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Berlin und Brüssel als Libyens Friedensstifter: lieb und unfähig

Mit ein paar Jahren Verspätung und nach Durchschleusung von ein paar hunderttausend afrikanischen "Flüchtlingen" hat Europa entdeckt, dass in Libyen Krieg herrscht. Was macht man da? Deutschlands Regierungschefin beruft mit Rückendeckung durch Brüssel und lauwarmer Unterstützung durch die Großmächte eine internationale Konferenz dazu ein. Diese Konferenz endet mit dem, was wir alles mehrfach schon hatten: mit der Verkündung eines Waffenstillstandes und dem Verbot, Waffen nach Libyen zu schicken. Es gibt keinen Grund, warum auch nur einer der Akteure das diesmal ernst nehmen sollte. Die groß betrommelte Konferenz war also eine reine Scheinaktion, die nur zu PR-Zwecken den Eindruck erwecken soll: Die Welt tut eh etwas, wenn Krieg ist.

In Wahrheit zeigt die Berliner Konferenz nur eines, nämlich wie unfähig Europa und seine immer wieder groß beschworene "gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" angesichts blutiger Konflikte in der Welt sind. Aus dieser Unfähigkeit sind auch gleich mehrere Fehler resultiert, sodass es wahrscheinlich besser gewesen wäre, die Konferenz hätte gar nicht stattgefunden.

Erster Fehler: Man lädt zwar zehn verschiedene Parteien bis hin zu China zu dieser Konferenz ein, aber nicht zwei der wichtigsten. Nämlich Libyens Nachbarland Tunesien und Griechenland, obwohl dieses – jeder Blick auf eine Landkarte würde es zeigen – mitten zwischen der Türkei und Libyen liegt. Diese zwei Länder haben wenige Tage davor einen dubiosen Vertrag über die Aufteilung der Seegrenzen im östlichen Mittelmeer geschlossen, ohne viel wichtigere Anrainer zu kontaktieren. Genauer gesagt: Auf libyscher Seite hat die angeblich legitime Regierung diesen Aggressionsakt unterschrieben, die freilich kaum mehr als die Hauptstadt Tripolis kontrolliert.

Dieser Fehler hat Folgen: Das empörte Griechenland schlägt sich auf die andere Seite des libyschen Bürgerkriegs und hat sich demonstrativ mit General Haftar verbündet, der den relativ größten Teil des Landes kontrolliert.

Zweiter Fehler: Europa hat keinerlei nachvollziehbaren Plan, außer einem netten "Seids friedlich", wie das Problem Libyen gelöst werden könnte – samt dessen Rolle als Drehscheibe für kriminelle Schleuser, die gegen hohes Entgelt Migrantenmassen von Libyen aus an NGO-"Seenotretter" weiterleiten. Denn Tatsache ist, dass zwei Parteien, zwei Regierungen Anspruch auf ein und dasselbe Land erheben und blutig durchzusetzen versuchen. Diese Tatsache kann man nicht einfach weg-ignorieren.

Das einzige, was Europa dazu eingefallen ist, ist, dass das – längst verhängte – internationale Waffenembargo auch kontrolliert werden sollte. Dazu sollen jetzt einige Kriegsschiffe entsandt werden. Das ist vielleicht auch lieb, aber völlig sinnlos. Denn weder ist es möglich, ohne kriegsartigen Aufwand alle im östlichen Mittelmeer kreuzenden Handelsschiffe zu durchsuchen. Noch kann dadurch kontrolliert werden, was alles über die langen Wüstengrenzen nach Libyen kommt. Noch ist jemals ein Bürgerkrieg dieser Art durch ein solches externes Waffenembargo beendet worden.

Dritter Fehler: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die EU-Kriegsschiffe statt auf Waffentransporter viel häufiger auf Boote voll mit "flüchtenden" Afrikanern stoßen werden, die ihnen die Schlepperbanden entgegenschicken. Solange es aber keinen europäischen Konsens gibt, dass absolut sämtliche so aufgefangene Migranten wieder an die Absenderküste zurückzubringen sind, solange wird dieses EU-Marineabenteuer wohl dazu führen, dass der afrikanische Migrationsstrom durch Libyen nach Europa noch größer wird. Deutschland und andere Linksregierungen verhindern aber weiterhin einen solchen Konsens.

Welche Möglichkeiten gibt es zumindest theoretisch, wie von außen der libysche Krieg einem Ende nähergebracht werden könnte?

Erste Möglichkeit: Am wenigsten weitere Opfer würde eine Teilung des Landes fordern, bei der jede Seite das behält, was sie derzeit kontrolliert, und dafür auch völkerrechtlich verantwortlich wird. Eine Staatsteilung passt aber nicht in die Denkschablonen der EU-Diplomaten. Sie würde aber wohl auch von jener Seite nicht leicht akzeptiert werden, die glaubt, Siegesaussichten zu haben. Das ist derzeit zweifellos Haftar. Ihn müsste man mit saftigen Gegenleistungen dazu bringen, die Teilung Libyens in zwei souveräne Staaten zu akzeptieren.

Zweite Möglichkeit: Europa stellt sich hinter eine der beiden Bürgerkriegsparteien, damit diese ganz Libyen unter Kontrolle bringt. Dazu sollte man aber intelligenterweise vorher klären, welche Seite eher imstande ist sicherzustellen:

  • dass in Libyen keine Schleuserbanden mehr operieren;
  • dass von Libyen aus keinerlei islamistische Banden operieren können;
  • dass sich das Ausmaß an Korruption in Grenzen hält;
  • dass eine Regierung entsteht, die den ganzen riesigen Staat zumindest halbwegs unter Kontrolle halten kann.

Viel spricht dafür, dass am ehesten Haftar dazu imstande ist. Nicht nur, weil er militärisch derzeit überlegen ist. Sondern auch weil er vom Nachbarland Ägypten und anderen gemäßigten Arabern unterstützt wird und diese Staaten selbst diese vier Voraussetzungen zumindest annähernd erfüllen (von Demokratie ist in diesem Raum außer bei Tunesien ohnedies nirgendwo zu reden). Und weil hinter der anderen Seite, also jener der Tripolis-Regierung, der Muslimbrüderstaat Türkei steht, der sich schon mehrfach (Zypern, Syrien und Irak) als Aggressor betätigt hat. Und der jetzt im Mittelmeer sogar auf zu EU-Staaten gehörenden Boden nach Gas suchen will. Das ist schlicht eine neuerliche Aggression (außer in den Augen der in Europa sehr dominierenden Grünen, die ja glauben, dass die Welt kein Gas mehr braucht, weil man gerade die Welt vor dem Gas rettet - oder so ähnlich).

Dritte Möglichkeit: Europa wendet sich nach Art des jetzigen US-Präsidenten desinteressiert ab. Nach dem an sich legitimen Motto "Man muss sich ja nicht überall einmischen, wenn in fremden Erdteilen einander die Menschen umbringen. Europa ist ja kein Weltpolizist." Eine solche Politik hätte nur einen dramatischen Haken: Dann wird auch die Schleppermafia lange Zeit ungehindert weiter operieren können.

Eine solche Abwendungsstrategie wäre also nur dann klug, wenn Europa auf libyschem Boden militärisch gesicherte Landungsplattformen errichten würde, in die alle illegalen Migranten zurückgebracht werden. Da diese Plattformen nur solange existieren, solange keine libysche Regierung selbst imstande ist, die eigene Küste zu kontrollieren und dort alle Schlepperbanden zu eliminieren, könnte das nicht als Einmischung gewertet werden. Das wäre nur eine befristete Selbstverteidigung Europas gegen kriminelle Aktionen vom Boden eines fremden Staates aus.

Jede der genannten Strategien ist wohl besser als die derzeitige Nicht-Strategie Europas, die nur aus papierenen Friedensappellen und einem lieben "Vertragts Euch" bestehen. Eine Hauptursache für die Nicht-Strategie ist natürlich der Umstand, dass die europäischen Staaten unter sich – auch in dieser Frage – völlig uneinig darüber sind, was eigentlich richtig wäre. Etliche EU-Staaten haben eigene Interessen, haben auf der einen oder anderen Seite Verbündete. Es gibt aber auch keine Klarheit, ob in Europa eigentlich der Völkerrechtspurismus (der sich für Tripolis ausspricht und der in der Libyen-Frage eher auf der politischen Linken daheim ist) oder eine klare Interessenorientierung die Oberhand hat (die eher von rechts vertreten wird).

Daher wird auch in Libyen die europäische Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin nicht existent sein.

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