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Das Jahr der Skandale

Vor genau einem Jahr ist das in der Folge weltberühmt gewordene "Ibiza-Video" von zwei linken deutschen Medien an die Öffentlichkeit gespielt worden. Zwei Jahre davor mit kriminellen Geheimmethoden gemachte Aufnahmen haben gezeigt, wie der damalige FPÖ-Obmann H.C. Strache und sein innerparteilicher Kumpane Gudenus vor fremden Menschen offen ihre Bereitschaft zu kriminellen Aktionen ausgesprochen haben. Seit dieser Veröffentlichung ist in der österreichischen Innenpolitik alles anders. Diese Video-Veröffentlichung war der Höhepunkt eines beklemmenden Jahres voller Skandale. Ich habe die wichtigsten Skandale dieses Jahres und ihre Bedeutung in einem rückblickenden Text für das soeben erschienene "Jahrbuch für Poltik 2019" zu analysieren versucht, der weitgehend ident ist mit diesem Beitrag. Denn kein einziges Sachproblem, keine äußere Krise, keine wirtschaftliche oder soziale Herausforderung, kein Sicherheitsproblem, keine Demographie, keine Migration, kein – durch wen auch immer verursachter – Klimawandel hat das politmediale Österreich 2019 so bewegt wie die diversen Skandale, die wirklichen und die medial behaupteten. Was es total vom Corona-Jahr 2020 unterscheidet.

Vor allem in den Medien dominierte 2019 große Begeisterung für Skandale. Sie waren überzeugt, damit Leser, Seher und Hörer stärker interessieren zu können als mit Sachthemen. Skandale lassen sich nämlich medial viel einfacher darstellen. Sie sind immer personalisierbar. Zugleich bezeichnet sich jeder Journalist, der über Skandale berichtet, als Investigativ-Journalist, was viele als Adelsprädikat ihres Berufs ansehen. Egal, wieviel Recherche da involviert war, die ja meist nicht über das Öffnen eines Kuverts mit Kopien aus der Staatsanwaltschaft hinausgeht. Egal, ob die Journalisten beim Skandale-Beschreiben um Objektivität und Seriosität bemüht waren.

Freilich täuschen sich die Medien, wenn sie meinen, dass ihnen das wirklich hilft. Zwar lässt sich zweifellos mit Skandalberichterstattung einige Tage lang das Interesse der Konsumenten in die Höhe peitschen – nur um nachher umso sicherer weiter abzusinken. Denn wenn die Menschen von einer scheinbar total skandalgetränkten Politik angewidert werden, sind sie umso mehr auch von jenen angewidert, die ständig über Skandale berichten, die ständig hautnah an der Politik dran sind. 

Die Gesamtreichweite aller österreichischen Tageszeitungen war laut Media-Analyse (die sehr großzügig misst: Bei ihr wird man schon dann als Leser gezählt, wenn man eine Zeitung in der Hand gehabt hat) in den zwölf Monaten bis zum 30. Juni 2019 mit 63,3 Prozent nur genauso hoch wie in der Vergleichsperiode davor. Die Skandalhektik vom BVT bis Ibiza hat also nur eine Stabilisierung des Abwärtstrends gebracht, keine Umkehr. Das Skandaljahr hat die Zeitungen nicht gerettet - und schon gar nicht gerettet, was dann im Corona-Jahr auf sie zukam.

Insgesamt ist der Abwärtstrend der Tageszeitungen jedenfalls seit langem ein steiler: Sechs Jahre davor lag ihre Kollektivreichweite noch bei 71,8 Prozent. Noch tiefer ist bis auf wenige Ausnahmen der Fall der Wochen- und Monatsblätter.

Noch weniger als den Zeitungen hat die Skandalberichterstattung dem ORF geholfen: Die Marktanteile der Sendergruppe fielen 2019 weiter: von 32,9 Prozent im Jahre 2018 auf 31,8 im vergangenen Jahr. Auch für den ORF setzte sich damit ein langfristiger Abwärtstrend fort: Hatte er doch bis 2006 immer Marktanteile über 40 Prozent. Und früher noch viel mehr.

Gewiss, die Krisen der klassischen Medien hängen insbesondere mit dem steilen Aufstieg aller Internet-Medien zusammen. Dennoch zeigt sich etwa beim klassischen linearen Fernsehbereich, dass unaufgeregte Seriosität ohne Skandalhysterie durchaus Erfolg bringt. Den bei weitem größten Zuwachs unter den heimischen Privatsendern hat mit einem mehr als zwanzigprozentigen Zuwachs auf 3 Prozent Servus-TV erzielt. Dabei hat dieser Sender nicht so wie der ORF hunderte Male immer die gleichen Video-Sequenzen aus Ibiza abgespielt ...

WIR LERNEN: Die Bürger lieben zwar den Gaumenkitzel durch Berichte über einen wirklichen oder scheinbaren Skandal; sie lieben aber nicht den Berichterstatter. Ganz im Gegenteil: Im Unterbewusstsein färbt Skandalisierung negativ ab. Wer dauernd über Skandale redet, wird im Auge des Zusehers am Ende selbst ein Teil des Skandals.

Dauernde Skandalberichterstattung führt in der Regel zu einer der folgenden Reaktionen der Bürger:

  • Schlimm, aber eigentlich sind das alles Probleme außerhalb meiner Welt.
  • Wer weiß, ob die Vorwürfe überhaupt stimmen – werden sie doch dementiert.
  • In der Politik sind eh alle Gauner.

Aber nicht nur die Medien, sondern auch die Demokratie hat keineswegs von einem gehobenen politischen Interesse durch die Skandalserie profitiert. Denn die Wahlbeteiligung an den Nationalratswahlen im September 2019 ist mit 76 Prozent auf den zweittiefsten Wert der gesamten österreichischen Wahlgeschichte gesunken und war gleich um vier Prozentpunkte niedriger als zwei Jahre davor (nur 2013 war die Beteiligung noch einen Prozentpunkt tiefer gewesen). Dabei war die Beteiligung bis in die 80er Jahre immer über 90 Prozent gelegen.

Die Lehre ist eindeutig: Die Menschen haben 2019 zwar intensiv die Skandalberichterstattung verfolgt. Aber das Ergebnis war keine Politisierung, sondern eher das Gegenteil: ein zunehmend angewidertes Abwenden von der Politik; und nicht nur von der Politik, sondern auch von ihrer symbiotischen Zwillingsschwester, den über die Politik berichtenden Medien.

Das heißt freilich nicht, dass das Wahlergebnis der Parlamentswahl nicht von den Skandalen beeinflusst worden wäre. Aber wieder zeigt sich ganz eindeutig, dass Skandale nicht so monokausal wirken, wie vielleicht von manchen erwartet. Das zeigt der Blick auf die einzelnen Parteien:

Liste Pilz (Jetzt) und Grüne: Die Liste Pilz, eine Abspaltung von den Grünen, hat ganz eindeutig am stärksten von allen Parteien auf das Skandalisieren gesetzt. Peter Pilz war – seit Jahrzehnten, aber bei der Wahl 2019 ganz besonders – jener Politiker, der ständig mit tief empörtem Gesicht den jeweils ärgsten Skandal der Geschichte "aufdeckt". Besonders hat er das auf seiner Lieblingsplattform gemacht: in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Er ist jener Politiker, der am meisten Strafanzeigen gegen andere Politiker erstattet hat. Aber er ist zugleich auch jener, dessen Anzeigen am häufigsten mit einer Einstellung enden. Ebenso hat seine Aufregungsinszenierung bei U-Ausschüssen fast nie wirklich zu etwas geführt.

Ausgerechnet dieser Pilz ist 2019 in hohem Bogen aus dem Parlament geflogen. Dabei ist seine neugegründete Liste erst zwei Jahre davor dort hineingekommen, und zwar genau in einer Phase, als Pilz ausnahmsweise einmal nicht durch ständiges Skandalisieren genervt hat, sondern eher Objekt des Mitleids geworden ist, weil die Grünen ihren bekanntesten Politiker als Folge interner Intrigen und Quotenfixierung nicht aufgestellt haben. Aber als Pilz dann jahraus, jahrein nur noch als hasserfüllter und schriller Skandalisierer aufgetreten ist, hatten die Wähler endgültig genug von ihm.

Hingegen erzielte die Grüne Partei ohne Pilz und damit mit dem niedrigsten Ausmaß an Skandalisierung seit ihrer Gründung den höchsten Sieg ihrer Geschichte. Sie hat stattdessen auf ein reines Sachthema gesetzt, die Klimapanik rund um die schwedische Zopfträgerin Greta. Alle einstigen Skandale der Grünen waren vergessen, wie etwa der Abgang der einstigen Parteichefin Glawischnig zu einem Glücksspielkonzern, wie etwa die einstige grüne Nähe zu linksextremistischer Gewalt.

KLARE LEHRE: Manische Skandalisierung rund um die Uhr bringt nichts. Sachthemen und taktisches Wählen (also etwa der regelmäßige Wählerwechsel zwischen Rot und Grün) sind wichtiger.

SPÖ: In ganz anderer Hinsicht lehrreich ist das Schicksal der Sozialdemokratie. Sie war eigentlich 2019 fast gar nicht in Skandale verwickelt, hat aber trotzdem mit einem Minus von 5,7 Prozentpunkten katastrophal abgeschnitten. Die Verluste hängen mit einer schwachen Vorstellung der Parteichefin ebenso zusammen wie mit einer Hilfsaktion einstiger SPÖ-Wähler für die Grünen, damit diese wieder ins Parlament kommen, während die SPÖ selbst endgültig als chancenlos eingestuft worden ist, Nummer eins zu werden.

Die Sozialdemokratie hat erstaunlicherweise überhaupt nicht profitiert von den angeblichen oder wirklichen Skandalen der beiden Rechtsparteien. Dabei ist der Verdacht sehr groß, dass etliche dieser Skandale sogar von Menschen aus dem sozialistischen Umkreis losgetreten worden sind. Sie sind jedenfalls von der SPÖ geradezu krampfhaft aufgeblasen worden.

Statt dass ihr die Skandale genutzt hätten, ist der SPÖ stattdessen das Misstrauensvotum (zusammen mit FPÖ und Liste Pilz) gegen die ganze Regierung Kurz sehr negativ angerechnet worden. Das war in den Augen der Wähler ein rein destruktiver Akt der Unfairness.

Besonders erstaunlich: 2017 hat die SPÖ ihren Wähleranteil noch fast komplett gehalten, obwohl damals die Partei selbst Täter im Skandal rund um den Berater Silberstein gewesen ist. Aber ihr gelang es damals, durch wilde Dementis letztlich für so viel Verwirrung zu sorgen, dass der Skandal nicht wirklich schadete. Außerdem konnten damals von Grün viele linke Wechselwähler gewonnen werden, die hofften, dass sich für die SPÖ vielleicht doch noch die Nummer-Eins-Position ausgeht.

KLARE LEHRE: Auch echte Skandale schaden oft nicht, solange man sie konsequent zu leugnen versteht. Klar erkennbare Unfairness sowie klar erkennbare Unfähigkeit von Politikern schaden hingegen viel mehr. Zugleich wird taktisches Wählerverhalten immer häufiger: Es kann sowohl massiv schaden wie nutzen.

ÖVP: Die politischen Gegner haben der Volkspartei 2019 mehrere Skandale anzuhängen versucht. Einer hat das Schreddern von Drucker-Festplatten kriminalisiert; bei einem anderen wurden illegal ergatterte Unterlagen aus der ÖVP-Buchhaltung in linken Magazinen veröffentlicht; von der FPÖ wiederum wurde mehrfach der Verdacht ausgestreut, dass vielleicht doch die ÖVP hinter dem Ibiza-Video steckt.

All diese Vorwürfe sind an der ÖVP wie Wasser an einer Fettschicht abgeflossen. Es war sehr rasch erkennbar, dass hinter diesen Vorwürfen keine Substanz steckt. Viel wirksamer war eindeutig das bei der Wahl voll wirksame Charisma von Sebastian Kurz. Dazu war seine klare Aussage wahlwirksam, eine Mitte-Rechts-Politik und eine Abwehrpolitik gegen illegale Migration betreiben zu wollen. Genauso wichtig war sein Image, in skandalturbulenten Zeiten einziger Garant für Stabilität neben dem Bundespräsidenten zu sein (dem sich Kurz zugleich – ganz im Gegensatz zur mutigen Konfrontationspolitik von Wolfgang Schüssel gegen den Bundespräsidenten im Jahr 2000 – voll unterordnete, obwohl Alexander van der Bellen ab Mai 2019 ein eindeutig parteipolitisches Spiel zugunsten der ihm sehr nahestehenden Grünen spielte. Das hat die politischen Gewichte zwischen beiden Seiten des Ballhausplatzes wohl dauerhaft verschoben).

Jenseits aller Skandale ließ Sebastian Kurz die zwei Hauptfragen des Jahres 2019 unbeantwortet: Erstens, warum hat er mit dem Hinauswurf von Innenminister Kickl, der ja mit dem Ibiza-Skandal gar nichts zu tun hatte, die Koalition beendet? Zweitens, warum hat er nicht nach der Wahl die mögliche und von der Mehrheit gewünschte schwarz-blaue Koalition fortgeführt? Auf beide Fragen gab es nie eine ausreichende und nachvollziehbare Antwort. Kurz hat stattdessen den Skandaltrubel durchaus eigenständig zu nutzen verstanden.

KLARE LEHRE: Skandalvorwürfe der üblichen Kategorie (etwa in Hinblick auf Parteifinanzierung) ändern bei keinem einzigen Wähler das Wahlverhalten. Wenn sie allzu lächerlich sind (Schreddern), führen sie sogar zu einem Solidarisierungseffekt. Skandale lassen sich aber gut verwenden, um ganz anders motivierte politische Entscheidungen zu tarnen.

FPÖ: Sie ist die einzige Partei, die 2019 durch Skandale wirklichen und zwar schweren Schaden erlitten hat. Sie sank von 26 auf 16 Prozent gegenüber der letzten Wahl. Allerdings war sie schon vor Auftauchen des Ibiza-Videos bei den Umfragen auf 22 Prozent gefallen. Wieder einmal hat einer Protestpartei eine Regierungsteilnahme geschadet (was meist passiert, wenn sie nicht Nummer eins in der Regierung ist).

Allerdings fällt auf, dass die FPÖ 2019 deutlich weniger tief gefallen ist als im vergleichbaren Jahr 2002. Damals war die FPÖ gar von 27 auf 10 Prozent gestürzt. Damals gab es im Unterschied keine FPÖ-Skandale, sondern ein totales Zerfallen der Partei in zwei Teile: Ein Teil wollte weiter konstruktiv in der Regierung arbeiten, und einer wollte wieder Protestpartei werden.

Den zweiten Teil des FPÖ-Verlustes haben aber dann eindeutig die zwei großen Skandale rund um Parteichef. H.C. Strache ausgelöst. Diese haben beide zum Nachteil der FPÖ gewirkt – aber sehr unterschiedlich:
- Der erste Skandal, also die in Ibiza heimlich gefilmte Bereitschaft des damaligen FPÖ-Obmannes zu schwer korrupter Kooperation mit vermeintlichen russischen Oligarchen, hat eine signifikante Anzahl von FPÖ-Wählern zum Wechsel zur ÖVP motiviert.
- Der zweite Skandal drehte sich hingegen um Spesenabrechnungen Straches. Er hat ähnlich viele FPÖ-Wähler zu Nichtwählern gemacht. Das waren Wähler mit höherer FPÖ-Affinität, die nicht zum Wechsel zu einer anderen Partei bereit waren, die aber umso mehr über Berichte empört waren, dass Strache sich auf der Ebene des Kaufs von Gucci-Taschen auf Kosten der eigenen Partei bereichert hat. Oder haben dürfte – denn bis heute gibt es ja keine saubere Aufklärung zu beiden Skandalen.

Äußerungen des Interims-Innenministers Wolfgang Peschorn, also des nach Regierungssturz obersten Chefs der Polizei, knapp nach Ende des Jahres 2019, dass es wegen Reibereien zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei nicht zur vollen Aufdeckung aller Aspekte der mafiaartigen Falle gegen Strache gekommen ist, deuten massiv darauf hin, dass es nach der Veröffentlichung zu einem weiteren Skandal gekommen sein dürfte. Über den wir aber noch weniger wissen.

Die Verluste der FPÖ am Wahltag wären dennoch etwas kleiner gewesen, wäre die neue doppelköpfige Parteispitze nicht allzu widersprüchliche Strategien gefahren: Parteiobmann Norbert Hofer versuchte, die FPÖ als "die" Garantie eines Weitergehens von ÖVP-FPÖ zu verkaufen. Diese Strategie wurde durch Klubobmann Herbert Kickl konterkariert, der ständig die ÖVP mit Skandalvorwürfen frontal angriff, was wiederum zwischen den beiden Parteien schwankende Wähler von einem Wechsel zur FPÖ abhielt. Kickl war allerdings - was verständlich ist - persönlich verbittert, weil ihn Sebastian Kurz in die Nähe der Ibiza-Skandals zu rücken versucht und seinen Rücktritt als Preis für eine Fortsetzung der Koalition verlangt hatte. Kickl hat aber seinerseits aus dem Schicksal des Peter Pilz nichts gelernt, dass Rund-um-die-Uhr-Skandalisierer alles andere als beliebt werden.

KLARE LEHRE: Skandale werden erst dann wählerwirksam, wenn sie entweder durch ein Video einen viel höheren Anschein von Wirklichkeit haben als bloße Text-Berichterstattung, oder wenn sie sich auf der simplen und von jeder nachvollziehbaren Ebene persönlicher Bereicherung abspielen.

Die einzelnen Skandale

Eine detaillierte Darstellung aller Skandale des Jahres 2019 würde ein eigenes Buch erfordern. Daher hier nur schlagwortartig das, was daran wesentlich erscheint:

Die Einzelfälle: Unter dieser Bezeichnung firmieren in der ersten Jahreshälfte fast im Wochenabstand in linken Medien (vor allem Falter und ORF) inszenierte Berichte, die alle die FPÖ in ein ganz schiefes Licht zu rücken versuchten.
- Einmal ging es um ein 14 Jahre altes Liederbuch einer Burschenschaft, das in der Bibliothek eines freiheitlichen Abgeordneten steht und antisemitische Lieder enthält (wobei es aber keine Äußerung des Politikers gibt, dass er sich mit diesen Liedern identifizieren würde).
- Einmal ging es um eine alte FPÖ-Karikatur eines Moslems, die als antisemitisch bezeichnet worden ist.
- Einmal ging es um ein Gedicht eines freiheitlichen Provinzpolitikers, das Ausländer als Ratten bezeichnet (Da aber der Autor auch sich selbst und seine Frau als Ratten bezeichnet, ist das keine Ausländerbeschimpfung, sondern dasselbe wie bei Walt Disney, der die Akteure seiner Comics entweder als Mäuse oder als Enten darstellt).

Identitären-Skandal: ÖVP-Obmann Kurz sah in der Tatsache, dass der Mann, der in zwei neuseeländischen Moscheen zum Massenmörder wurde, den österreichischen "Identitären" ein Jahr vor seiner Tat eine Geldspende gemacht hatte, ein Verbrechen, das mindestens zum Verbot der Identitären führen müsse. Jedenfalls zwang er Koalitionspartner FPÖ, sich von den ihr zweifellos nahestehenden Identitären zu distanzieren. Faktisch haben die Identitären aber auch ein der ÖVP sehr ähnliches Programm: Betonung der österreichischen Identität, Ablehnung von illegaler Migration und Islamisierung. Von Schwarz und Blau unterscheiden sich die Identitären nur durch ihren Aktionismus, der aber wiederum dem von grünen NGOs ähnelt.

Skandale rund um das BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung): Da gab es gleich mehrere Skandale, die monatelang höchste Aufregung auslösten, aber allesamt keine Auswirkung auf das Wahlergebnis hatten:
- Ein internationaler Bericht hat einen katastrophalen inneren Zustand des BVT enthüllt und damit die Kritik des zuständigen Innenministers Kickl am BVT zumindest zum Teil gerechtfertigt.
- die Staatsanwaltschaft hat auf Verlangen des FPÖ-Innenministeriums eine Hausdurchsuchung beim BVT veranstaltet, die dann aber später von einem Gericht als unrechtmäßig entlarvt worden ist.
- Ein darauf im Parlament installierter Untersuchungsausschuss hat diese beiden Problembereiche sowie die starke ÖVP- und SPÖ-Nähe vieler BVT-Mitarbeiter bloßgelegt (die aber rechtlich nicht verboten ist); er hat aber auch dazu geführt, dass über die Parlamentsklubs immer wieder eigentlich vertrauliche Unterlagen in die Öffentlichkeit gelangt sind.
- Das alles hat wiederum einige ausländische Partnerdienste zu einer kritischen Überprüfung ihrer Kooperation mit dem BVT veranlasst.
- Wahrscheinlich hat auch die Russland-Nähe der FPÖ international zu einer Isolation des BVT geführt.

Der Eurofighter-Skandal: Die einstige Anschaffung von Abfangjägern durch Österreich wird schon seit einem Jahrzehnt von SPÖ und insbesondere Peter Pilz skandalisiert und hat auch schon zu mehreren Untersuchungsausschüssen geführt. Es wurde aber nie etwas strafrechtlich Verwertbares gefunden.

Die Skandale in der Staatsanwaltschaft: Neben dem von Peschorn enthüllten Skandal der unzureichenden Aufarbeitung der Frage, wer das Ibiza-Video inszeniert hat, der vor allem die Staatsanwaltschaft Wien trifft, geht es dabei um:
- die Länge vieler Vorverfahren, die des Öfteren bis zu zehn Jahre dauern, wobei die Betroffenen auch im Falle eines Freispruchs Schäden (für Anwalts- und Sachverständigenkosten) in der Höhe von mehreren Hunderttausend Euro erleiden, für die sie auch bei einem Freispruch keine Entschädigung bekommen;
- die Grazer Staatsanwaltschaft, die ohne ausreichendes Substrat ideologische Feldzüge gegen die Identitären geführt hat, aber vor Gericht gescheitert ist;
- und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie hat in Sachen BVT gepfuscht. Sie hat den ärgsten Korruptionsfall in der österreichischen Geschichte – die alljährlich mehr als hundert Millionen verschlingende Medienkorruption – nie vor ein unabhängiges Gericht gebracht. Sie hat den für die Strafjustiz zuständigen Sektionschef des Justizministeriums wegen lächerlicher Vorwürfe angezeigt. Und sie hat eine interne Besprechung illegal aufgenommen. Diese Fälle beweisen, dass die Staatsanwaltschaft längst zum Staat im Staat geworden ist.

Ibiza: Auf dieser Balearen-Insel haben sich jene zwei Skandale abgespielt, die das Jahr ab Mai dominiert haben. Wobei beide Seiten des politischen Spektrums bis heute jeweils nur eine Seite sehen wollen.
- H.C. Strache ist 2017 heimlich gefilmt worden, als er einer vermeintlichen russischen Oligarchin Angebote machte, die bei einem Amtsträger eindeutige Korruption wären (was er damals aber noch nicht war). So sprach er davon, wie man über Umwege Geld an Parteien fließen lassen und dafür Staatsaufträge bekommen könnte;
- Diese Videofalle, in die Strache getapst ist, war gleichzeitig aber auch massiv rechtswidrig. Sie war enorm kompliziert und teuer aufgebaut, sodass es alles andere als ein Zufallsprodukt war, sondern von sehr langer Hand vorbereitet. Es ist bis heute ungeklärt, wer aller in ihre Aufstellung und Finanzierung sowie in die Vermarktung des Videos involviert gewesen ist. Zwar laufen mehrere Verfahren, zwar gibt es eindeutige Beziehungen in die kriminelle Welt. Aber es scheint nach wie vor sicher, dass auch parteipolitische Interessen und internationale Geheimdienste im Spiel gewesen sind.

Straches Spesenaffäre: Auch dieser Komplex ist in keiner Weise aufgeklärt. Es gibt dazu nach wie vor mehr Fragen als seriöse Antworten:
- Hat Strache wirklich die eigene Partei massiv betrogen?
- Hat in der FPÖ jemand bewusst weggeschaut (worauf der nachträgliche Rücktritt der beiden FPÖ-Generalsekretäre hindeuten könnte)? Oder geht es nur um simple Steuerhinterziehung, bei der Einkommen als Spesen getarnt worden ist?
- Wer hat Strache auffliegen lassen?
- Wirklich nur ein gekränkter Personenschützer?
- Oder ist hier ebenfalls seit langem eine geheimdienstliche Falle aufgebaut worden?
- Oder wollte ihn die nunmehrige FPÖ-Spitze endgültig erledigen?

Alles ist möglich. Unwahrscheinlich ist nur, dass wir jemals die volle Wahrheit erfahren werden.

Schreddern: Ein Mitarbeiter von Kurz hat in den letzten Amtstagen der Kanzlerschaft "Kurz 1" Festplatten aus dem Kanzler-Büro schreddern lassen. Das ist an sich ein ganz normaler und legaler Vorgang, damit vertrauliche Schreiben keine Flügel bekommen. Das ist aber dennoch von Kurz-Gegnern massiv kriminalisiert und mit wilden Verschwörungstheorien darüber verknüpft worden, was alles auf diesen Festplatten gestanden sein mag.

Hacker-Attacke: Ähnliches gilt für einen externen Spähangriff auf die Buchhaltungsunterlagen der ÖVP, aus denen dann Details in linken Medien aufgetaucht sind. Gleichzeitig ist jedoch von einigen ÖVP-Kritikern angedeutet worden, dass es überhaupt keinen solchen kriminellen Hackerangriff gegeben hätte, und dass sich die ÖVP bewusst als Opfer inszeniere.
Das ist mittlerweile eindeutig widerlegt. Den externen Angriff hat es eindeutig gegeben.

Chorherr-Skandal: Der langjährige grüne Spitzenpolitiker Christoph Chorherr betreibt privat einen Verein für Schulen in Südafrika. Er war aber gleichzeitig auch grüner Planungssprecher im Wiener Rathaus und Berater der grünen Stadträtin Vassilakou. Und als solcher war er ein vehementer Verfechter des Baus eines Hochhauses zwischen Stadtpark und Konzerthaus. Das ist ein hässliches Projekt am Schnittpunkt der für Wien so prägende Jugendstil-, Ringstraßenstil- und Biedermeier-Architektur, das viele Wiener als eindeutige Stadtverhässlichung empört. Der Bau droht Wien auch den Status als "Weltkulturerbe" zu kosten, wird aber dennoch von Rot und Grün unverdrossen weiterbetrieben.

Chorherr hat trotz dieser Situation und seiner Schlüsselrolle in der regierenden Koalition in Wien namhafte Spenden aus der Bauwirtschaft entgegengenommen. Was natürlich sofort massiven Korruptionsverdacht hervorgerufen hat.

Dieser Doppelskandal (der wahrscheinliche Zusammenhang Hochhaus plus Spenden) wird erstaunlich wenig medial reflektiert. Sind die Grünen für die Medien generell tabu? Oder haben sich diese durch Inserate der rotgrünen Gemeinde jedes Recherchier-Interesse abkaufen lassen?

Ältere Skandale: Man muss lange zurückgehen, bis man einen Wiener Skandal findet, der auch medial, juristisch und politisch korrekt aufgearbeitet worden ist. Das war damals der AKH-Skandal.

Ein anderer noch älterer Skandal in der Geschichte dieser Stadt rankte sich in den 60er Jahren um den einst mächtigen SPÖ-Politiker (und tapferen Kämpfer gegen Nazis wie Kommunisten) Franz Olah. Seine Gegner in der SPÖ versuchten Olah wegen der Finanzierung der Kronenzeitung durch Gewerkschaftsgelder zu kriminalisieren. Diese Skandalisierung gelang zwar (Olah wurde zu einem Jahr verurteilt), verhalf Olah aber zu gewaltiger Popularität, weil die Intrigen-Inszenierung durch die SPÖ von den Menschen durchschaut worden ist. Daher wurde er der erste Nachkriegspolitiker, der mit einer neugegründeten Partei erfolgreich bei mehreren Wahlen kandidierte – und der SPÖ schwer schadete.

Einen ähnlichen, aktuelleren Vorgang in Deutschland beschreibt dieses Zitat eines prominenten deutschen Publizisten: "Nichts hat der Alternative für Deutschland so geholfen wie ihre ständige Skandalisierung durch den ununterbrochenen Kampf gegen rechts auf Staatskosten."

Wir lernen aus all dem: Auch wenn man als Staatsbürger jedes Interesse haben muss, dass echte Rechtsverletzungen bestraft werden, so ungewiss bleibt es doch, wem Skandale am Ende des Tages helfen. Dem Skandalisierer? Dem Beschuldigten? Oder versacken sie im Desinteresse? Das weiß man immer erst nachher.

Der Demokratie nützen sie jedenfalls nicht. Der Bürger wendet sich mit Grausen, wenn alle politischen Vorgänge sofort und unweigerlich zum Skandal gemacht werden.

Dieser Text ist in ähnlicher Form auch im soeben erschienenen "Jahrbuch für Politik 2019" enthalten.

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