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Die EU-Wahl und die Nöte der österreichischen Parteien

Andreas Schieder hat zwar noch nie durch besondere Intelligenz geglänzt. Jetzt hat er sich aber selbst übertroffen – und indirekt Wahlkampf für die FPÖ gemacht. Ohne dass er das selber wohl überhaupt mitgekriegt hat. Zugleich hat die ÖVP gleich mehrfach EU-Wahl-Bauchweh.

Schieder wird bekanntlich als EU-Wahl-Spitzenkandidat der SPÖ nach Brüssel beziehungsweise Straßburg abgeschoben, nachdem er sowohl beim Rennen um die Wiener wie auch die bundesweite SPÖ-Spitze abgelehnt worden ist und seither überall den jeweiligen neuen Parteichefs im Wege steht. Offenbar im Glauben, damit für sich selbst Wahlkampf-Dampf erzeugen zu können, hat Schieder nun verlangt, dass die bei dieser Wahl stärkste österreichische Partei dann auch den künftigen österreichischen EU-Kommissar stellt.

Er will damit die Regierung entmachten, die eigentlich laut EU-Vertrag das Recht hat, den Kommissar vorzuschlagen (jedes Land stellt einen Kommissar). Was aus Schieders Warte ja durchaus nachvollziehbar ist. Es ist jedoch völlig rätselhaft, wieso Schieder glaubt, durch eine solche Spitzenkandidaten-Konstruktion Stimmen für sich selbst lukrieren zu können. Diese könnten für den sehr weit links positionierten Schieder höchstens von den Grün-Sympathisanten kommen. Die Grünen sind aber derzeit bei Umfragen in Österreich wie in vielen anderen Ländern kaum wahrnehmbar (sehr zum Unterschied von Deutschland, wo die Grünen sehr von einigen interessanten – und in die Mitte gerückten! – Spitzenfiguren und der Beteiligung der SPD an einer unbeliebten Regierung profitieren).

Bei vielen Österreichern dürfte jedoch eine Realisierung des Schieder-Vorschlags eine von ihm wohl nicht beabsichtigte Wirkung haben: nämlich zugunsten der FPÖ. Das trifft auf all jene zu, die positiv von der schwarz-blauen Regierung und Sebastian Kurz denken, was bekanntlich eine massive Mehrheit tut.

Alle jene, die eigentlich quasi automatisch die ÖVP wählen würden, werden vor der EU-Wahl jedoch sehr kritisch nachzudenken beginnen, falls der Wahlkampf allzusehr sehr auf die Spitzenkandidaten personalisiert wird. Ist doch Othmar Karas, also der derzeitige Fähnchenführer der schwarzen EU-Abgeordneten, seit dem Amtsantritt von Kurz absurderweise der schärfste und aggressivste Kritiker der Kurz-Regierung. Er ist der letzte Anti-Kurz-Schwarze, der geistig irgendwie noch in der Mitterlehner-Polarisierung lebt. Was bei vielen traditionellen Schwarzwählern den Gedanken aufkommen lassen wird: "Ich kann nicht gleichzeitig mit der einen Gehirnhälfte diese Regierung gut finden und mit der anderen Karas wählen. Ich bin ja nicht schizophren."

Und je personalisierter dieser Wahlkampf wird, umso mehr  werden das überlegen. Kein einziger der abspringenden Schwarzen wird freilich deswegen Schieder wählen. Vielmehr werden etliche etwas tun, was manche von ihnen noch nie getan haben: nämlich ihr Kreuz bei den Freiheitlichen machen. Diese schicken zwar nur ein eher durchschnittliches Team ins EU-Rennen, pinkeln aber wenigstens nicht ständig die Wiener Regierung an.

Die Blauen stellen ja skurrilerweise jene österreichische EU-Fraktion, welche die von einem schwarz-türkisen Kanzler geleitete Wiener Regierung am wenigsten von allen Parteien attackiert – während sie gleichzeitig in der EU in Opposition sind, wo eigentlich ein Parteifreund von Kurz an der Spitze der Kommission steht. Der ist aber wieder bei ÖVP-Wählern alles andere als beliebt, hat er doch eine deutlich links der Mitte einzuordnende Politik gemacht (Pro-Migration, Anti-Ungarn, Anti-Polen, eindeutige Mitschuld am Brexit aus offensichtlichem Desinteresse an einem konservativ-wirtschaftsliberalen Land).

Das ist eine ziemlich verkehrte Welt, dieses Europa und seine Parteien.

Schieders Strategie ist jedenfalls gut geeignet, der FPÖ zu helfen, als Nummer eins aus der EU-Wahl hervorzugehen. Würde die von Schieder verlangte Festlegung aber auch europaweit gelten, dann würden die sogenannten Rechtspopulisten einen noch viel wichtigeren weiteren Erfolg erzielen: Dann gelänge ihnen aus etlichen Ländern der sichere und direkte Einmarsch auch in die EU-Kommission. Etwa aus Italien, Belgien, Tschechien oder Ungarn. Aber auch in etlichen anderen Ländern hätten sie gute Chancen, zur Nummer eins zu werden.

Sie hätten damit nicht nur im EU-Parlament, sondern auch in der Kommission eine signifikante Stärke – selbst wenn die jetzige EU-Mehrheitsachse aus Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und Linksliberalen zweifellos noch einmal die Mehrheit schaffen wird. Zugleich gibt es aber kaum noch Länder, wo die klassische Sozialdemokratie Chancen auf den Spitzenplatz hätte. Das hat sie nur noch in eher problematischen Randländern wie Malta, Portugal und Rumänien. In etlichen anderen Ländern können die Sozialdemokraten schon froh sein, wenn sie wenigstens noch an vierter Stelle zu liegen kommen. Und in Ländern wie der Slowakei liegen sie zwar voran – aber stehen in fast allen wichtigen Fragen weit rechts von der Europäischen Volkspartei.

Das alles ist politisch hochinteressant und könnte zweifellos eine völlig andere EU-Politik bewirken. Wetten, dass Schieder nicht so weit gedacht hat?

Noch größere Sorgen als die SPÖ hat aber die Volkspartei – eben wegen der Causa Karas. Sie will seinetwegen einen Spitzenkandidaten-Wahlkampf möglichst vermeiden.

In der ÖVP fürchtet man, dass Karas ein paar Prozentpunkte abziehen könnte, würde sie ihn hinauswerfen, worauf Karas am nächsten Morgen bei den Neos-Linksliberalen einziehen würde. Das wäre inhaltlich sogar sehr logisch. Lag Karas doch zuletzt fast immer auf deren Linie. Hat er sich doch noch in seiner letzten vor den Feiertagen vermerkten Aktion massiv für den europäischen Linksliberalen-Chef Verhofstadt ins Zeug geworfen.

Der Anlass dafür war ein angeblich manipulierendes Video aus Ungarn. Es stammt von der ungarischen Fidesz, die eigentlich zur gleichen Fraktion wie Karas gehört und die mit Sicherheit einen der höchsten Wahlsiege aller nationalen Parteien einfahren wird. In diesem Video war Verhofstadt mit den Worten "Wir brauchen Migration" zitiert worden, die er nie gesagt haben will. Ohne dieses Video beurteilen zu können, ist es jedenfalls seltsam zu beobachten, dass sich ein österreichischer Politiker so vehement in einen Streit ins Rennen geworfen hat, der sonst außerhalb Ungarn und Belgien nicht beachtet worden war. Und dass er sich dabei für einen Linksliberalen und gegen eine Partei exponiert, die seiner eigenen Fraktion angehört. Das ist nur der letzte Vorfall unter unzähligen ähnlichen Karas-Aktionen in den letzten Jahren.

Nochmals sei es gesagt: eine ziemlich verkehrte Welt, dieses Europa und seine Parteien.

Die ÖVP fürchtet aber nicht nur die Kandidatur von Karas auf einer Konkurrenz-Liste. Sie muss noch viel mehr davor bangen, dass Karas als ÖVP-Spitzenmann viele Schwarzwähler vertreibt.

Zugleich hat sie aber keinen tauglichen alternativen Spitzenkandidaten gefunden, den sie an seiner Stelle ins Rennen schicken könnte. Das ist freilich wenig überraschend, da ja im Erfolgssystem Kurz neben dem Parteichef keine andere Persönlichkeit Platz zum Erblühen hat.

Jetzt versucht die ÖVP aus der Not eine Tugend zu machen. Was an sich nicht blöd ist. Sie will erstmals eine reine Vorzugsstimmenwahl durchführen und ihre EU-Abgeordneten genau nach der Zahl der Vorzugsstimmen auswählen, die der jeweilige ÖVP-Kandidat auf den Stimmzetteln erhält. So könnte sie es den Wählern ermöglichen zu sagen, wie sie über Karas denken, ohne als Partei deren Stimmen zu verlieren. So könnte sie auch unterschiedliche bürgerliche Lager gezielt mobilisieren, etwa die Wertkonservativen, etwa die Bauern, etwa die Unternehmer. so könnte sie auch die Kandidaten und deren Hinterland ins Laufen bringen.

Das wäre jedenfalls jenseits aller Parteitaktik ein wichtiger Schritt hin zu mehr Demokratie und zur Entmachtung der Parteigremien. Diese hatten ja bisher in der Erstellung der Listenreihungen vor Wahlen oft ihre wichtigste Kompetenz. Das führt auch regelmäßig zu wilden parteiinternen Kämpfen (wie zuletzt etwa bei der SPÖ um die dubiose Kandidatur des Kärntner Landeshauptmann-Sohnes).

In Südtirol, aber auch in Niederösterreich hat man jedenfalls mit so einem Vorzugsstimmensystem schon beste Erfahrungen gemacht. Damit könnte es der ÖVP doch noch gelingen, sowohl den Abgang der Pro-Karas-Stimmen nach links (geschätzte fünf Prozentpunkte), wie auch den der Anti-Karas-Stimmen nach rechts zu verhindern (geschätzte zehn Prozentpunkte).

Voraussetzung ist allerdings, es gelingt ihr, als Alternative zu Karas einige halbwegs attraktive Kandidaten zu finden. Dabei werden weder Personifikationen des Karas-Juncker-EU-Zentralismus,  noch bloße JVP-Funktionärstypen erfolgreich sein können. Ziemlich rar wie Einhörner sind freilich jene Idealfiguren, von denen man in der ÖVP träumt: Das wären junge Frauen aus den Bundesländern mit hohem Promi-Wert und nationalem wie internationalem Niveau (wobei der ÖVP-Parlamentsklub mit einigen Frauen dieser Art überdies schon sehr problematische Erfahrungen gemacht hat: Der Opernball oder der Rollstuhl ersetzen halt kein politisches Können).

Wie ernst es die ÖVP wirklich mit dem versprochenen objektiven Listenwahlrecht meint, wird man aber ohnedies erst bei der Reihung der Kandidaten auf dem Stimmzettel sehen. Wie wird die sein: Alphabetisch? Nach Zufallsprinzip? Oder doch hierarchisch mit Karas an der Spitze? Und wer wird in Vorwahl-Diskussionen gehen? Und von Plakatwänden lachen?

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