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Neun Notwendigkeiten für eine Gesundung des Gesundheitssystems

Es war von der ersten Stunde an klar gewesen: Die Zusammenführung der neun Gebietskrankenkassen zu einer gesamtösterreichischen Gesundheitskasse ÖGK löst entgegen der Propaganda von Schwarz-Blau keines der wirklichen Probleme des Gesundheitssystems. Genauso klar aber war und ist freilich: Das von SPÖ und Gewerkschaft so gepriesene alte System war um nichts besser, sondern noch schlechter. Die Probleme und ihre Lösungen liegen ganz wo anders.

Die von der ersten Kurz-Regierung unter einer blauen Sozialministerin durchgeführte Reform brachte nur kleine Einsparungen: nämlich durch Reduktion der diversen bürokratischen Chef-Positionen. Diese Reform war sicher für die Beitragszahler sinnvoll – wie für die Betroffenen schmerzhaft: Betroffen sind vor allem Gewerkschaftsfunktionäre, für die es seither viel weniger gut gepolsterte Positionen einer angeblichen "Selbstverwaltung" gibt, in denen sie vom ÖGB entsorgt werden könnten, obwohl sie weder von Medizin noch von Management eine Ahnung haben.

Nur: Die groß verkündeten Einsparungen in der Dimension einer Milliarde Euro sind dadurch und durch den Wegfall von ein paar Posten in der Verwaltung (wo man halt beispielsweise nur noch ein EDV-System statt neun braucht) nicht hereinbringbar.

Wenig überraschend ist, dass jetzt ein grüner Minister die Schaffung dieser ÖGK besonders negativ darzustellen versucht. Auch wenn die Grünen eine eigene Partei sind, auch wenn sie im bisherigen Sozialpartner-System überhaupt nicht vorgekommen sind, so agieren sie letztlich doch immer wie eine Expositur der SPÖ (was für die meisten Kenner der politischen Szene erwartbar gewesen ist, aber offensichtlich nicht für Sebastian Kurz).

Jetzt rächt sich für die ÖVP auch, dass sie weit und breit keine wirklichen Experten für das Sozialversicherungswesen, die Medizin, die Gesundheitsökonomie aber auch die volkswirtschaftliche Entwicklung hat (was auch zur populistischen Illusion beider Regierungsparteien geführt hat, dass es im Pensionsbereich keine Reformen braucht). Und in der Wirtschaftskammer ist der einzige wirkliche Sozialexperte aus offenbar privaten Gründen gefeuert worden.

Die strukturellen Ursachen

Viele Ursachen für das ständige Steigen der Gesundheitsausgaben sind nicht zu ändern:

  1. Die Erfolge der Medizin: Krankheiten, an denen man früher oft sehr jung gestorben ist, sind heute heilbar. Das kostet – und danach kann man weitere Krankheiten bekommen. Man denke an die typischen Geißeln der Menschen vergangener Jahrtausende, an denen heute fast niemand mehr stirbt: Pest, Syphilis, Pocken, "Schwindsucht", der Tod im Kindbett ...
  2. Krebs und Herz-/Kreislauferkrankungen sind heute die häufigsten Todesursachen. Zwar hat auch hier die Medizin große Teilerfolge errungen – aber zu gewaltigen Kosten, insbesondere bei der Chemo- und Immuntherapie. Es gibt auch bei selteneren (etwa genetisch bedingten) Krankheiten heute im Gegensatz zu früher Therapien – aber diese sind oft besonders teuer.
  3. Die Demographie am "alten" Ende: Die Menschen werden im Schnitt immer älter. Da hat man öfter Gelegenheit, krank zu werden. Im hohen Alter tritt fast immer eine ganze Reihe von kleineren und größeren Leiden gleichzeitig auf, die das System sehr teuer machen, bevor die Menschen sterben (und damit dann, zynisch formuliert, das Gesundheitssystem nicht mehr belasten). Die längere Lebenserwartung ist nicht nur Folge der erwähnten medizinischen Erfolge, sondern auch der besseren Ernährung, der Hygiene und des dramatischen Rückgangs von Todesfällen durch Gewalt, also von Kriegen oder Morden.
  4. Die Demographie am "jungen" Ende: Seit 50 Jahren kommen viel zu wenig österreichische Kinder zur Welt – nur zwei Drittel der für eine stabile Bevölkerungsentwicklung notwendigen Zahl. Das hat zwangsläufig zum Fehlen ausreichend qualifizierter Menschen geführt, deren Wertschöpfung für den immer größeren Anteil älterer Menschen die Pensions- und Gesundheitskosten finanzieren könnte.
  5. Die internationale Konkurrenz um Ärzte: Es gib in fast allen europäischen Ländern einen Ärzte- (und Krankenschwestern-)Mangel. Österreicher wandern in besser zahlende westliche Länder weiter, während sich Österreich Ärzte aus dem Osten holt, wo in der Folge der Ärztemangel noch größer ist.
  6. Pharmaforschung ist extrem teuer, was sich in den steigenden Medikamentenpreisen niederschlägt, kommt doch nur eines von rund hundert Präparaten am Ende wirklich in Verkehr. Zusätzliche Kostenerhöhungen drohen seit kurzem durch die chinesische Epidemie, weil ein hoher Anteil von Medikamenten von Zulieferungen aus China abhängig ist.

An all diesen kostentreibenden Faktoren kann man nur schwer etwas ändern. Ein Teil davon wie längere Lebenserwartung und medizinische Erfolge ist ja sogar durchaus erfreulich.

Die hausgemachten Probleme

Dazu kommen aber auch ganz spezifische Probleme des österreichischen Gesundheitssystems. Bevor man sie zu lösen versucht, muss man sie einmal deutlich ansprechen. All diese Symptome hat es schon lange vor der jetzt von Rot-Grün attackierten schwarz-blauen Reform gegeben. Sie hängen mit der ÖGK-Reform überhaupt nicht zusammen. Zu ihnen zählen:

  1. Unerträglich überfüllte Spitalsambulanzen: Patienten müssen in großen Wiener Spitälern bis zu zwölf Stunden unter unerträglichen Bedingungen warten.
  2. Der Kassenärztemangel: Selbst in Großstädten bekommt man immer öfter keinen Termin mehr innerhalb der nächsten drei Monate, muss immer öfter auf Wahlärzte ausweichen, also den Großteil der Arztrechnung selber bezahlen.
  3. Fehlen der Landärzte: Bei immer mehr Landarzt-Ordinationen findet sich kein Nachfolger mehr – selbst wenn eine Gemeinde zur Motivation ein ganzes Wohnhaus schenken möchte.
  4. Abwanderung ins Ausland: Von den Absolventen österreichischer Medizin-Universitäten gehen 40 Prozent ins Ausland (also noch deutlich mehr, als der Anteil der EU-Ausländer beträgt, die uns die EU zwingt, zum Gratisstudium aufzunehmen).
  5. Seit einiger Zeit sind etliche Medikamente in Österreich nicht mehr erhältlich. Ohne dass das jemals offiziell so gesagt wird, liefern die globalen Pharmakonzerne offensichtlich knappe Produkte primär in Länder, die besser zahlen. Die Preisdeckelung durch die Krankenkassen in Österreich ist damit ein gesundheitsgefährdendes Problem geworden.
  6. Patienten anderen Pflichtversicherungen werden weit besser behandelt als die der Gebietskrankenkassen. Ohne dass sie begreifen würde, was sie damit zugibt, hat Barbara Teiber, die SPÖ-Exponentin in der ÖGK, jetzt offen gesagt, dass die Ausgaben für ärztliche Hilfe in den Gebietskrankenkassen ein Drittel geringer gewesen seien als etwa bei der Beamtenversicherung. Statt "geringer" muss man wohl auch sagen: "schlechter".

Was konkret zu tun wäre

Was aber sind die Ursachen der österreichischen Fehlentwicklungen? Was kann und sollte Österreich gegen diese Symptome angesichts der genannten strukturellen Ursachen konkret tun, also über die Minikosmetik des Zusammenlegens von Krankenkassen hinaus?

ERSTENS: Es gibt in Österreich zwei völlig getrennte zwangsfinanzierte Systeme, die sich ständig gegenseitig Patienten – also Kosten – zuschieben, ohne dass dabei irgendjemand wirklich steuern würde, wo eine Behandlung am sinnvollsten ist.

  • Da ist einerseits das durch die Sozialversicherungsbeiträge gesteuerte Krankenkassensystem, das beispielsweise die niedergelassenen Ärzte zahlt.
  • Da ist andererseits das öffentliche Spitalssystem, das meist von den Ländern aus Steuermitteln massiv finanziert wird, weil die Tagsätze der Krankenkassen viel zu gering sind.

Solange es nicht wirklich gelingt, alles aus einer Hand zu finanzieren, gehen da Milliarden an Reibungsverlusten verloren.

ZWEITENS: Das Solidarsystem wird durch die rasch wachsende Gruppe der Migranten massiv belastet, die nichts oder fast nichts in die Solidargemeinschaft einzahlen, die aber mit hoher Intensität die Ambulanzen der Spitäler frequentieren.

Es wäre nur fair, wenn die Republik die vollen Kosten für die von ihr ins Land gelassenen "Flüchtlinge" ersetzt, sowie für alle anderen Gruppen, deren Krankenversicherung der Gesetzgeber anordnet, ohne dass die Begünstigten Versicherungsbeiträge zahlen würden.

DRITTENS: Im Gesundheitssystem hat man die – seit ein paar hundert Jahren an unendlich vielen Beispielen bewiesene – Überlegenheit eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbssystems noch immer nicht begriffen. Seine Umsetzung im Bereich der Krankenversicherungen hieße, dass man von einer "Pflichtversicherung" (= man hat keine Wahl, zu welcher Krankenversicherung man gehört) auf eine "Versicherungspflicht" (= irgendeine Krankenversicherung muss man haben, aber die ist frei wählbar) umsteigt.

Das würde sofort einen Wettbewerb auslösen: Zwischen billigen Versicherungen, die nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum leisten. Und teureren, die bessere Leistungen bieten (von der freien Arztwahl etwa bis zum Ersatz komplizierter Zahnersatz-Kosten).

Als Gegenargument wird vorgebracht, dass dann Versicherungen nur junge, gesunde Menschen aufnehmen wollen. Das könnte aber wie bei der Kfz-Haftpflicht problemlos dadurch geregelt werden, dass unerwünschte Personen reihum genommen werden müssen. Außerdem sollten Versicherungen nicht Patienten einfach kündigen können.

Auch die Sorge, dass diese Versicherungen dann zu viel Geld in Werbung um neue Versicherte stecken würden, ließe sich problemlos durch eine gesetzliche Limitierung der Werbeausgaben lösen.

VIERTENS: Während man bei den Gebietskrankenkassen jetzt die eigenen Organisationen jedes Bundeslandes abgeschafft hat, behalten einige privilegierte Gruppen wie die Beamten oder Selbstständigen gesonderte, eindeutig bessere Versicherungssysteme. Das schafft zu Recht bei allen "gewöhnlichen" Menschen, die auf das GKK/ÖGK-System verwiesen sind, gewaltige Frustrationen (die übrigens bei der wachsenden Zahl berufstätiger Pensionisten besonders groß ist, weil sie plötzlich doppelt Sozialversicherung zahlen müssen, selbst wenn sie jetzt weniger verdienen!).

Ein Wettbewerbssystem der freien Versicherungswahl müsste natürlich auch für all diese derzeit privilegierten Versicherten gelten, die also künftig keine Privilegien, aber auch keine Nachteile haben dürfen.

FÜNFTENS: In einem solchen Wettbewerbssystem müsste es natürlich auch die Möglichkeit von Varianten mit Selbstbehalt geben. Dieser sollte etwa mit zehn oder zwanzig Prozent limitiert werden, und müsste auch betragsmäßig einen Deckel haben (damit nicht chronisch Kranke unter die Räder kommen).

Selbstbehalte würden aber dazu führen, dass in Patienten ein Interesse an sinnvollem Vorgehen geweckt wird. Dass also nicht überflüssige Behandlungen nach dem Motto "Kostet eh nichts" erfolgen, dass keine Doppeldiagnosen (etwa Bluttests) erfolgen.

Solche Selbstbehalte würden mit Sicherheit auch das Verhalten der Ärzte ändern. Diese würden dann viel stärker die Interessen der unmittelbar vor ihnen sitzenden Patienten berücksichtigen als die von anonymen Krankenkassen oder Landesbudgets.

SECHSTENS: In einem solchen Wettbewerbssystem müssten die Versicherungen auch die Pflicht haben, für eine ausreichende Anzahl von Ärzten zu sorgen – diese also entsprechend zu honorieren, damit sie nicht ins Ausland abwandern.

SIEBENTENS: Da es viele junge Österreicher gibt, die Arzt werden wollen, aber nicht zugelassen werden, ist die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. Das wäre auch kein Finanzierungsproblem, wenn die Studenten für die Studienkosten teilweise aufkommen müssten. Das wäre durch ein Kreditsystem am sinnvollsten, bei dem die Kosten dann später in den Jahren eines guten Ärzteeinkommens rückgezahlt werden müssten.

ACHTENS: Bei der Ausbildung zum Krankenpfleger sind die Hürden zu ändern: Es macht keinen Sinn, dass man erst mit 17 Jahren und nach zehn absolvierten Schuljahren in die dreijährige Krankenpflegeschule gehen kann.

NEUNTENS: Da – bis auf die hochwissenschaftliche Spitzenmedizin – fast immer die privaten Spitäler (etwa Ordensspitäler) den öffentlichen überlegen sind, sind diese künftig völlig gleich zu behandeln. Was bei Finanzierung des kompletten Systems über die Versicherungen auch kein Problem sein sollte.

Überall fehlt der politische Mut

Diese neun vorgeschlagenen Maßnahmen erfordern freilich großen politischen Mut. Der heute bei keiner politischen Partei zu finden ist. Die Koalition befasst sich nur mit dem verwandten, aber unabhängig zu behandelnden Problemkreis Pflege – für den sie aber fast keine Finanzierungsideen hat. Und auch nicht haben wird, solange sie den ebenfalls eng verwandten Problemkreis Pensionsantrittsdatum aus Angst vor Wahlniederlagen nicht angreift.

Daher wird mit Sicherheit das Gesundheitssystem noch viele Jahre ein Minenfeld bleiben. Daher wird sich die Diskussion mit Sicherheit weiterhin auf der Ebene eines langweiligen Parteien-Hickhacks bewegen: Was kostet, was bringt das ÖGK-System? Wieviel Gelder haben die neun ehemaligen Gebietskrankenkassen noch vor ihrer Einstellung voreilig zu Lasten der ÖGK ausgegeben?

Wobei eine Erhöhung der Arzthonorare sogar eine durchaus sinnvolle Geldausgabe durch die Gebietskrankenkassen gewesen ist …

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