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Scharfe Linkswende der Kirche ins Nirwana

In der katholischen Kirche sind die massivsten Umwälzungen seit langem in Gang gekommen. Es ist viel mehr im Rutschen, als viele bisher mitbekommen haben. Die Kirche verabschiedet sich nämlich von ihrer globalen Identität und öffnet sich zu einer "indigenen" Spiritualität der Amazonas-Ureinwohner. Das ist nichts anderes ist als eine Kapitulation gegenüber Vorstellungen, die das Christentum und viele seiner Märtyrer 2000 Jahre lang scharf als heidnisch zurückgewiesen haben. Überdies verlangt die Kirche in Bereichen, die nichts mit der Religion zu tun haben, einen Weg, dessen Befolgung eine globale Verarmung auslösen würde. Und der ein totaler Widerspruch zur ständigen Betonung des "Kampfes gegen die Armut" ist, von dem die Kirche stets gesprochen hat.

Das wird beim Durchlesen der Ergebnisse der sogenannten Amazonien-Synode erschreckend deutlich. In der öffentlichen Aufmerksamkeit Europas ist – zumindest dort, wo man  die Synode überhaupt zur Kenntnis genommen hat – nur ein anderer Aspekt im Vordergrund gestanden: Das ist die Perspektive der Priesterweihe von älteren, gestandenen und verheirateten Männern, also der sogenannten "Viri Probati".

Auch das ist natürlich ein für die Kirche sehr wichtiger Aspekt. Wobei freilich nicht einmal noch definiert ist: Ab wann ist ein Mann eigentlich bewährt, gestanden, den sexuellen Orkanen der Jugend entwachsen, "probatus"? Hängt das vom Lebensalter ab? Von einer Charakterprüfung? Von der Zahl der Kinder? Von beruflichem Erfolg?

Die Diskussion des Themas Zölibat ist auch in Europa seit langem in Gang. Massiver Priestermangel – der sich angesichts der Überalterung der noch amtierenden Priester zunehmend verschärft – führt immer öfter zu diesem Thema. Der Priestermangel hat in Europa vor allem zwei Ursachen: Erstens gibt es hier seit rund 50 Jahren einen allgemeinen Rückgang der katholischen (und protestantischen) Religiosität; und zweitens ist die jahrhundertelang mit dem Priesterberuf verbundene soziale Aufstiegs-Komponente längst weggefallen. Lange war der Weg zur Priesterweihe ja die einzige Chance für arme, gescheite Bauernbuben,zu einem Studium zu gelangen, statt als Knecht zu landen, wenn sie nicht Hoferbe sind.

In Lateinamerika sind die Ursachen zwar etwas anders, aber das Ergebnis ist gleich: ebenfalls ein spürbarer Priestermangel. Daher kann man es durchaus verstehen, dass darüber bei einer "Amazonien"-Synode – wohl bei der ersten nach einem Fluss getauften Kirchenkonferenz – intensiv nachgedacht wird.

Es ist in der Tat durchaus vorstellbar, dass ohne Zölibat etwas mehr Männer Priester werden wollen. Man kann auch zumindest hoffen, dass dadurch die sexuelle Missbrauchs-Problematik innerhalb der Kirche entschärft wird. Diese existiert ja zweifellos, auch wenn sie von Kirchenfeinden und innerkirchlichen Mea-Culpa-Fanatikern, die jeden Vorwurf an die Kirche prinzipiell für wahr halten, heftig übertrieben wird.

Fast noch relevanter als die rein sexuelle Dimension ist die zweite Perspektive der "Viri-Probati"-Idee: Dann würden vermehrt Menschen mit guter beruflicher wie familiärer Lebenserfahrung zu Priestern werden, die auf der Suche nach dem Sinn in ihrem Leben zum Schluss gekommen sind: "Das kann doch nicht alles gewesen sein." Und diese Lebenserfahrung wäre zweifellos ein großer Vorteil für die Kirche. Umgekehrt hat ja bei jungen Burschen, die mit 23 oder 24 Jahren die Priesterweihe erhalten haben, noch nicht unbedingt die große Welt- und Lebenserfahrung Einkehr gehalten, mit deren Hilfe sie anderen Menschen in Krisensituationen sinnvoll helfen könnten. Genau das ist aber die Fiktion der derzeitigen Situation.

Der lateinamerikanische Papst hat die Attacke auf den Zölibat – taktisch nicht ungeschickt – über die Bande gespielt, über ein Kirchentreffen, das scheinbar nur einer lateinamerikanischen Region gewidmet ist. Dadurch sind die viel konservativeren Kirchen Asiens und Afrikas, aber auch bedeutende Teile der europäischen und amerikanischen Katholiken ausgetrickst worden und nicht zu Wort gekommen.

Man hat auch den Aufmerksamkeits-Level dadurch reduziert, dass die Synode ja offiziell nur "Vorschläge" an den Papst macht. Aber man kann erstens als sicher annehmen, dass der argentinische Papst gewusst hat, was er mit der Einberufung der Synode angesichts der Stimmung in der lateinamerikanischen Kirche auslöst; er hat auch nie versucht, bremsend einzugreifen. Ebenso kann man sicher sein, dass er in absehbarer Zeit Kernelemente der Synoden-Vorschläge auch ins offizielle Kirchenrecht überführen wird. Dann kann man wieder den Eindruck erwecken, der Papst vollziehe wie ein Kirchennotar ja ohnedies nur schon gefällte Synodenbeschlüsse nach. Eine päpstliche Salamitaktik gewissermaßen.

Bei aller Hochachtung vor geschicktem Taktieren ist sein Vorgehenjedoch hochproblematisch. Das ist es zumindest dann, wenn die Kirche weiterhin eine einheitliche globale Weltkirche bleiben will, aber jetzt zugleich ein lateinamerikanisches Sonderrecht schafft. Darauf deuten jedenfalls auch die Äußerungen des Wiener Kardinals Schönborn hin, dass ein lateinamerikanisches Zölibats-Ende keinesfalls auch für Europa gelten würde.

Das aber wäre unverständlich, weil es letztlich Willkür und Beliebigkeit signalisiert. Findet doch auch in vielen österreichischen Dörfern am Sonntag keine Messe mehr statt, weil es zu wenig Priester gibt. In anderen Orten müssen die noch vorhandenen von einer Messe zur anderen rasen. Und unter jenen wenigen Männern, die hierzulande noch zu Priestern geweiht werden, findet man fast keine geborenen Österreicher mehr.

Zugleich verharmlost ein solches durch Taktik bestimmtes Vorgehen die Tatsache, dass viele Priester lebenslang mit der Zölibats-Pflicht ringen, dass viele von ihnen innerlich daran zerbrochen sind. Die ohnedies in schweren Nöten steckende Kirche verliert auch in Österreich weiterhin regelmäßig wegen des Zölibats gute Priester, die eigentlich von der Kirche – und ihren Gemeinden – dringend gebraucht würden.

Umgekehrt ist aber auch extrem schwer vermittelbar, dass plötzlich nicht mehr so wichtig ist, was lange oft beinhart durchgezogen worden ist, was zu vielen gebrochenen Biographien geführt hat, oder was zum bewussten Ignorieren von offensichtlich dem Zölibat widersprechenden Lebenssituationen durch die Bischöfe geführt hat.

Daher ist es mehr als merkwürdig, wenn der Wiener Kardinal – vom Papst in die Synode entsandter Vertrauensmann – nachher den offensichtlich beabsichtigten Zölibats-Unterschied Europa-Lateinamerika einzig mit der hiesigen "Mobilität" rechtfertigt. Womit er die Möglichkeit meint, mit dem (übrigens von der Lateinamerika-Synode gleichzeitig verteufelten!) Auto ja immer irgendwohin zu einer Messe fahren zu können. Ein etwas schlichtes Argument.

Kann für eine Weltkirche das Argument ausreichend sein: "Pech gehabt, auf dem falschen Kontinent daheim"? Und: Geraten durch eine – teilweise oder auch globale – Aufhebung des Zölibats nicht all jene Priester, die weiterhin zölibatär leben, künftig automatisch in den Geruch, homosexuell zu sein? Sobald das übliche Argument obsolet geworden ist, dass nur ein zölibatärer Priester sich ganz seiner Gemeinde widmen kann, wird solche Tuschelei jedenfalls unvermeidlich sein.

Zugleich spielt sich die Zölibats-Abschaffungs-Diskussion freilich vor dem Hintergrund der Tatsache ab, dass es ja auch jetzt schon in der Kirche verheiratete Priester gibt: Priester der mit Rom unierten Ostkirchen sowie übergewechselte anglikanische oder protestantische Priester. Also kann es sich dabei keinesfalls um eine absolute, eine gottgesetzte und daher unantastbare Vorschrift handeln.

Man sieht: Die Zölibats-Diskussion ist von schwerwiegenden Bedenken, von einem heftigen Widerstreit des Für und des Wider geprägt. Dennoch kann man es verstehen, wenn der Papst sie angeht. Überhaupt nicht verstehen kann man hingegen die anderen abenteuerlichen Akzente dieser Synode:

Das gilt etwa für die Forderung des Schlussdokuments, dass in Amazonien das Evangelium "inkulturiert" werden müsse. Man müsse wissenschaftliche mit traditionellen Erkenntnissen zu vereinen wissen. Ganz ausdrücklich wird auf das überlieferte "Wissen" der Eingeborenen mit ihren "Kosmovisionen" verwiesen.

Das ist in Wahrheit ein ungeheuerlicher Bruch mit all dem, wofür das Christentum 2000 Jahre gestanden ist. Das ist noch mehr ein Bruch mit der Aufklärung und deren Akzent auf Vernunft und Wissenschaft - was besonders tragisch ist, war doch im 20. Jahrhundert die Versöhnung zwischen Kirche und Aufklärung voll gelungen. Denn diese indigenen "Erkenntnisse" sind ja nichts anderes als ein primitiver Natur- und Geisterglaube. Das ist genau das, was die Kirche stets bekämpft hat. Jetzt soll es "inkulturiert", also irgendwie gleichwertig mit der Bibel behandelt werden.

Da fragt man sich schon sehr irritiert: Warum hat nicht auch das Urchristentum den heidnischen Götterhimmel der alten Römer, Griechen oder Germanen "inkulturiert"? Das wäre doch viel einfacher gewesen, als sich tausendfach foltern und umbringen zu lassen, nur weil man sich weigert, Jupiter & Co gelegentlich ein Opfer zu bringen. Man hätte doch auch den damaligen Götterhimmel als "traditionelles" Gedankengut und "Wissen" akzeptieren können. Oder gilt für die frühchristlichen Märtyrer auch ein zynisches: "Pech gehabt, 1900 (oder 1800 oder 1700) Jahre zu früh gelebt"?

Abgesehen von der Dimension, dass erstmals hochoffiziell Heidentum ins Christentum eingebaut werden soll, stört daran noch etwas: Wenn die Indigenen-Völker (die sich auch oft als "Nation" bezeichnen) so verherrlicht werden, dann geht die katholische Kirche den Weg der Protestanten und Orthodoxen. Diese haben sich ja fast überall als Nationalkirchen etabliert. Und nur die katholische Kirche ist stets eine globale Weltkirche geblieben, zumindest in ihrer Grundidentität.

Mit welcher Begründung will man noch die Polen, oder die Katalanen, oder die Chinesen oder sonst ein Volk aufhalten oder auch nur kritisieren, wenn sie den Weg eines nationalen, regionalen Katholizismus gehen? Sobald für Amazonien ein eigenes Kirchenrecht und eine eigene "indigene" Theologie gilt, kann man es doch anderen nicht mehr verwehren. Dann kann am Ende jedes Land tun, was es will. Und warum nicht auch jeder einzelne Christ? Wozu braucht es dann im übrigen auch noch einen Papst in Rom?

Die Kirche hat sich durch ihre Verherrlichung der Indigenen aber auch um jedes Recht gebracht, bei europäischen Völkern nationales Denken und Fühlen schlechtzumachen. Dabei ist ja gerade dieses Schlechtmachen bei Linkskatholiken derzeit sehr populär. Und auch ein farbenfroher Hexen- oder Astrologie-Glaube kann ja dann ebenfalls nichts Schlechtes sein. Steckt doch auch da sicher viel "traditionelles Wissen" drinnen. Glaubt doch rund ein Viertel der Österreicher an Horoskope – was ja weit mehr sind, als an Sonntagen in die Kirchen gehen. Die muss man halt alle einfach "inkulturieren".

Genauso ins Kopfschütteln kommt man aber auch, wenn man jene Passagen liest, wo sich die Amazonas-Synode zu ganz diesseitigen Themen äußert. Sie schwärmt mehrfach von einer "ganzheitlichen Ökologie", zu der es keine "Alternative" gäbe. Erinnert dieses Wort nicht an etwas? Hat nicht auch schon Angela Merkel mehrere ihrer katastrophalen Fehlentscheidungen als angeblich "alternativlos" verteidigt? Diese eigentlich unverständlich-schwülstige Phrase von der "ganzheitlichen Ökologie" wird von der Synode präzisiert: Es geht um die Forderung nach einer "radikalen Energiewende" hin zu "nachhaltigen Quellen".

Würden diese Forderungen (die ja auch viele um zeitgeistigen Populismus bemühte Politiker nachplappern, und die man von der heiligen Greta und ihren Gläubigen ständig hört) wirklich umgesetzt werden, dann wären die Konsequenzen katastrophal. Eine solche "radikale Energiewende" mit totaler Umstellung auf "nachhaltige Quellen" würde mit absoluter Sicherheit zu einer dramatischen Verarmung der Welt führen, zu einer Verelendung des Daseins für viele Menschen, einer Verkürzung der Lebenserwartung, einer Verschlechterung der Ernährungssituation und Gesundheitsversorgung. Denn für all das braucht man ausreichende und stets verfügbare Energie.

Das hüpfende Kinder das nicht begreifen, ist verständlich. Unverständlich ist aber, wenn die Weltkirche blind nachhüpft.

Es ist zwar nicht ganz auszuschließen, wenn auch recht unwahrscheinlich, dass in hundert Jahren eine ausreichende Energieproduktion für die ganze Erdbevölkerung mit Hilfe der sogenannten "nachhaltigen" Energiequellen funktionieren könnte. Aber heute und jetzt die Forderung zu erheben, dass die ganze Welt ohne atomare, auf Öl, Kohle und Gas beruhende Energie auskommen müsse, bedeutet nichts anderes als die Forderung nach einem Zurück in die Steinzeit. Und wird zu heftigen Verteilungskriegen führen.

Die "radikale Energiewende" ist daher eine zynische, eine ahnungslose oder gar bewusst populistische Forderung einer Kirche, die stets behauptet hat, an der Seite der Armen stehen zu wollen.

Freundlicher formuliert: Es ist schlicht unverständlich, dass sich die Kirche neuerlich mit "alternativlosen" Aussagen zu naturwissenschaftlichen Fragen äußert (und um nichts anderes geht es ja bei der ganzen Global-Warming-Diskussion). Dabei hat sich die Kirche in der Geschichte schon mehrmals in Sachen Physik, Astronomie und Urknall schlimm blamiert. Daraus hätte sie ja eigentlich lernen können, dass auch Dinge falsch sein können, bei denen angeblich 99 Prozent der Wissenschaftler der gleichen Meinung sind, wie die schwedische Autistin behauptet. Dabei ist ohnedies heute von 99 Prozent keine Rede, gibt es doch massiven Widerstand unter Tausenden echten(!) Naturwissenschaftern gegen die einzig auf eine Computersimulation gestützte Klima-Hysterie.

Der wahre Hintergrund der Amazonas-Synode ist die Abwanderung vieler Brasilianer – Indigener wie Nachfahren europäischer Einwanderer – zu den Evangelikalen und Pfingstkirchen. Nach manchen Berichten hat die katholische Kirche Brasiliens bereits die Mehrheit der Bevölkerung an diese vielfältigen und keineswegs straff organisierten Christengemeinden verloren.

Die Evangelikalen bilden in mehreren Ländern eine starke Basis für eher rechte Politiker, so etwa auch für Donald Trump in den USA. Auch der rechtsstehende Präsident Brasiliens Bolsonaro steht ihnen nahe, hat ihnen wohl seinen Wahltriumph zu verdanken. Es ist daher zumindest merkwürdig, wenn die katholische Kirche nun glaubt, durch einen Linksschwenk Gläubige zurückgewinnen zu können, deren Koordinatensystem sich nach rechts bewegt hat. Aber freilich: Die Kardinäle haben sich erstmals einen lateinamerikanischen Befreiungstheologen an die Spitze der Kirche geholt, also jemanden, der dem Marxismus nicht gerade fernsteht. Da kanns nur nach links gehen ...

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