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Die Renaissance der alten Männer

Während in Österreich durch die Regierung und insbesondere fast jede Wortmeldung des Bundeskanzlers ältere Menschen generell als arme Opfer dargestellt werden, die man eigentlich unter einen totalen, jeden Kontakt verhindernden Glassturz stellen sollte, bieten die USA einen totalen Kontrast: Der amerikanische Präsident ist 73 Jahre alt und wird im Falle einer Wiederwahl 74 sein. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten wird Donald Trump dann aber fast noch ein strahlender Jüngling sein. Denn Joe Biden wäre bei Amtsantritt als Präsident sogar 78, und der einzig andere jetzt noch mögliche demokratische Kandidat Bernie Sanders 79.

Auch Michael Bloomberg, der nach manchen Spekulationen noch mit viel Werbegeld als unabhängiger Dritter antreten könnte, ist schon 78. Weder jüngere noch weibliche Kandidaten hatten bei den Vorwahlen irgendeine Chance, von den Wählern akzeptiert zu werden.

Diese so total unterschiedliche Sicht auf ältere Menschen ist jedenfalls erstaunlich. Denn es gibt keinerlei Hinweise, dass in Amerika etwa als Nebenprodukt von Atomkraftwerken die Menschen deutlich länger gesund bleiben. Denn in Amerika hatte einst rund um John F. Kennedy sogar ein landesweiter Jugendkult geherrscht. Und jetzt eine solche Dominanz weißer alter Männer!

Daraus kann man vieles lernen. Vor allem, dass die große Mehrheit der Bürger überhaupt kein Problem mit alten Männern hat. Man traut ihnen auch den vielleicht verantwortungsvollsten und stressreichsten Beruf der Welt zu. Und sie sich selber auch.

Die unterschiedliche Sicht der Amerikaner auf das Alter hängt in hohem Maße mit dem Pensionssystem und mit der sehr realistischen Bewertung der Möglichkeiten eines Sozialstaats zusammen. In den USA ist es auch schon vor Corona und vor Trump völlig undenkbar gewesen, dass die Menschen rund um den 60. Geburtstag beschließen, ab jetzt habe die Allgemeinheit für sie zu sorgen. Dort gibt es auch keine Kampfaktionen der Gewerkschaft, die das durchzusetzen versuchen. Dort wird auch in Hinblick auf hart arbeitende Menschen nicht die Mär verbreitet, dass man mit 60 ausgelaugt und ausgepowert wäre. Dort arbeitet jeder, so lange er kann – weil davon auch die Höhe seiner Pension abhängig ist. Dort weiß man, dass ein Wünsch-dir-was-Pensionssystem nach mitteleuropäischem Muster ein völlig ungedeckter Scheck auf eine völlig ungewisse Zukunft wäre, und dass – wie von Griechenland bis Osteuropa schon passiert – solche populistischen Pensionsversprechen irgendwann kollabieren müssen. Dort steht die volle Rente erst mit 67 Jahren zu. Dort arbeiten viele noch länger, wenn sie höhere Pensionen wollen. Dort "muss" niemand in Pension gehen.

Dort zeigt nicht nur die Präsidentenwahl, dass ein ganzes Volk eine viel längere Lebensarbeitszeit in vielerlei Hinsicht als positiv ansieht. Und nicht ständig jammert.

Bei uns hingegen gelten ältere Menschen ab 60 - also weit mehr als zwei von acht Millionen! - nur noch als arm und beschützenswert, die nichts Positives zur Gesellschaft beitragen können, die im Grund nur noch eine Last darstellen. Und Sebastian Kurz verstärkt diesen Eindruck derzeit massiv - auch wenn seine Äußerungen eigentlich gut und liebevoll gemeint sind.

Aber diese zwei Millionen sehen das ganz und gar nicht so. Und sie haben recht: Ohne sie wären Familien und die menschliche Zuwendung zu den wirklich Schutzbedürftigen längst kollabiert.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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