alle islamistischen Aktivitäten vorgeht.

Wie auch immer sich Washington und Moskau verhalten werden: Auf jeden Fall ist EU-Europa viel mehr gefordert und bedroht, als es viele Europäer begreifen. Denn lässt die EU die Griechen in der Konfrontation mit der (mutmaßlichen) türkischen Überlegenheit alleine, müsste sie ihr größtes Versagen seit den Gründungstagen hinnehmen. Dann wäre sie für alle Zukunft auf die Rolle einer besseren Zollunion reduziert, die weder extern noch intern mehr ernstgenommen wird. Und selbst diese Zukunft als bloßer Binnenmarkt ohne jede außen- oder sicherheitspolitische Dimension wackelt ja, seit Deutschland in der Corona-Krise die EU-internen Grenzen für bestellte Medizingüter eine Zeitlang gesperrt hat.

Dabei ist die EU gleichzeitig auch im Nordosten sicherheitspolitisch herausgefordert: Belarus macht Militärübungen an der Grenze zum EU-Mitglied Litauen, wohin die Oppositionsführerin und Wahlsiegerin geflüchtet ist. Das Säbelrasseln des Belarus-Diktators Lukaschenko ist noch viel eindeutiger als bei der Türkei der Versuch, durch außenpolitische Aggression von einer innenpolitischen Krise abzulenken.

Belarus ist für die EU aber vorerst dennoch eine Spur weniger gefährlich als die Türkei, weil Litauen auf amerikanischen und Nato-Schutz bauen kann. Belarus ist auch militärisch schwach. Belarus wird erst dann gefährlich, sollte es dem knapp vor dem Sturz stehenden Belarus-Diktator Lukaschenko gelingen, Russland doch noch hineinzuziehen. Wonach es aber derzeit nicht aussieht. Derzeit sieht es eher nach einem baldigen Sturz Lukaschenkos aus. Bei Erdogan ist ein Sturz hingegen ganz und gar nicht zu erwarten: Ihm wird es bei Gefahr einer Abwahl leicht gelingen, neuerlich unter Vorwand eines Putschversuches alle politischen Gegner zu verhaften, und mit Schüren der antigriechischen, antikurdischen, antiwestlichen und antiisraelischen Emotionen nationalistische und islamistische Türken hinter sich zu scharen.

 Griechenland und Zypern scheinen derzeit jedenfalls einzig und allein auf den Beistand der EU angewiesen. Diese schwärmt ja ohnedies seit Jahrzehnten von der eigenen "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik", welche in zahllosen Dokumenten bekräftigt worden ist. Welche sich jetzt bewähren könnte. Welche nun aber plötzlich mit heruntergelassenen Hosen dazustehen scheint.

Einzig der französische Präsident Macron hat die Gefahr erkannt. Hingegen ist die deutsche Bundeskanzlerin Merkel auffallend, um nicht zu sagen: demonstrativ still geblieben. Genau an sie hat sich Erdogan in Telefonaten direkt gewandt, deren Inhalt aber bisher geheim geblieben ist.

Das ist ein bedenkliches Zeichen. Das ist umso bedenklicher, als Merkel an Stelle der notwendigen lauten(!) Warnungen an Erdogan jetzt zu einem Ad-hoc-Treffen zu Macron eilt und einen EU-Videogipfel abhält. Dabei wären klare Stellungnahmen auch Deutschlands auf der gleichen Linie wie Frankreich die zweifellos beste und wichtigste Strategie, um die Türkei doch noch zu einem friedlichen Einlenken zu bringen.

Warum handelt Merkel so?

  • Begeht sie einfach instinktiv ihren nächsten großen Fehler nach ihren vielen anderen epochalen Fehlentscheidungen (Grenzöffnung für Millionen illegaler Migranten, Absage an Atom- und Kohle-Energie, Abwendung von der Autoindustrie, permanente Rettungspolitik für die Euro-Schuldenstaaten)?
  • Ist da der Einfluss des Koalitionspartners SPD entscheidend, der ja auch die Ursache der gerade genannten Fehlentscheidungen sein dürfte?
  • Ist bei Merkel die Politik der außenpolitischen Schwäche und Ängstlichkeit gleichsam genetisch?
  • Fürchtet sie sich zu sehr vor der Türkei, mit der sie ja auch das für Europa so nachteilige Flüchtlingsabkommen getroffen hat?
  • Fürchtet sich Merkel schon zu sehr vor den rund dreieinhalb Millionen Türken (mit und ohne türkischen Pass) in ihrem eigenen Land, als dass sie noch in irgendeiner Frage der Türkei entgegenzutreten wagen würde?

Da stellt sich logischerweise sofort die Frage: Warum ist Macron zu einer viel energischeren Politik als Merkel imstande und entsendet in einem eindrucksvollen Akt französische Schiffe, um die Türken abzuschrecken? Haben nicht die Franzosen Teile ihres Landes schon weitgehend der De-Facto-Herrschaft zugewanderter Moslemethnien geopfert, wo sich selbst die französische Polizei kaum mehr hineintraut? Eine Erklärung dürfte in der von vielen übersehenen Herkunft dieser Migranten liegen: Denn in Frankreich lebt "nur" eine Million Türken. Dort ist die Islamisierung vielmehr primär über zugewanderte Araber und Berber erfolgt, die außer der Religion mit den Nachfahren der Osmanen primär die gegenseitige Aversion teilen.

Das erste, was Europa schon seit Monaten jedenfalls machen hätte müssen, wäre eine Einschaltung des Internationalen Seegerichtshofes, damit alle Zweifel an der Rechtswidrigkeit des türkischen Verhaltens beseitigt werden. Dieser Gerichtshof ist am Ende des 20. Jahrhunderts genau für solche Fälle geschaffen worden (übrigens unter führender Rolle der beiden österreichischen Völkerrechtler Hafner und Türk). Damit könnten die europäischen Länder es auch rechtlich absichern, wenn sie Griechenland die dringend benötigte – auch militärische – Hilfe leisten.

Und wer meint, es zahlt sich doch nicht aus, für ein paar Gasquellen einen Krieg zu riskieren, der soll sich an die Jahre 1938 und 1939 erinnern, wo man auch lange vermieden hat, einem Aggressor rechtzeitig entgegenzutreten. Man sollte sich an die Diskussion des damaligen Frankreichs erinnern, ob es sich denn wirklich auszahlt, wegen der deutschen Ansprüche auf das seit dem ersten Weltkrieg polnisch besetzte Danzig Krieg zu führen: "Mourir pour Dantzig"? Freilich hatte man achselzuckend schon zuvor mit genau der gleichen "Peace in our time"-Gesinnung Österreich und die Tschechoslowakei fallen gelassen, obwohl Hitler damals militärisch noch lange nicht so weit war, Krieg zu führen. Obwohl ein frühzeitiges Entgegentreten jedenfalls viele Opfer vermieden hätte.

PS: Aus österreichischer Perspektive fällt auf, dass als einzige Partei die FPÖ deutliche Kritik an der Türkei wagt - die sich aber wiederum gegenüber Belarus auffallend zurückhaltend verhält ... 

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