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Strache: Wenn Hass und Gier zum Katzenjammer werden

Die Freiheitlichen verdanken H.C. Strache ebenso ihre einstige Wiederauferstehung aus der Asche der Selbstvernichtung wie auch ihren jetzigen steilen Absturz. Dieser dürfte beim jüngsten Nationalrats-Wahlergebnis bloß eine Zwischenstation nach unten gemacht haben. Seit einigen Wochen geraten Straches einstige Verdienste in blaue Vergessenheit, vielmehr löst die charakterliche Selbstentblößung des langjährigen FPÖ-Chefs blankes Entsetzen bei seinen einstigen Parteifreunden aus. Diese Selbstentblößung wird der Partei wohl noch viele Jahre zu schaffen machen – gerade weil die FPÖ mit Strache ja so lange geradezu identisch gewesen ist. Strache war die FPÖ. Die FPÖ war Strache (was man auch am lange gemeinsamen und jetzt heftig umstrittenen Facebook-Auftritt ablesen konnte). Jetzt stehen beide nackt da.

Seit Mai haben sich Hass, Frust und Zorn im Hause Strache aufgestaut – in den letzten Wochen aber haben sie total die Angriffsrichtung geändert. Der einstige Vizekanzler sieht sich heute emotional kaum mehr als Opfer der eigenen Blödheit und Charakterlosigkeit von Ibiza (wobei er ohnedies diese Charakterlosigkeit immer als "b'soffene G'schicht'" verharmlost hat). Er leidet auch nicht mehr primär daran, dass er in Ibiza Opfer einer linken Mafia-Bande geworden ist. Er sieht sein eigenes Los schon gar nicht als Folge der eigenen Gier und des völligen Verlustes für jedes Gehört-sich, der für den Rest der Nation rund um Straches Spesen und die Bezüge seiner Frau offenkundig geworden ist.

Heute fühlen sich die Straches vielmehr vor allem als Opfer der FPÖ, als zu Unrecht verstoßenes Kind der eigenen Familie, die jahrzehntelang alles für Strache gewesen ist. Daher hält er seinen ganzen jetzt offenkundig werdenden Hass für legitim, daher richtet er all seine Aggressionen gegen die einst eigene Partei. So wie Reinhold Mitterlehner in Bezug auf die Kurz-ÖVP sind die Straches nur noch von einem getrieben: von Hass auf jene Partei, mit der sie so lange verbunden gewesen waren.

Dabei sind die Revanchegefühle Straches gegenüber der FPÖ noch infamer als die Mitterlehners gegenüber der ÖVP. Denn dieser hat ja im Gegensatz zu Strache nichts angestellt. Er ist nur deshalb abgeschossen worden, weil er für seine Position schlicht ungeeignet war, weil er einen Kurs verfolgt hat, der mit den Überzeugungen der meisten ÖVP-Wähler absolut nichts mehr zu tun hatte, der mit Sicherheit zu weiteren schweren Wahlniederlagen geführt hätte.

Die eigene Unfähigkeit nicht einzusehen ist aber kein moralisches oder gar strafrechtliches, sondern nur ein intellektuelles Delikt – ein freilich sehr häufiges. Denn vielen Menschen fällt es so wie Mitterlehner schwer, eigenes Versagen zuzugeben und nicht anderen in die Schuhe zu schieben. Daher konnte man für den Mühlviertler sogar irgendwie Mitleid aufbringen – bis er sich durch ein Abrechnungsbuch selbst um jedes Anrecht darauf gebracht hat. Bis er für dieses Buch noch dazu ausgerechnet eine Linksaußen-Journalistin als Schreiberin gesucht hat. Was ja zweifellos ein weiterer Beweis seiner intellektuellen Unzulänglichkeit ist.

Strache hingegen ist nicht (nur) über Unfähigkeit, sondern über objektiv nachweisbare eigene Fehler gestürzt. Das macht seinen Rachefeldzug umso unverständlicher. Nicht die Partei, sondern er selbst hat ja primär diese Fehler zu verantworten.

Zu diesen zählen nicht nur seine unerträglichen Korruptionsangebote an eine ihm unbekannte (vermeintliche) russische Oligarchentochter, die ganz Österreich erbeben haben lassen. In die Liste seiner schweren Fehler, die man ihm vorhalten kann und muss, gehören auch noch andere Aktionen Straches:

  1. An der Spitze steht da die Beschäftigung der eigenen Frau durch die von ihm geleitete Partei. Alle klugen Unternehmen dieser Welt wissen (einige österreichische Medienunternehmen allerdings noch nicht), dass einer von beiden ausscheiden muss, wenn sich eine Beziehung oder gar Ehe entwickelt hat. Das ist gewiss für die Betroffenen unangenehm, aber die Erfahrung lehrt, dass ein Verbleiben beider Partner im gleichen Betrieb mit einem viel zu hohen Risiko verbunden wäre. Durch den Verdacht einseitiger Bevorzugungen, durch privilegierte Informations- und Intrigenflüsse, durch die Eifersucht sich zurückgesetzt fühlender Kollegen und (später) durch firmeninterne Konflikte als Folge von Beziehungsproblemen. Aber bei der Strache total hörigen FPÖ war man nicht so klug. Dort hatten die beiden sogar schon eine Beziehung, bevor sie Strache in von der Partei bezahlte Jobs geholt hat. Diese Beziehung ist also nicht erst durch die Arbeit im gleichen "Unternehmen" entstanden. Das ist Nepotismus in Reinkultur. Das darf sich nur ein Unternehmer leisten, dem die Firma selbst gehört, aber niemals ein angestellter Geschäftsführer oder gar Parteiobmann.
  2. Strache und seine Frau waren offensichtlich auch provozierend "großzügig" im Umgang mit Spesenabrechnungen. Das macht bei Bekanntwerden erpress- und verwundbar – noch dazu in einer Protestpartei der kleinen Leute!
  3. Strache hat in der Koalition am härtesten um das Rauchen in Restaurants gekämpft. Das ist primär ein intellektuelles Hoppala, wenn man ausgerechnet ein solches Thema zum zentralen Anliegen der hart erkämpften Regierungsbeteiligung macht. Das hat überall den Eindruck erweckt, dass die FPÖ keine gewichtigeren Anliegen hat. Das ist Strache aber auch charakterlich negativ anzurechnen. Denn er ist ja selbst schwerer Raucher – er hat damit also für ein ganz persönliches Interesse gekämpft.
  4. Strache hat zwar nach dem Hochgehen der Ibiza-Bombe seinen Rückzug annonciert. Aber diese Ankündigung hielt nicht einmal solange, wie das Strafverfahren gegen ihn dauert. Statt dessen hat er weiterhin dauernd politische Äußerungen abgesetzt, weil er offenbar den Verlust der eigenen Wichtigkeit nicht wahrhaben wollte.
  5. Strache hat sogar in der Stunde seiner Rücktrittserklärung sofort an die eigenen Interessen gedacht, also daran, was die Partei für ihn weiterzahlen solle, etwa ein Auto.
  6. Der Gipfelpunkt dieser Ich-gehe-nur-wenn-Haltung war zweifellos, dass er im Gegenzug für seinen Rücktritt die Kandidatur seiner Ehefrau auf einem sicheren Nationalratsmandat durchgesetzt hat, obwohl diese bis dahin nicht einmal Parteimitglied gewesen war.
  7. Der vorerst letzte dieser Serie objektiver Fehler ist nun zweifellos, dass seine Frau das Mandat auch annimmt, obwohl sich inzwischen die Beziehung Strache – FPÖ in eine tiefe Eiszeit verwandelt hat. Obwohl man sich nur noch Bösartigkeiten ausrichtet. Daher wird Philippa Strache von der ersten Stunde an als "wilde" Abgeordnete im Parlament sitzen. Sie kann dort also keine Sekunde irgendetwas Sinnvolles tun, außer hie und da eine irrelevante Rede ablesen. Und rund 9000 Euro monatlich kassieren (sodass sie für die nächsten fünf Jahre den Verlust der bisherigen Bezüge verschmerzen kann …). Doppeltes Motto: Wir cashen, solange es noch irgendwie geht. Und dann hinter uns die Sintflut.

Das waren schwere Fehler – wohl nicht strafrechtliche, aber jedenfalls politische Fehler. Wer seine eigene Glaubwürdigkeit so zertrümmert, wer so evident von Gier und Hass getrieben ist, ist politisch dauerhaft untragbar.

Freilich muss schon dazugesagt werden: Solange Strache der Liebling der Partei gewesen ist, ist dort niemand aufgestanden und hat ihn vor seiner Selbstbedienungsmentalität gewarnt und gebremst. Er war in der FPÖ vielmehr lange ein unfehlbarer und unantastbarer Messias. Das ist ihm zu Kopf gestiegen. Das wurde in der Midlife-Crisis doppelt schlimm, wo in die Jahre kommende Männer einer jungen Frau zeigen wollen, was für tolle Hechte sie doch sind und was sie ihrer Partnerin nicht alles verschaffen.

Manche Parteifreunde müssen bei Straches Fehlern auch aktiv mitgetan haben – insbesondere die brustschwache Wiener FPÖ, die ja Frau Strache das Mandat gegeben hat, und die nach(!) Ibiza die Wahnsinns-Idee lanciert hat, dass Strache doch Spitzenkandidat für die in einem Jahr fälligen Wiener Gemeinderatswahlen werden könnte. Irgendwer muss jedenfalls die Belege abgezeichnet und Spesenpauschal-Beschlüsse mitgetragen haben.

Der Fall Strache ist mit all den skizzierten Facetten etwas ganz anderes als die von den FPÖ-Jägern ständig krampfhaft hochgezwirbelten "Einzelfälle". Denn die sind ja fast alle Lächerlichkeiten gewesen. Es ist daher im übrigen ein – weiterer – Fehler Straches selbst gewesen, dass er sich regelmäßig von den getakteten Einzelfall-Kampagnen unter Druck setzen hat lassen und die betroffenen Parteifreunde jedes Mal gefeuert oder mit dem Feme-Bann belegt hat, wie wenn diese bei etwas wirklich Verbotenem erwischt worden wären. Ob es nun um ein harmlos-dummes Rattengedicht oder um eine gewaltfreie Gruppe mit durchaus FPÖ- (und ÖVP- und ORF-!) ähnlichen Anliegen wie die Identitären gegangen ist. Strache hat intellektuell einfach nicht die Linie zwischen untragbarem und völlig harmlosem Verhalten zu unterscheiden gewusst, das vom Dreieck Falter-ORF-Grüne zum Skandal inszeniert worden ist.

Nochmals zurück zum Anfang und zu den von einem Teil der FPÖ noch immer hochgehaltenen Verdiensten Straches um die Wiederauferstehung der Partei nach der Spaltung: Freiheitliche, die das weiterhin preisen, haben offenbar ein schlechtes Gedächtnis. Denn Strache war ja einst auch selbst mitschuldig am Beginn der schweren FPÖ-Krise gewesen, die dann zur Spaltung geführt hat. Er war in "Knittelfeld" als Wiener Parteichef selbst ein Verschwörer beim Putsch gegen Parteichefin Riess-Passer, der ein für die Partei katastrophales Jahrzehnt eingeläutet hat.

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