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Der neue Libyen-Krieg: die große Gefahr und ungenutzte Chance

In Libyen sind heftige Gefechte in Gang, der gegenwärtig heißeste Krieg auf der Erde. Mit ihm sind Leid und Gefahren, aber auch aufschlussreiche Erkenntnisse – und eine riesige Chance verbunden, die jedoch wieder einmal völlig ungenutzt bleiben dürfte, weil Europa tief schläft.
Gegenwärtig toben im Grund nur drei Kriege auf der Welt – in Libyen, in Syrien und im Jemen; in zwei weiteren Staaten droht der Ausbruch eines Bürgerkriegs – in Algerien und im Sudan; und am gefährlichsten könnte es werden, sollten auch noch Iran und Saudi-Arabien aneinandergeraten. Wie hängen diese Konflikte zusammen? Auch wenn eine repressiv gewordene Politik und Justiz solche Feststellungen am liebsten verbieten möchte, so ist doch ganz eindeutig zu sagen:

  1. Alle diese Auseinandersetzungen toben in islamischen Staaten, während es im Rest der Welt so friedlich zugeht wie noch nie seit Menschengedenken;
  2. bei keinem einzigen Konflikt gibt es eine realistische Chance auf einen Ausgang, der demokratisch-rechtsstaatlich wäre;
  3. es scheint in all diesen Ländern nur die Alternative zwischen Krieg, totalitärem Islamismus, Chaos und Militärdiktaturen zu geben.

Selbst in einem der wenigen halbwegs demokratischen Staaten jener Welt, in Indonesien, also im größten islamischen Land, geht man Riesenschritte Richtung Islamisierung: So werden religiöse Minderheiten wie auch Homosexuelle zunehmend verfolgt; so hat sich der alt-neue Präsident jetzt einen streng islamischen Kleriker als Vize genommen.

Die aktuell heftigsten Kämpfe toben in Libyen. Dort ist der seit langem im Ostteil des Landes residierende Warlord Haftar seit einigen Wochen dabei, die Hauptstadt Tripolis und damit das ganze Land zu erobern. Die in Tripolis seit einigen Jahren amtierende Regierung ist zwar die einzige international anerkannte Struktur Libyens. Sie ist aber unfähig, chaotisch und korrupt.

Sie hat nun laute Alarmrufe ausgestoßen und gewarnt, dass als Folge des Haftar-Vorstoßes 800.000 Schwarzafrikaner, die schon in Libyen sitzen, nach Europa drängen werden. Dieser Alarm hat vor allem in Italien große Besorgnis ausgelöst, während sich das restliche Europa als Beruhigungsdroge an die Behauptung klammert, dass die Völkerwanderung zu Ende sei. Die EU-Kommission und viele Mitgliedsländer nehmen Migrationsgefahren ja prinzipiell erst dann zur Kenntnis, wenn die Kolonnen schon die Grenzen überschreiten. Dementsprechend werden derzeit ja auch alle Berichte aus Griechenland über sich im Frühling nach Norden aufmachende Kolonnen von Arabern ignoriert. Nur in Ungarn und den anderen Balkanstaaten werden diese Meldungen genau verfolgt.

In Libyen sprechen allerdings gleich mehrere Aspekte dafür, die 800.000-Migranten-Warnung zu relativieren:

  • Informationen aus Tripolis sind am Höhepunkt eines Überlebenskriegs nur mit großer Vorsicht zu behandeln. Es ist nämlich ganz eindeutig, dass die dort noch amtierende Regierung nicht unbedingt der Wahrheit verpflichtet ist, sondern alles tut und sagt, um die Europäer doch noch zu einer Intervention zu ihren Gunsten zu bewegen. Hat sie doch sonst keine Überlebenschancen mehr.
  • Auch die internationalen Pro-Migrations-Organisationen IOM und UNHCR entwarnen. Es gäbe keine auffälligen Migrationsbewegungen.
  • Sie sagen auch, für 650.000 der 800.000 Schwarzafrikaner sei Libyen das Ziel- und nicht das Transitland (diese Aussagen der IOM – Internationale Organisation für Migration – widersprechen interessanterweise total den Behauptungen der gutmenschlichen Schlepper-NGOs, die ständig davon reden, dass die Schwarzafrikaner in Libyen als Sklaven darben müssten und es daher ein Verbrechen wäre, sie nicht zu "retten").
  • Es gibt auch nicht annähernd die Schiffskapazitäten, die solche Massen nach Europa bringen könnten. Die Schlepper-Hilfe der EU ist ja zum Glück endlich abgebaut worden. Und auch die linken NGOs sind nicht mehr so zahlreich im Mittelmeer unterwegs.

Der Vorstoß von Haftar muss daher nicht unbedingt negativ zu interpretieren sein. Manches spricht sogar für ihn:

  1. Er scheint deutlich fähiger zu sein als der in Tripolis regierende Haufen.
  2. Auch in anderen arabischen Staaten wie etwa Ägypten haben sich Militärregime als das geringere Übel im Vergleich zu einer Islamisten-Regierung oder dem Ausbruch von Chaos erwiesen.
  3. Haftar scheint sich schon sowohl mit Moskau wie auch Washington geschickt arrangiert zu haben, während nur die EU an Tripolis festhält.
  4. Und vor allem dürfte Haftar ohnedies vor einem Sieg  stehen.

Daher sollte die EU intensiv nachdenken, ob nicht ein rechtzeitiger Wechsel zu Haftar klüger wäre als ein stures Festhalten an einer völkerrechtlich zwar anerkannten, aber unfähigen Regierung. If you can’t beat them, join them.

Aber strategisches Nachdenken ist nicht gerade die Stärke der EU. Man weiß ja nicht einmal, wer denn da eigentlich nachdenken sollte, wer eigentlich europäische Außenpolitik machen soll: der Rat der Regierungschefs? Die Kommission? Berlin? Paris? Rom? Außerdem ist Wahlkampf – da ist Nachdenken schon gar nicht üblich.

Dabei böte ein rascher Seitenwechsel vielleicht sogar eine Chance zu einer weitgehenden Lösung des größten Problems Europas, also des Migrationsproblems. Immerhin haben ja einige kluge Köpfe, so etwa auch Sebastian Kurz, mehrfach klargemacht, dass die Schaffung von Anlandeplattformen nach australischem Muster in Nordafrika wahrscheinlich die einzige realistische Chance wäre, die Völkerwanderung noch zu stoppen. Diese Plattformen wären von Europa zu schaffende, zu finanzierende und zu sichernde Zentren, in die aus der EU alle illegalen Migranten zurückzubringen sind. Dort sollten dann alle Asylverfahren abgewickelt werden, ohne deren positive Entscheidung niemand nach Europa hineinkönnte (natürlich sollte jederzeit die Reise in jedes andere Land der Welt möglich sein und auch finanziert werden).

Bisher hat Europa jedoch keinen Staat in Nordafrika gefunden, der da mitgemacht hätte. Daher bietet sich es eigentlich als geradezu zwingend an, mit General Haftar sofort zu dealen zu versuchen: Europa könnte ihm im Gegenzug für die Genehmigung solcher Anlandeplattformen rasch Anerkennung und Unterstützung gewähren.

Man bräuchte bei einem solchen Seitenwechsel auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Denn die gegenwärtig noch auf einem immer kleiner werden Territorium rund um Tripolis amtierende Regierung hat versagt, sie ist auch in keiner Weise demokratisch legitimiert. Europa hat einfach aufs falsche Pferd gesetzt.

Aber natürlich wird ein solcher Seitenwechsel nicht passieren. Siehe die Anmerkungen zur strategischen Denkfähigkeit Europas ...

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