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Die vielen halben Taten

"Das ist der Fluch von unserm edeln Haus: Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben." Was Franz Grillparzer einst über das Haus Habsburg gedichtet hat, scheint auch bei den heute in Österreich Regierenden noch zu stimmen. Der Hang zu durchdachten, nachhaltigen und mutigen Entscheidungen ist derzeit nicht zu sehen (vielleicht weil dieser Mut gerade zwischen Südkorea und Amerika unterwegs ist?). Ebenso gewiss ist freilich: Angesichts der jämmerlichen Performance der Opposition wird das der Regierung nicht schaden.

Dennoch seien die jüngsten Enttäuschungen angemerkt:

Der halbe Feiertag

In der Liste der halbgaren Entscheidungen steht zweifellos die Erfindung eines "halben Feiertags" am Karfreitag aktuell an der Spitze. Diese Lösung ist absolut unsinnig.

Woran die Tatsache nichts ändert, dass die Karfreitags-Debatte nur durch die absolut überflüssige Einmischung des EU-Gerichtshofs in Österreichs Feiertagsregelungen überhaupt erst notwendig geworden ist. Dieser EuGH hatte Anstoß daran genommen, dass Protestanten, Altkatholiken und Methodisten am Karfreitag arbeitsfrei haben und dadurch gegenüber allen anderen bevorzugt sind, die an diesem Tag arbeiten müssen. Niemand kann aber beantworten, was diese Regelung die EU angeht, ist doch kein anderes Mitgliedsland irgendwie dadurch betroffen.

Daran dass die Regierungs-Lösung als unsinnig bezeichnet werden muss, ändert auch eine weitere Tatsache nichts, nämlich dass die Vorschläge der Linksparteien noch dümmlicher sind (Sie wollten gleich für alle Arbeitnehmer einen ganzen Feiertag mehr).

Die nun von der Regierung vorgeschlagene Lösung ist aber jedenfalls auch selbst unsinnig, weil:

  • das Ganze nach einem faulen Kompromiss stinkt;
  • den Protestanten und anderen kleinen Gruppen, die bisher am Freitag einen "ganzen" freien Tag hatten, dieser weggenommen wird, und sie nur noch einen "halben" Feiertag ab 14 Uhr haben – was sie zweifellos kränkt;
  • diese halbe Lösung weiterhin (den vom EuGH-Urteil nicht berührten) arbeitsfreien Jom Kippur für Juden ungeklärt lässt – was für juristische Feinspitze weiterhin eine Ungleichbehandlung darstellen dürfte;
  • und sich alle anderen gepflanzt vorkommen müssen, wenn man so tut, als ob es jetzt einen "halben Urlaubstag" mehr gäbe. Denn an einem Freitag – noch dazu dem Karfreitag – um 14 Uhr heimgehen zu können, bringt nicht einmal einen viertelfreien Tag. Zu diesem Zeitpunkt sind nämlich jetzt schon mindestens 90 Prozent der Nation nicht mehr in der Arbeit. Wer das bezweifelt, möge die Einlaufzeiten seines Mail-Kontos nachprüfen: Ab diesem Zeitpunkt kommen nicht 50 Prozent, sondern maximal noch 3 Prozent des normalen Mailverkehrs eines normalen Arbeitstages an. Bei Anrufen ist es das gleiche. Auch in Ministerien oder Ministerbüros erreicht man Freitag Nachmittag kaum noch jemanden, am Karfreitag schon gar niemanden (von Gerichten ganz zu schweigen – aber die Damen und Herren Richter sind ja auch sonst nur ganz selten in ihren Büros anzutreffen…).

Da hätte es bessere Alternativen gegeben. Beispielsweise hätte man den Angehörigen jeder Religionsgesellschaft den rechtlichen Anspruch geben können, an einem für jede Religion definierten Tag (etwa am Karfreitag oder zu Jom Kippur oder am Tag des katholischen Landespatrons oder für Religionslose an einem bei Jobantritt zu definierenden Tag) einen Urlaubstag nehmen zu können. sind wir doch das Land mit einer der global großzügigsten Urlaubsregelungen. Eventuell hätte man auch den (religiös ja völlig irrelevanten) Pfingstmontag gegen einen zusätzlichen Urlaubstag für alle eintauschen können.

Überhaupt nicht geprüft und diskutiert wurde bisher – wohl aus Feigheit – etwas noch viel Gravierenderes: Wie verhält es sich rechtlich eigentlich mit jenen praktizierenden Muslimen, die ihre Arbeit täglich drei Mal zum Gebet unterbrechen (wollen)? Wenn sie es wirklich tun, summieren sich ihre täglichen Gebetszeiten auf 30 Minuten. In vielen Berufen lässt sich die Arbeit nach dem Dienstschluss aber gar nicht mehr nachholen – etwa weil sie nur im Team erfolgen kann.

Das ergibt dann aber wöchentlich zweieinhalb Stunden – und im Jahr zweieinhalb Wochen. Das macht die Karfreitagsdebatte schon rein zeitlich zu einer unbedeutenden Fußnote. Und das ist angesichts der Tatsache, dass wir schon weit mehr Muslime haben als Angehörige der Karfreitags-Religionen, auch quantitativ ein viel größeres und eben aus der Gleichheitsperspektive nie ausjudiziertes Problem.

Müssten dann nicht alle anderen Religionen gleich zweieinhalb Wochen mehr Urlaub haben? Oder trauen wir uns, das Beharren auf dem täglichen Gebet zumindest dort, wo es den Arbeitsablauf stört, als Entlassungsgrund zu behandeln? Oder wird es bei uns eines Tages so zugehen, wie in Saudiarabien, wo sogar die Kaufhäuser zu den Gebetszeiten unterbrechen müssen?

Ein mindestens ebenso großes und zusätzliches Problem ist der Ramadan. Wenn strenggläubige Moslems einen Monat lang ab Sonnenaufgang nichts mehr essen und auch nichts mehr trinken(!!), dann wird in der zweiten Tageshälfte ihre Leistung extrem problematisch! Vor allem, wenn der Ramadan in den Sommer fällt. Ich bin einmal an einen Taxifahrer geraten, der mich am Abend vom Bahnhof heimgebracht und dabei erzählt hat, dass er seit der Früh nichts konsumiert hat. Ich hätte eigentlich aus Sorge um die eigene Sicherheit angesichts seiner Fahrweise die Fahrt abbrechen müssen - wollte aber auch nicht mit dem Koffer auf offener Straße bleiben. 

Weder der EuGH noch die Koalition haben sich all diesen explosiven Themen bisher gestellt. Sie haben sich dafür durch die Karfreitags-Farce lächerlich gemacht. 

Die e-Card

Verpatzt hat die Regierung auch die Neuregelung der e-Card. Wohl ist es absolut richtig, dass man Sicherungsmaßnahmen dagegen trifft, dass nicht befugte Personen und Ausländer diese Karte benutzen, um von der österreichischen Allgemeinheit bezahlte Gesundheitsleistungen gratis zu konsumieren. Aber dafür bloß Lichtbilder zu verwenden, ist eine Technologie des vorigen Jahrhunderts.

Hat doch sogar die EU jetzt ganz offiziell vorgeschrieben, dass auf Personalausweisen Fingerabdrücke gespeichert werden. Es kann ja in der Tat längst nicht mehr bestritten werden, dass nur solche biometrische Daten Sicherheit in Hinblick auf die Identität einer Person bieten. Mit bloßen Fotos wird man die Schwindeleien nicht substanziell reduzieren können.

Der Entscheidungsmut fehlt in zentralen Bereichen

Gewiss, diese zwei aktuellen Entscheidungen betreffen nicht die allerwichtigsten Probleme der Nation. Aber sie zeigen, dass Kreativität und Entscheidungsmut selbst bei bloßen technischen Fragen vielfach auch nur das Niveau der rot-schwarzen Jahre haben.

Dasselbe Phänomen zeigt sich aber auch in jenen Bereichen, wo wirklich große Entscheidungen dringend notwendig wären:

  • Im Gesundheitsbereich, wo man durch die viel Staub aufwirbelnden Zusammenlegungen praktisch gar nichts erreicht, hingegen vor allen wirksamen und notwendigen Maßnahmen feige zurückschreckt (wie Wettbewerb zwischen frei wählbaren Kassen; wie Selbstbehalte; wie Ambulanzgebühren, um die Menschen von den überlasteten und teuren Spitälern in die Ordinationen umzulenken).
  • im Pensionsbereich, wo man wie alle Regierungen seit Schwarz-Blau I. überhaupt nichts tut (obwohl vor allem eine flexiblere Pensionsantrittsalter-Lösung dringend nötig wäre): Das hat unweigerlich zur Folge, dass es keine wirkliche Steuersenkung und Standortbelebung geben kann.
  • Im Migrantenbereich, wo zwar der Innenminister tapfer für die Einführung der Sicherungshaft bei gefährlichen Asylwerbern kämpft, wo aber eine ganze Reihe anderer Maßnahmen ausbleibt, die ebenfalls notwendig wären (Wie: Verschärfung und Präzisierung des gerade vom SPÖ-lastigen Landesverwaltungsgericht Wien sabotierten Islamgesetzes; wie sofortige Schubhaft für Wiedereinreisende, die einen Abschiebescheid haben; wie dauerhafte Schubhaft für alle, die trotz Bescheides nicht ausreisen; wie dramatische Erhöhung der Strafhaft für alle, die sich auch nur passiv einer terroristischen Gruppe angeschlossen haben (und jetzt aus Syrien zurückgeschickt werden dürften); wie automatische Abschiebebescheide ab der zweiten auch geringfügigen Verurteilung; wie Bestrafung für alle, die in irgendeiner Weise Druck auf ein Mädchen ausüben, ein Kopftuch zu tragen);
  • Die versprochene, aber de facto lächerlich gemachte Einführung der direkten Demokratie.

Der Bildungsbereich

Wenigstens rund um die Schule gibt es einige eindeutig positive Maßnahmen, was ausdrücklich anerkannt sei. Da gibt es:

  1. Die Herbstferien (mit denen der absurde und für Eltern mit Kindern in verschiedenen Schulen extrem mühsame Wildwuchs der schulautonomen Tage beendet wird);
  2. Die Abschaffung der verbalen Beurteilung in Zeugnissen (ich habe gerade ein solches gesehen, das mir wieder die grenzdebile bisherige Lösung augenscheinlich gemacht hat; denn dort steht acht(!!) Mal bei jedem Unterrichtsfach eines Volksschulkindes der völlig gleiche Schwachsinns-Text, der absolut keinem Siebenjährigen – oder seinen Eltern – etwas gibt: "Erreichte Kompetenzanforderungen: Erfassen und Anwenden des Lehrstoffes und eigenständiges Durchführen von Aufgaben, sowie selbstständiges Anwenden auf neuartige Aufgaben" – Quak, quak, quak);
  3. Die Wiedereinführung von Leistungsgruppen in den Mittelschulen.

Bei anderen zentralen Anforderungen ist freilich auch im Bildungsbereich der eingangs angesprochene "Fluch" der halben Tat mit halben Mitteln zu konstatieren:

  • die Feststellung, ob ein Volksschulkind geeignet für eine AHS ist, wird zwar ernster genommen als bisher, aber statt dass objektive und nachvollziehbare Aufnahmsprüfungen eingeführt werden, wurde eine komplizierte und kaum nachvollziehbare Testkonstruktion geschaffen, deren Praxistauglichkeit mehr als zweifelhaft ist;
  • und beim Kopftuchverbot geht man nur in völlig zaghaften Mini-Etappen vor, statt es für alle staatlichen Schulen in allen Stufen vorzuschreiben.

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