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Wir sind doch gesellige Wesen (die von etwas leben wollen)!

Realistisch betrachtet hatte die Regierung keine andere Chance, als jetzt mit drastischen Maßnahmen auf den Corona-Virus zu reagieren, und das ganze Land unter eine Quasi-Quarantäne zu stellen. Sonst hätte jeder zweitklassige Journalist ständig empört gefragt: Warum habt ihr dieses nicht getan, warum jenes nicht? Im Zweifel zu viel zu tun ist für Politiker im Medienzeitalter immer hilfreicher als zuwenig zu tun. Manches hätte in der Tat sogar früher beginnen müssen, wie etwa die Kontrolle der Flugzeug-Passagiere, die aus China ankommen; mit dieser hat man zwei Wochen zu spät begonnen. Andererseits ist es mehr als fraglich, wie lange speziell die Österreicher Maßnahmen der nun beschlossenen Intensität geduldig hinnehmen werden. Denn zunehmend werden sie selber die Folgen dessen spüren, was alles durch die nun über große Teile Europas verhängte Quarantäne verändert wird. Und vor allem wird die Frage bald dominieren: Wie lange geht das?

Wird Österreich, wird Europa so lange in einen Zustand verwandelt werden, dass er am Ende wirklich ans Leben im Jahr 1945 erinnert? Die jetzt beschlossenen Maßnahmen gehen einmal bis Anfang April. Das klingt harmlos, wird aber schon sehr harte Folgen haben, die wir jetzt noch gar nicht alle überblicken. Der Gesundheitsminister spricht hingegen schon von "Monaten". Und führende deutsche Mediziner sprechen schon davon, dass in den nächsten zwei Jahren 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung eine Corona-Infektion erlitten haben werden. Das heißt aber: Sollten die jetzigen Maßnahmen - die auch noch ständig verschärft werden sollen! - wirklich zwei Jahre dauern, dann sind wir tatsächlich bei 1945 gelandet.

Noch schlimmer als die Wirtschaft – und schon da bricht derzeit viel mehr zusammen, als wir uns derzeit noch bewusst sind, – ist unser soziales und privates Leben von der Corona-Panik betroffen. Die nächsten Tage und Wochen werden vielen von uns erst so richtig bewusst machen, wie sehr wir alle gesellschaftliche Wesen sind, die das Zusammentreffen mit anderen Menschen brauchen, um selber richtig Mensch zu sein, um im inneren Gleichgewicht zu bleiben.

Gewiss, einige Tage lang wird jetzt manches lustig und spannend empfunden, weil es so anders und aufregend ist. Aber bald werden wir merken: Es geht uns etwas Wesentliches ab, nämlich die Dichte der Begegnung mit anderen Menschen. Deswegen zieht es ja so viele generell in die Städte, auch räumlich eigentlich Ungebundene, ob Pensionisten, ob wohlhabende Privatiers, ob Mindestsicherungsbezieher. Obwohl das Leben am Land doch angeblich so gesund und ökologisch wertvoll ist. Obwohl das Internet doch auch in vielen ländlichen Regionen globale Kommunikation erlaubt.

Aber irgendwann merkt man, dass das Internet nicht das echte Leben und echte Kontakte ersetzen kann. Diese Erkenntnis ist wichtig und richtig, obwohl gerade dieses Tagebuch von der neuen elektronischen Welt profitiert und theoretisch auch ganz ohne Begegnung mit anderen Menschen auskommen könnte. Obwohl die Corona-Quarantäne auch viele positive Seiten hat, wie etwa:

  1. Positiv ist das Ausbleiben der schwachsinnigen Demonstrationen der Sozialarbeiter-Gewerkschaft (wo sich ganz offensichtlich ein paar Funktionäre durch absurde Forderungen nach drastischer Arbeitszeitreduktion profilieren wollen, obwohl der Großteil der Sozialberufe ohnedies nur in Teilzeit arbeitet).
  2. Es ist auch positiv, wenn – hoffentlich dauerhaft – die sich in den letzten Jahren rapid ausbreitende Küsserei wieder aufhört, vor der man auch als Mann bei der Begegnung mit kaum bekannten anderen Männern nicht mehr gefeit ist.
  3. Es ist positiv, wenn – hoffentlich dauerhaft – Menschen auch mit banalen Erkältungen daheim bleiben und sich nicht fahrlässig ins Büro schleppen, um dort herumzuniesen.
  4. Es ist positiv, wenn – hoffentlich dauerhaft – das Händewaschen mit Seife und Handtuch nach jedem Klogang und vor jeder Mahlzeit zur Selbstverständlichkeit wird.
  5. Es ist positiv, wenn – hoffentlich dauerhaft – niemand mehr ohne Benutzung des Taschentuchs oder zumindest Ellbogens zu niesen wagt. Es ist ja schließlich auch dauerhaft gelungen, das früher übliche öffentliche Ausspucken auszurotten (außer bei Fußballspielern).

Die Corona-Krise kann – könnte – also auch durchaus positive Auswirkungen auf Benehmen und Erziehung vieler Mitmenschen haben. Diese Auswirkungen wären sicherlich wertvoll.

Als positiv kann man es darüber hinaus auch sehen, wenn auf vielen Ebenen nun durchgetestet wird, ob manche Dinge, wie Konferenzen und Vorträge, nicht auch elektronisch via Internet einfacher und billiger durchgeführt werden können. Bisher hat man (insbesondere Gewerkschaften und Politik) in Europa unter Digitalisierung ja meist deren Abwehr und Behinderung verstanden sowie die Subventionierung alter vordigitaler Technologien, hat wilde Verschwörungstheorien über Fake News (also Lügen, die es angeblich nur im Netz gibt) und über Hass (den es angeblich ebenfalls nur im Netz gibt) in die Welt gesetzt.

Zugleich wird man im jetzigen Realitätstest aber noch etwas ganz anderes, uns derzeit kaum Bewusstes erfahren: Wie unersetzlich die direkte menschliche Begegnung ist. Natürlich kann so manches Meeting durch billigere Videokonferenzen ersetzt werden. Erst mittelfristig wird man merken, dass dabei aber etwas fehlt: der Smalltalk beim Buffet, das Geblödel an der abendlichen Bar, die Beobachtung eines Kollegen, auch wenn er nicht gerade am Wort (und daher im Visier der Kamera) ist. Das ist in Wahrheit der Hauptnutzen vieler Konferenzen.

Die positiven Seiten gesellschaftlicher Veränderungen, die man der Corona-Quarantäne abgewinnen kann, können aber keinesfalls die negativen aufwiegen. Das ist nicht nur bei Firmenmeetings und wissenschaftlichen Konferenzen der Fall.

Man merkt etwa sehr bald, dass Fußballspiele ohne Zuschauer nicht einmal das halbe Vergnügen sind. Auch wenn man selbst nur via Sky, via DAZN (oder künftig via Servus-TV) zuschaut. Irgendwie machen die an sich oft zu Recht kritisierten Fans mit ihren Sprechchören, Schlachtgesängen und politisch-inkorrekten Transparenten doch ein Fußballspiel erst wirklich zu einem aufregenden Event.

Gerade die Österreicher, gerade die Wiener werden noch viel stärker ein weiteres schlimmes Defizit durch die Quarantäne spüren: Das ist der Ausfall von Veranstaltungen und Theatervorstellungen aller Art, insbesondere von Opern und Konzerten. Gibt es doch in keiner Stadt der Welt eine so große Dichte an klassischer Musik. Allein für diese stehen jeden Tag rund 10.000 Tickets zur Verfügung – und dennoch sind Staatsoper (zumindest unter der bisherigen Leitung), Musikverein (zumindest unter der bisherigen Leitung) sowie Volksoper (unter der zum Glück gleich bleibenden Leitung) sehr oft ausverkauft (das Burgtheater und die meisten anderen Theater, die gegen das Publikum programmieren und inszenieren, leider schon länger nicht mehr). Zu Ostern, beziehungsweise im Sommer trifft diese Beobachtung noch viel mehr auf Salzburg und viele andere Orte von Bregenz bis Sankt Margarethen zu.

Dabei kann man praktisch alles, was an all diesen Orten gezeigt wird, längst auch mit den besten Sängern und Orchestern der Welt auf seinem eigenen Bildschirm verfolgen. Via Streaming, via DVD. Und dennoch ist es absolut nicht das Gleiche, ob man da alleine oder zu zweit vor einem Bildschirm sitzt, oder ob man Hochkultur live zusammen mit ein paar hundert oder gar tausenden anderen Menschen erlebt. Die Begeisterung über eine geglückte Aufführung, die oft noch einen ganzen Tag den ganzen Körper elektrisiert, kann einfach nur durch Live-Musik und in Gemeinschaft entstehen, niemals via Bildschirm.

Das werden viele Menschen sehr bald spüren. Und die Politik muss sehr gut aufpassen, dass der darob entstehende Frust sich nicht bald gegen sie richtet. Denn früher oder später werden die Menschen sagen: Bei den alljährlichen Grippewellen, an denen auch Tausende sterben, hat man uns ja auch nicht von Opern- und Konzerthäusern ausgesperrt – warum dann jetzt?

Wie wichtig das Weitergehen der kollektiven Unterhaltung gerade für die Wiener ist, zeigt der Rückblick auf viel größere Bedrohungen der Geschichte:

  • Selbst in Pestzeiten (also während der weitaus mörderischsten Bedrohung der Stadtbevölkerung in der ganzen Existenz der Stadt) sind in Wien die Lustbarkeiten meist weitergegangen.
  • Während der Napoleonischen Kriege und erst recht während des folgenden Wiener Kongresses war Wien überhaupt – trotz oft katastrophaler Schlachten und Niederlagen – nach allen zeitgenössischen Berichten in Sachen Unterhaltung und Kultur ununterbrochen feiernde Welthauptstadt.
  • Im zweiten Weltkrieg haben die Nazis fast bis ans Ende für Ablenkung von Kriegsgrauen und totalitärer Unterdrückung durch opulente Filme gesorgt, die die Kinos gefüllt haben. Und selbst das Neujahrskonzert der Philharmoniker ist eine Erfindung der Propaganda der Kriegsjahre und hat sogar 1945 noch stattgefunden.

Diese Exempel zeigen: Wie schlecht die Zeiten auch waren, es war immer wichtig, die Menschen bei Laune zu halten.

Und genau das kann in einer Quarantäne-Abkapselung nicht gelingen. Genau das kann das Fernsehen niemals ersetzen, könnte es selbst mit einem besseren Programm als jenem des ORF nicht. Die Menschen, die Österreicher, die Wiener sind soziale Wesen, die rasch unglücklich werden, wenn man sie in ihre eigenen Wohnungen verbannt.

Auch wenn man sich derzeit dem internationalen Panik-Sog nicht entziehen kann, wäre die Politik gut beraten, genau auf jenen Zeitpunkt zu achten, an dem mildes Erstaunen spätestens in kollektiven Unmut umschlagen wird. Dieser Zeitpunkt wird wohl früher sein, als viele denken.

Und ganz besonders stark und aggressiv wird das Umschlagen bei all jenen sein, die auf einmal merken, dass ihr Job in Gefahr geraten kann, dass Umsätze radikal einbrechen, dass Ersparnisse noch stärker schmelzen können. Und auch alle anderen Österreicher werden unruhig werden, sobald sie merken, dass die Corona-Panik nicht nur einen abstrakten Rückgang von Wirtschaftswachstums-Ziffern bedeutet, sondern uns alle Milliarden kostet, persönlich wie auch über die öffentlichen Haushalte: von den Kosten und/oder Entschädigungen für Tausende zwangsweise abgesagte Veranstaltungen bis zu den zweifellos in Kürze nach oben springenden Arbeitslosen-Unterstützungen; von den Industriekonkursen, weil Lieferketten ausbleiben, bis zu den Hotels, Skiliften, Luftfahrt- und Autobus-Unternehmungen, Fremdenführern, Messeveranstaltern, Veranstaltungstechnikern, Garderobieren, die alle vor dem Nichts stehen, wenn die Sache sich länger hinziehen sollte. Es werden im Grund alle Arbeitstätigen gewaltig leiden - bis auf Beamte und Profiteure von Zwangsgebühren (in ORF und Arbeiterkammer).

Dann wird auf einmal die Diskussion sehr politisch werden, ob die Auswirkungen der Epidemie wirklich so dramatisch sind, dass sie das alles rechtfertigen. Schließlich hat es in Österreich zum Unterschied von der "normalen" Grippe bisher noch keinen einzigen Todesfall gegeben. Schließlich geht die Politik mit sich selber lange nicht so streng um wie mit uns: Denn Nationalratssitzungen finden statt – obwohl dort mehr als die erlaubten 99 Personen sitzen (sollten), nämlich gleich 183, sowie jede Menge Hilfspersonal.

Freilich: Nachdem die Opposition, insbesondere Pamela Rendi-Wagner vorgeprescht war und noch vor dem jetzigen Quarantäne-Beschluss (in der Hoffnung, damit wieder einmal punkten zu können) nach drastischen Maßnahmen gerufen hat, kann sich die Koalition innenpolitisch wegen ihres nunmehrigen Beschlusses vorerst ziemlich sicher fühlen. Aber die Bürger dieses Landes sind halt ein wenig wichtiger als die Opposition.

Und jedenfalls sei die Regierung an das Jahr 2002 erinnert: Damals hat ein letztlich simples Hochwasser zu so heftigen politischen Turbulenzen geführt, dass diese den weitgehenden Zerfall einer Regierungspartei und vorzeitige Neuwahlen ausgelöst haben. Was zeigt, dass die wirklichen Wendungen der Geschichte (so wie auch Ibiza) nur selten in den Gremien und Beschlüssen der Politiker beginnen.

PS: Apropos ORF: Die Kirchenvertreter haben dort das Regime Wrabetz immer unterstützt. Jetzt wäre einmal Gelegenheit, dass sich dieser wenigstens einmal revanchiert und zumindest während der Corona-Zeit wöchentlich einen Gottesdienst im Fernsehen überträgt. Aber die Bischöfe trauen sich ja nicht einmal das zu verlangen. Und Wrabetz verkleinert gerade die Religionsabteilungen durch Zusammenlegung …

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