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V, U, J oder L?

Einer dieser Buchstaben wird in ein, zwei Jahren symbolisieren, wie sich die Welt nach dem Absturz im März 2020 entwickelt haben wird. Weder Sterne noch Kristallkugeln sagen uns heute zwar voraus, welcher Buchstabe der richtige sein wird. Aber man kann sehr wohl schon jetzt etliche Indizien erkennen.

Die positivste Beobachtung dabei ist zweifellos, dass Corona viele vorher dominierenden Konflikte signifikant entschärft hat. So sind international die Kämpfe in Idlib und Libyen abgeflaut; auch sonst besteht nirgends Kriegsgefahr; die Türkei scheint ihre aggressiven Aktionen an der EU-Außengrenze limitiert zu haben. So sind national die Lohnverhandlungen sehr friedlich geworden; nach der Reihe begnügen sich die Gewerkschaften im Gegensatz zu den früheren Forderungen plötzlich ganz ohne Kampf mit 2 Prozent Erhöhung der Mindestgehälter. Und die Pflegegewerkschaft würde ihre Forderung nach Arbeitszeitreduktion wohl am Liebsten aus dem Gedächtnis ausradieren.

Die Welt ist zusammengerückt. Die Bedrohung durch das Virus und seine medizinischen wie ökonomischen Folgen werden inzwischen überall gesehen.

Das macht die bedrohlichste Entwicklungs-Möglichkeit, bei der nicht nur die Börsekurse dem Buchstaben L gleichen, also einem steilen Absturz ohne nachfolgenden Wideraufstieg, derzeit sehr unwahrscheinlich. Freilich: Auch wenn es unwahrscheinlich ist, kann man dieses Szenario nicht ganz ausschließen.

Wirtschaftshistoriker erinnern dabei an die Glanzzeit der vier Jahrzehnte vor 1914, als viele Länder boomten, als Wissenschaft, freie Marktwirtschaft und Globalisierung einen historisch ungeahnten Aufschwung gebracht haben. Niemand hätte 1914 geglaubt, dass es wieder volle vier Jahrzehnte dauern wird, bis Europa nach kollektivem Irrsinn und unglaublichen Katastrophen (zu denen ja auch die schlimmste Pandemie seit Menschengedenken zählte!) wieder ein ähnliches Niveau erreicht haben wird.

Wird sich in den nächsten Monaten und Jahren ein ähnlicher Wahnsinn entwickeln wie damals, dass es also zu einem L oder einem gewaltig breitgezogenen U kommen wird? Die Gefahr scheint sehr gering. Zwar riegeln viele Staaten die Grenzen ab, aber nirgendwo haben sich die Aggressionen erhöht, ganz im Gegenteil. Auch wenn mancherorts auf chinesische, italienische oder Tiroler Fahrlässigkeiten geschimpft wird, so empfindet die Menschheit doch das Ganze als gemeinsame Bedrohung. Überall wird über Therapien und Impfungen geforscht. Und es gilt als sicher, dass die Ergebnisse sofort geteilt werden, sollten sie eines Tages positiv werden. Die Grenzabriegelungen ähneln den Abriegelungen vieler Orte, Täler und Provinzen innerhalb der Länder, haben also keinerlei aggressive Aufladung. Abgesehen von den vielen Fahrlässigkeiten, die meist auf Ahnungslosigkeit zurückgehen, war das Aggressivste, was man beobachten konnte, das deutsche Verbot, sogar bezahlte Medizinprodukte in andere EU-Länder auszuführen. Aber auch dieses Verbot wurde nach 14 Tagen kleinlaut entsorgt. Diese Episode hat vielleicht sogar den Vorteil, dass in den nächsten Tagen kein Deutscher mehr anderen EU-Ländern moralische oder gar europabegeisterte Vorhaltungen machen wird können. 

Die alternativen Szenarien sind ein V (eine baldige Wiedererreichung des Vorkrisen-Niveaus) oder gar ein J (eine Aufwärtsentwicklung, die den Zustand vor dem Kollaps trotz etlicher Fehler der Politik weit übertrifft, wie wir es nach der Großkrise 2008 erleben durften).

Aber selbst, wenn die optimistischen Szenarien stimmen sollten, bleibt zur Stunde das Problem: Wir haben keine Ahnung, wo wir uns zur Stunde auf dem abwärtsführenden Schenkel etwa des V befinden und wann der Wendepunkt erreicht sein wird.

Er wird wohl dann erreicht sein, wenn wir nicht bloß in der Theorie begreifen, dass wir unsere Probleme nur mit einem gleichzeitigen Mix von (derzeit insbesondere pharmazeutischer!) Wissenschaft, Marktwirtschaft, Handels-Globalisierung und gleichzeitiger radikaler Einschränkung der Illusionen von einer grenzüberschreitenden Personenfreizügigkeit lösen können. Allerdings scheinen Marktwirtschaft und freier Welthandel vielerorts derzeit außer Mode zu kommen. 

Wir müssen begreifen lernen, dass einerseits die menschliche Massenmigration - vom mehrmals jährlich stattfindenden Interkontinentalurlaub bis zur Flüchtlings-Völkerwanderung - weit mehr Probleme schafft als zu lösen, und dass andererseits ein Verzicht auf Welthandel und internationale Arbeitsteilung einen Rückfall ins Lebensniveau des Mittelalters bringen würde. Wenn wir das nicht lernen, würde es uns auch nichts helfen, wenn wir die medizinischen Probleme in den Griff bekommen sollten.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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