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ÖVP-FPÖ: Der nächste taktische Fehler

Das blöde Rauchen: Binnen eineinhalb Jahren hat das Thema zu zwei unverständlichen politischen Fehlern der bisherigen Regierungsparteien geführt. Zuerst hat die FPÖ, dann die ÖVP erkennbar gepatzt. Und beide versäumen dadurch völlig die politischen Sternstunden, die ihnen sowohl die EU wie auch die SPÖ unerwartet ermöglicht haben (mit nachträglicher Ergänzung).

Ohne auf die lange Vorgeschichte der diversen Raucher-Regelungen einzugehen (es haben ja auch frühere Regierungen gepatzt und verunsichert); ohne auf die gravierenden medizinischen Aspekte einzugehen; ohne auf den grundsätzlichen Freiheitsanspruch einzugehen (auch etwas für die eigene Gesundheit Schädliches tun zu dürfen); ohne auf die Interessen der Gastronomen einzugehen (nicht ständig ihre Lokale umbauen und überdies eine Reduktion ihrer Besucherfrequenz hinnehmen zu müssen); ohne auf meine persönlichen Aversionen gegen das Rauchen einzugehen (sonst müsste man ja gleich ein eigenes Nichtrauchen-Buch schreiben):

Aber es war von all dem unabhängig eine große politische Dummheit des langjährigen FPÖ-Chefs H.C. Strache, als erstes Anliegen nach Regierungseintritt ausgerechnet ein total persönliches zu verfechten. Für ganz Österreich ist klar, dass die freiheitliche Toppriorität auf der Raucherlaubnis in bestimmten Lokalen einzig durch die schwere Zigaretten-Abhängigkeit des neu ins Amt gekommenen Vizekanzlers motiviert gewesen ist. Daneben ist bei den Österreichern in Sachen Rauchen kein einziges Sachargument mehr durchgedrungen.

Die Bürger mögen es zu Recht nicht sehr, wenn Spitzenpolitiker persönlichen Interessen Priorität geben. Selbst wenn damit keine Rechtsverletzungen verbunden sind.

Freilich: Die politische Intelligenz des FPÖ-Obmannes war nie eine besonders hohe gewesen, wie man spätestens bei Betrachtung der Ibiza-Videos erkennen konnte. Denn wer die Eigentümerstruktur der Kronenzeitung nicht begreift, die sich auch durch noch so viel Geld einer vermeintlichen russischen Oligarchin nicht ändern lässt, wer glaubt, dass man in Redaktionsstuben zack-zack-zack von außen umrühren kann, wer vor Fremden phantasiert, die Vergabe von großen Staatsaufträgen an allen Vergabegesetzen vorbei umlenken zu können, wer Warnungen "Das ist eine Falle" ignoriert, ist nicht sehr klug und weise.

Was nichts daran ändert, dass es Straches Leistung war, die FPÖ aus dem totalen Tief herauszuholen, auf stolzer Höhe zu stabilisieren und in die Regierung zu führen.

Jedenfalls hat Strache sofort nach Amtsantritt auf seiner Raucherregelung bestanden. Deshalb ist sie im Vorjahr auch zusammen mit der eher mürrisch wirkenden ÖVP in seinem Sinn beschlossen worden. Inzwischen ist freilich die Koalition zwischen den beiden Parteien auseinandergebrochen (wobei wie hier schon ausführlich dargelegt, vieles im Spiel war, nur erneut keine politische Intelligenz). Und jetzt kündigt die ÖVP an, die im Vorjahr gemeinsam mit der FPÖ beschlossene Raucherregelung wieder aushebeln zu wollen. Sie lässt damit die alternative Möglichkeit außer Acht, einfach zu sagen: "Wir wollen nicht ständig neue Verunsicherung der Menschen; es ist ja völlig offen, ob vielleicht in einem halben Jahr eine neue Regierung wieder etwas anderes beschließen wird; tun wir daher vorerst gar nichts".

Diese Bereitschaft der ÖVP, schon wieder an der Raucherregelung herumzubasteln, ist aus mehreren Gründen alles andere als klug und weise. Denn:

  • damit gibt sie offen zu, im Vorjahr Gesetzen nicht aus objektiven Gründen zugestimmt zu haben, sondern rein aus koalitionärer Packelei (statt einfach bei der Argumentation zu bleiben, dass man wegen des Freiheitsarguments und zum Schutz der Wirte vor einem Zick-Zack des Gesetzgebers zugestimmt habe);
  • dadurch wird der Gesamteindruck einer eineinhalb Jahre geschlossen agierenden Regierung im Nachhinein empfindlich gestört (selbst wenn man sagt, an den anderen Dingen nichts ändern zu wollen);
  • dadurch entsteht zwangsläufig der Eindruck eines weiteren überflüssigen Revanchefouls zwischen den beiden bürgerlichen Parteien, diesmal eben als schwarze Rache für das Mitstimmen der Blauen beim Misstrauensvotum (was natürlich wieder seinerseits eine schlecht durchdachte Racheaktion der Blauen gewesen ist);
  • dadurch wird deutlich, dass Schwarz und Blau noch immer nicht imstande gewesen sind, wieder eine Gesprächsbasis aufzubauen (obwohl die Wähler beider Parteien in ihrer Mehrheit eindeutig eine Fortführung der schwarz-blaue Kooperation wollen);
  • dadurch überlässt die Kurz-Partei den Freiheitlichen das wählerwirksame Argument, jene Partei zu sein, die das Regierungs-Agieren der letzten eineinhalb Jahre als einzige vollinhaltlich repräsentiert (dabei hätte gerade dieses Argument die Haupttriebfeder der Pro-Kurz-Kampagne sein können und wohl auch sollen – was aber nun nicht mehr geht, zumindest solange die Freiheitlichen ihrerseits nicht gegen die Linie der bisherigen Regierung stimmen).

Die FPÖ-ÖVP-Sticheleien haben sich nur Stunden nach Bekanntwerden der ÖVP-Rauch-Entscheidung mit der rational nicht nachvollziehbaren freiheitlichen Unterstützung für die amoklaufende und eindeutig regelwidrig handelnde Korruptions-Staatsanwaltschaft fortgesetzt (die bei Dienstbesprechungen verbotenerweise heimlich Tonbänder mitlaufen lässt, die ohne rechtliches Substrat Strafanzeigen gegen den eigenen Vorgesetzten erstattet, und die nun auch die Abweisung dieser Anzeige durch eine neutrale dritte Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren will). Auch das kann man schon als weitere Eskalationsstufe im Rosenkrieg ansehen. 

Diese ganze Eskalation ist umso absurder, da die große Oppositionspartei SPÖ derzeit total im Eck ist, so, wie sie es noch nie seit der Olah-Krise der 60er Jahre gewesen ist (zur historischen Erinnerung: Damals hat der intrigante Hinauswurf des SPÖ-Innenministers aus der Partei und eine von ihr initiierte bösartige Strafverfolgung gegen Olah der Volkspartei die absolute Mehrheit beschert). Die nächtliche Sondersitzung der SPÖ-Spitze hat jetzt nur eine frustriertes Verlängerung der Krise gebracht, deren Ursachen von der Uneinigkeit über die inhaltliche Positionierung der Partei bis zu totalem Frust über die jammervollen Auftritte der Parteivorsitzenden reichen. Und die noch durch die neueste Meinungsumfrage des "Profil" getoppt wird, bei der die SPÖ erstmals wieder (knapp) hinter die Freiheitlichen, und Rendi-Wagner (deutlich!) hinter den FPÖ-Obmann Hofer zurückgefallen ist. Ein absolutes Waterloo.

Diese Eskalation zwischen ÖVP und FPÖ ist zusätzlich auch deshalb absurd, da die Regierung der beiden Parteien von der EU wenige Stunden davor ein absolut sensationelles Lob für ihre Wirtschaftspolitik bekommen hat. Aber statt gemeinsam triumphierend mit diesem Lob in der Hand beispielsweise eine Parlaments-Sondersitzung zu veranstalten, benehmen sich Schwarz und Blau wie streitende Schulbuben.

Bei einer solchen Sondersitzung hätten sich die beiden Parteien der Worte des offiziellen EU-Kommissionsvertreters berühmen können (der alles andere als ein Freund von ÖVP oder FPÖ ist), die ihnen eigentlich wie Honig durch die Kehle fließen müssten. Der EU-Mann hat die jüngste der regelmäßig stattfindenden Untersuchungen der österreichischen Staatsfinanzen so zusammengefasst: "Zum ersten Mal, seit es das Europäische Semester gibt, sehen wir, dass im Großen und Ganzen alles passt." Darum brauche es auch keine Budgetempfehlungen an Österreich.

Die EU lobt das Wirtschaftswachstum, sie lobt den Rückgang der Staatsschulden. Und auch der kritischere Teil der EU-Empfehlungen ist ganz gewiss kein Wasser auf die Mühlen der SPÖ oder der Grünen. Denn die EU stellt – auch das übrigens völlig zu Recht! – neben dem Gesundheitssystem die dringende Notwendigkeit einer Anhebung des Pensionsalters für dir Zukunft in den Vordergrund. Da haben Schwarz und Blau leider nichts getan. Aber Rot und Grün können auch diesen kritischen Teil des EU-Zeugnisses nicht instrumentalisieren, weil sie ja noch viel aggressiver jede solche Anhebung bekämpfen.

Nachträgliche Ergänzung zur neuen Raucher-Linie der ÖVP: Es hat nach deren Ankündigung nur wenige Stunden gedauert, bis die Wirtschaftskammer verständlicherweise eine Entschädigung für jene Wirte verlangt hat, die durch ein neues Gesetz zu finanziellem Schaden kämen. Dann würde die ÖVP selbst gegen das von ihr - zu Recht - verlangte Prinzip verstoßen, es dürfe im Übergangsparlament keinesfalls etwas Budgetwirksames beschlossen werden ...

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